26. Juli 2004

Hermannstadt nutzt einmalige Chance

Neben Luxemburg wird auch Hermannstadt Europas Kulturhauptstadt des Jahres 2007 sein. Das haben die Kulturminister der 25 EU-Staaten am 26. Mai in Brüssel beschlossen. Mit der zusätzlichen Benennung von Städten, die außerhalb der heutigen EU-Grenzen liegen, will man das Zusammengehörigkeitsgefühl aller Europäer stärken. Erfolg verspricht man sich in der Stadt am Zibin bei der Umsetzung dieses Vorhabens. Eine eigens hierfür gegründete Kulturstiftung hat kürzlich ihre Arbeit aufgenommen. Erste Projekte wurden im Alleingang, aber auch in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Luxemburg angedacht. Marius Constantin, Pressesprecher des Bürgermeisteramtes Hermannstadt und Sekretär der Stiftung sowie Projektkoordinator für die Veranstaltungen im Jahre 2007, kehrte jüngst von einem Arbeitsbesuch aus dem Großherzogtum zurück und trifft sich nun erneut mit Kulturveranstaltern am Zibin. Aus diesem Anlass richtete unser Hermannstädter Mitarbeiter Martin Ohnweiler einige Fragen an den Mitverantwortlichen für das unter dem Namen SIBLUX 2007 bekannte Projekt.
Herr Constantin, vielseitige Initiativen haben dazu geführt, dass Hermannstadt im Jahr 2007 – gemeinsam mit Luxemburg – Europas Kulturhauptstadt sein wird. Eine diesbezügliche Idee wurde auch an Sie herangetragen.

In der Tat. Als ich 2000 noch beim rumänischen Lokalblatt „Monitorul de Sibiu“ für die wöchentliche Sonderseite über die sächsische Gemeinschaft rund um die Stadt am Zibin verantwortlich war, traten zwei Bekannte, übrigens Sachsen aus Deutschland, mit dieser Idee an mich heran. Hermannstadt, so begründeten sie ihren Gedanken, sei nach der damaligen Bürgermeisterwahl eine europäische Stadt geworden. Daraufhin plädierte ich im Blatt erstmals denn auch öffentlich für unsere Stadt als europäische Kulturhauptstadt.



Marius Constantin, Projektkoordinator für die Veranstaltungen im Jahre 2007 in der europäischen Kulturhauptstadt Hermannstadt. Foto: Martin Ohnweiler
Marius Constantin, Projektkoordinator für die Veranstaltungen im Jahre 2007 in der europäischen Kulturhauptstadt Hermannstadt. Foto: Martin Ohnweiler
Offenbar ohne wesentliche Resonanz.

Doch. Denn diesen Gedanken vefolgten schon ein Jahr später sowohl das Bürgermeisteramt als auch der Direktor des Internationalen Theaterfestivals von Hermannstadt, Constantin Chiriac. Letzterer ging sogar einen Schritt weiter, nachdem er intensive Kontakte zu britischen Kollegen pflegte, und überlegte, eine Partnerstadt aus England in dieses Vorhaben einzubinden. 2002 unterbreitete Bürgermeister Klaus Johannis die Idee offiziell dem Kulturminister Razvan Theodorescu. Bei dessen Besuch auf höchster Ebene in Luxemburg erfuhr der Minister, dass das Großherzogtum bereits eine Absicht in diesem Sinne konkretisiert habe: Luxemburg wollte 2007 erneut europäische Kulturhauptstadt werden, nachdem es schon einmal diese Auszeichnung erhalten hatte. Hermannstadt und Luxemburg waren sich einig, sich gemeinsam bei den europäischen Instanzen zu bewerben. Und 2004 legten beide Seiten jeweils ein eigenes Konzept in diesem Sinne bei der EU-Kommission vor.

Ein etwas gewagtes Unterfangen.

Gewagt schon, aber ohne weiteres durchführbar. Das EU-Programm sieht nämlich für die europäischen Kulturhauptstädte Veranstaltungen vor, in die sowohl die Eigenart der jeweiligen Stadt als auch ihr Beitrag insgesamt zur europäischen Kultur einfließen sollen. Und da haben wir einiges zu bieten.

Konkret: Was haben Sie als Projektkoordinator bei Ihrem Besuch in Brüssel vorgeschlagen?

Im April 2004 unterbreiteten wir unsere äußerst anspruchsvollle Bewerbung der zuständigen Auswahljury und den EU-Kommissaren in Brüssel. Darin wurde auf etwa 70 Seiten zunächst unsere Stadt vorgestellt: ihre Geschichte, die gegenwärtige Lage, die wirtschaftliche Entwicklung und nicht zuletzt die Kulturpolitik der Administration. Ferner haben wir die wichtigsten Kulturinstitutionen, also letztendlich die Akteure der Veranstaltungen von 2007, angeführt, zudem die Infrastruktur für Kulturprogramme in Sälen und im Freien, desgleichen die Zubringerdienste, die touristische Infrastruktur, unser Budget und, was wohl am wichtigsten war, unsere Kommunikationsstrategien. Die EU will schließlich wissen, wie wir diese Veranstaltung nicht nur lokal oder überregional, sondern vor allem europaweit vermarkten können. Da gab es einige Bemerkungen seitens der Fachleute, auch Anregungen hat man uns mitgegeben, aber unter dem Strich wurde festgehalten: Das Hermannstädter Projekt ist machbar, es verdient, den weiteren europäischen Instanzen empfohlen zu werden.

Nicht alle Auswahljuroren waren jedoch ursprünglich begeistert.

Es stimmt, nicht alle waren überzeugt, dass wir es schaffen werden. Einige befürchteten, dass unser vorgeschlagenes Budget von etwa 20 Millionen Euro dafür nicht ausreichend sei. Luxemburg hat allein 56 Millionen Euro für die Kulturveranstaltungen im Jahre 2007 veranschlagt, die Summe der Investitionen bis dahin kenne ich nicht. Allerdings werden auch wir vorab noch etwa 55 bis 60 Millionen Euro in dies Vorhaben investieren. Hierzu zählen bis 2007 der Bau der Umgehungsstraße, die Modernisierung des Flughafens u.v.a.m.
Aber nicht nur ein etwaiges Budget, sondern vielmehr Kulturprogramme an sich sollten ausschlaggebend für den Status einer europäischen Kulturhauptstadt sein – selbst in einer finanziell etwas ärmeren, aber durchaus an Kulturtraditionen reichen Stadt. Das hat überzeugt, die Empfehlung wurde, wie bekannt, weitergeleitet: Neben Luxemburg hat schließlich auch Hermannstadt das Plazet des EU-Ministerrates erhalten.

Gerät Hermannstadt gegenüber Luxemburg damit nicht ins Hintertreffen?

Wir müssen davon ausgehen, dass Hermannstadt ohnehin aus anderen Startlöchern in dies Rennen zog. Dass Luxemburg uns quasi mitgezogen hat, war von größtem Vorteil, denn Rumänien ist noch nicht EU-Mitglied und hätte niemals eine seiner Städte in diesen Rang versetzen können. Das wäre erst nach dem EU-Beitritt möglich gewesen – also mitunter erst nach 2007. Nur sind die weiteren Kulturhauptstädte bereits bis 2019, wenn ich nicht irre, bestimmt. Daher hätten wir, rein theoretisch, erst ab 2020 davon träumen können. Dieser Augenblick war für uns also einmalig, und von einem Nachteil sollten wir auch nicht sprechen. Unser Budget ist zwar kleiner, wesentlich weniger Touristen besuchen derzeit unsere Stadt als Luxemburg. Aber als europäische Kulturhauptstadt rücken wir in ein neues Rampenlicht am alten Kontinent, wir werden bekannter, attraktiver. Und all das mit positiven Auswirkungen für die Zukunft. Auch das war mitentscheidend für das Brüsseler Urteil.

Doch vorerst: Kann man Kulturveranstaltungen für möglicherweise Millionen Besucher beherbergen?

Wir denken nicht an Millionen von Besuchern, wissen aber jetzt schon, was in diesem Sinne 2007 möglich ist. In Hermannstadt gibt es neuerdings den restaurierten Thalia-Saal, der es durchaus mit einer ähnlichen Einrichtungen für die Luxemburger Philharmoniker aufnehmen kann. Mehr als 400 bis 500 Musikliebhaber pro Konzert wird man wohl hüben wie drüben auch nicht zählen. Luxemburg verfügt zwar noch über einen neuen Theatersaal für etwa 900 Zuschauer. Doch auch bei uns gibt es ein Projekt, wonach das Theater am Hermannsplatz ausgebaut werden soll. Vergessen wir nicht die Transilvania-Mehrzweckhalle, die, wie der Name schon sagt, für viele Zwecke und gleich für bis zu 3 000 Besucher praktisch ad hoc umgestaltet werden kann. Und unser, zum Großteil schon restauriertes Stadion kann bis zu 35 000 Gäste empfangen. Noch mehr: Europaweit werden gegenwärtig immer häufiger Marktplätze in den Stadtkernen für Kulturveranstaltungen beansprucht. Da kann Hermannstadt wohl einiges bieten und gleich für 25 000 Zuschauer oder Zuhörer beispielsweise nur am Großen Ring.

Denken Sie schon an bestimmte Kulturveranstaltungen?

Zunächst an die Eröffnungsfeier, die vermutlich schon im Dezember 2006 stattfinden wird. Es ist alles vorerst nur ein Plan, aber wir denken an ein Spektakel, das wie eine Bombe einschlagen und europaweit auf Hermannstadt aufmerksam machen soll. Mit Sicherheit sind unsere weltweit bekannten Opernsänger und -sängerinnen dabei. Sinfonische Musik und, warum nicht, Pop könnten das Programm ergänzen. Von Mai bis Oktober bauen wir ferner auf bereits bewährte Veranstaltungen wie das Internationale Theaterfestival, das Jazz-Festival, jenes für anthropologische Dokumentarstreifen, für mittelalterliche Kunst oder das Carl-Filtsch-Festival, alles bekannte und beliebte Programmpunkte, die aber in einen neuen, innovativen und interdisziplinären Rahmen gesetzt werden.

Gibt es auch neue Akzente?

Wir haben kürzlich mit den Kollegen aus dem Großherzogtum Gemeinschaftsausstellungen besprochen, die vom Brukenthalmuseum und dem Kunstmuseum in Luxemburg bestritten werden sollen. Auch Institutionen aus Belgien haben unterdessen Interesse für diesen Bereich bekundet, angedacht ist u.a. eine Ausstellung unter dem Titel „Flandrenses, Saxones, Hospites“ mit Exponaten, die bis in die Einwanderungszeit der Siebenbürger Sachsen reichen. Zwei weitere Ausstellungen sollen sodann die Kunstliebhaber bis in unser Jahrhundert führen. Eine Ausstellung „Brukenthal – homo europeus“ wird nicht fehlen, und Vorschläge gibt es ferner für eine Ausstellung über die Roma. Das Geschichtsmuseum aus Luxemburg befasst sich jetzt schon damit und sucht dafür Partner in Rumänien.
Für den Bereich Musik kam ferner von der Stadtkantorin Ursula Philippi die Anregung für eine Veranstaltung unter dem Motto „Cross Composition“, wobei Hanspeter Türk – auf Anregung von Ilse und Kurt Philippi – eine unvollendete „sächsische Matthäuspassion“ von Rudolf Lassel in modernem Stil fortsetzt und dafür Chor, Solisten und Orgel einsetzt. Wie Sie sehen, gibt es viele Projekte, und es werden noch zahlreiche hinzukommen, denn die eigens hierfür gegründete Stiftung wird sich in regelmäßigen Abständen mit Kulturveranstaltern aus der Stadt, aus dem Land und dem Ausland treffen und eben zusätzliche Programmpunkte ins Auge fassen.

Herr Constantin, wir danken Ihnen für das Gespräch.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2004, Seite 3)

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