25. Juli 2001

Fragwürdiges Gesetz gegen Aussiedler verabschiedet

Die Bundestagsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen erschweren durch eine fragwürdige parlamentarische Initiative die Aufnahme von Aussiedlern aus Osteuropa. Der Deutschen Bundestag hat am 6. Juli durch die Verabschiedung eines so genannten Spätaussiedlerstatusgesetzes das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) novelliert. Paragraph 6 des BVFG wird dahingehend geändert, dass deutsche Volkszugehörigkeit durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache bestätigt werden muss. Diese sei nur dann feststellbar, "wenn jemand zum Zeitpunkt der Aussiedlung aufgrund dieser Vermittlung ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen kann".
Wenn auch zugegeben ist, dass das Gelingen der Integration von Aussiedlern von deren Deutschkenntnissen abhängig ist, muss festgestellt werden, dass damit der Gesetzgeber in rechtlicher Hinsicht erstaunlicherweise schnell auf aussiedlerfreundliche höchstrichterliche Urteile reagiert hat, indem er erneut die Aufnahme erschwert.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte am 19. Oktober 2000 aussiedlerfreundliche Urteile betreffend das Merkmal der deutschen Muttersprache verkündet. Hiervon waren überwiegend russlanddeutsche Spätaussiedler betroffen, da deutsche Aussiedler aus Rumänien im Regelfall keinerlei Schwierigkeiten bei dem Nachweis der deutschen Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 BVFG haben. Die Reaktion des Gesetzgebers auf das höchstrichterliche Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte prompt. "Am 19. Juni 2001 haben die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen Entwurf eines Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz – SpStatG) in den deutschen Bundestag eingebracht. Der Entwurf wurde drei Tage später im Bundestag beraten. Verabschiedet wurde am 6. Juli eine verkürzte Fassung des ursprünglichen Gesetzesentwurfes, die im Wesentlichen nur noch die Rückkehr zur Rechtslage darstellt, wie sie vor dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil vom 19. Oktober in der Verwaltungspraxis von Bund und Ländern gesehen wurde" (Deutscher Ostdienst, Bonn, 13. Juli 2001).
Diese schnelle Änderung führt dazu, dass an das Bestätigungsmerkmal der deutschen Muttersprache nunmehr – anders wie von den oben erwähnten Bundesverwaltungsgerichtsurteilen verlangt – erneut ganz strenge Anforderungen gestellt werden. Dies wird nicht nur zu einem weiteren Rückgang des Aussiedlerzuzugs, sondern auch dazu führen, dass russlanddeutsche Familien erneut auseinandergerissen werden. Die schnelle Reaktion des Gesetzgebers auf aussiedlerfreundliche Urteile (Entsprechendes konnte zu Paragraph 5 BVFG in der jüngsten Vergangenheit festgestellt werden, siehe Veröffentlichungen in dieser Zeitung) wird insofern mindestens mit Verwunderung zur Kenntnis genommen.
Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1998, das die Aufnahme von Aussiedlern aus Rumänien erschwert und die Vereinsamung nicht mehr als Benachteiligungskriterium im Sinne des § 4 Abs. 2 BVFG ansieht, hat trotz Versprechungen von SPD-Politikern auf den Heimattagen in Dinkelsbühl keine Gesetzeskorrektur zu Gunsten dieses Personenkreises zur Folge. So wie bei zuzugswilligen Spätaussiedlern aus den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion wäre es wünschenswert gewesen, dass die gesetzliche Vermutung eines Kriegsfolgenschicksals auf Rumäniendeutsche geändert wird, entsprechend der Praxis und Rechtsprechung vor dem 31. Dezember 1992.
In diesem Zusammenhang sei darauf zudem hingewiesen, dass auch Vorsprachen von Spitzenvertretern unseres Verbandes bislang nicht dazu geführt haben, dass beispielsweise die Praxis in Bayern, wonach grundsätzlich gegen positive erstinstanzliche Gerichtsurteile Rechtsmittel eingelegt werden, geändert wird. Insofern scheint offensichtlich den Betroffenen nichts anderes übrig zu bleiben, als alle gerichtlichen Instanzenzüge auszuschöpfen und sogar zum gegebenen Zeitpunkt eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Erwägung zu ziehen, sollten sich keine Änderungen in der Verwaltungspraxis oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung realisieren lassen. Letztere sind sowohl in der Anwendung der Gesetze auf Russlanddeutsche als auch für Rumäniendeutsche angebracht, um sich der Beurteilung des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung Jochen Welt, MdB, zu den Empfehlungen der Zuwanderungskommission in Aussiedlerfragen anschließen zu können, der festgestellt hat, seine Empfehlungen trügen "der historischen Verantwortung Deutschlands Rechnung und tragen zur Rechtssicherheit für die Russlanddeutschen bei".
Zusammenfassend scheint es bedenklich, wenn trotz des verfassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips (Legislative/Exekutive/Judikative) die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts nur dann zu Gesetzesänderungen im BVFG-Recht führen, wenn dies einen Zuzug erschwert. Einer diesbezüglichen Entwicklung kann offenbar nur noch das Bundesverfassungsgericht entgegenwirken.

Dr. Johann Schmidt, Bundesrechtsreferent der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2001, Seite 1)

Bewerten:

1 Bewertung: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.