14. September 2004

Siebenbürger feiern Begegnungsfest in Munster

Unter dem Motto "Heimat suchen, Heimat finden", das schon den Leitsatz zum diesjährigen Pfingsttreffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl abgegeben hatte, fand am letzten Sonntag im August das Begegnungsfest der Landsleute aus Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein statt, das traditionsgemäß alle zwei Jahre in Munster, der gastfreundlichen Stadt im Süden der Lüneburger Heide, veranstaltet wird. Angereist waren dazu rund 450 "Nordlichter", wie sich die Bewohner dieser Landstriche und mit ihnen die hinzugekommenen Siebenbürger zu nennen pflegen, obwohl speziell diese zum Großteil aus dem Süden ihres Herkunftsgebietes kommen, offenbar aber die norddeutsche Lebensart inzwischen weitgehend verinnerlicht haben.
Engagierte Mitglieder der Kreisgruppe Lüneburger Heide leisteten beim Treffen in Munster ganze Arbeit, von links nach rechts: Katharina Roth, Johann Wotsch, Traute Andersen, Ottmar Olesch, Vera-Sophie Pudziow, Helga-Anna Olah, Wilhelm Olah, Agathe Wotsch Pudziow. Nicht auf dem Foto, aber ebenfalls aktiv dabei waren Knut Andersen und Heiner Olesch. Foto: Wilfried Pudziow
Engagierte Mitglieder der Kreisgruppe Lüneburger Heide leisteten beim Treffen in Munster ganze Arbeit, von links nach rechts: Katharina Roth, Johann Wotsch, Traute Andersen, Ottmar Olesch, Vera-Sophie Pudziow, Helga-Anna Olah, Wilhelm Olah, Agathe Wotsch Pudziow. Nicht auf dem Foto, aber ebenfalls aktiv dabei waren Knut Andersen und Heiner Olesch. Foto: Wilfried Pudziow
Wie lässt sich heute, in Zeiten nationaler Entgrenzung und des zunehmenden Kulturtransfers, erlittener Heimatverlust in aussichtsreicher Suche nach neuer Beheimatung auffangen? Um diese Frage kreiste beim Treffen in Munster der Festvortrag von Prof. Dr. Konrad Gündisch, Wissenschaftlicher Direktor am Oldenburger Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Keineswegs gelinge solches in Selbstüberhebung und kritikloser Überbewertung von Leistungen der Vergangenheit, so der Lösungsansatz des Historikers, aber auch nicht "durch Selbstverleugnung" und das "Kappen der Wurzeln, die zu den Vorfahren führen". Vielmehr müsse auf dem Weg zur Beheimatung "ein gesundes, zeitgemäßes Selbstbewusstsein vorhanden sein", das aus Erfahrungen der Geschichte schöpft, "denn nur wenn man weiß, woher man kommt, wenn man weiß, wo seine Wurzeln sind, weiß man auch, wo man steht und wohin man geht".

Zu den Hinterlassenschaften der Geschichte, auf die Siebenbürger zurückgreifen können gerade auch in der "postnationalen Konstellation", wie sie der bedeutende deutsche Sozialphilosoph Jürgen Habermas der heutigen Gesellschaft bescheinigt hat, zählte Gündisch unter anderen die lange Geübtheit in religiöser Toleranz, die bereits 1557 auf Drängen der Sächsischen Nationsuniversität vom siebenbürgischen Landtag für die gesamte Provinz verkündet wurde, die Erfahrungen der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung und vor allem die des wirtschaftlichen und kulturellen Mittlertums. Mit diesem "unsichtbaren Gepäck" seien, so der Historiker, die Bewahrung von Gruppenidentität und damit die Heimatfindung selbst in der „im Wandel zur Multikulturalität befindlichen Gesellschaft der Bundesrepublik und der Europäischen Union“ möglich.

Von Beheimatung, jedoch in einer weiteren, über das konkret Gesellschaftspolitische hinausgehenden Dimension, war zuvor auch in der Andacht die Rede gewesen, die Pfarrer Egon Eisenburger in der Festhalle von Munster hielt. Dabei hatte der Seelsorger zum Ausgangspunkt seiner Meditation die Geschichte Abrahams aus dem ersten Buch Mose gewählt, da der Erzvater auf Geheiß des Herrn aus dem mesopotamischen Zwischenstromland, "von meiner Heimat", wie er selbst es im Alten Testament nennt, ausgezogen war, um im Lande Kanaan eine neue Heimstatt zu finden. Er fand sie, so Pastor Eisenburger, indem er in gläubiger "Gotterkenntnis" handelte. In ähnlicher Weise sei stets auch das Gemeinschaftsleben der Siebenbürger Sachsen und damit ihr Heimischsein im Land "jenseits der Wälder" vom Glauben geprägt gewesen, doch letzte Gültigkeit habe das Bibelwort, das sich im Philipperbrief des Paulus findet: „Unsere Heimat aber ist im Himmel“.

Die Festveranstaltung in Munster hatte Volkmar Gerger, der Vorsitzende der Landesgruppe Niedersachsen-Bremen der Landsmannschaft eröffnet und dabei mehrere Ehrengäste begrüßen dürfen, unter ihnen den Bundesjugendleiter und Stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft, Rainer Lehni, sowie Klaus Westerkowsky, den Bürgermeister der Stadt Munster, die beide Grußworte an die Versammelten richteten. Der niedersächsische Kommunalpolitiker lobte die Siebenbürger Sachsen für ihre gelungene Integration ins Gesellschaftsleben seiner Stadt und des Bundeslandes, verwies auf ihre althergebrachte Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit und zog dafür als sprechendes Beispiel Hermannstadt heran, wo die Bewohner erst kürzlich mit über 90 Prozent der Stimmen einen Siebenbürger Sachen zum Bürgermeister gewählt haben, obwohl die Deutschen in der Stadt eine schier verschwindende Minderheit darstellen. Bundesjugendleiter Lehni unterstrich, wie wichtig es sei, Überliefertes an kommende Generationen weiterzugeben und rief zu einer aktiven Jugendarbeit auf.

Belebt wurde die Festveranstaltung durch die Darbietungen der hervorragend eingestimmten Siebenbürger Blaskapelle Wolfsburg unter Günther Bodendorfer, die mit einem Strauß bunter Melodien in bewährt mitreißender Art das heitere Zusammensein der Landsleute durch den Tag begleitete. Dazu kamen die Auftritte des von Andreas Herberth geleiteten Wolfsburger sächsischen Chors, der vertraute Heimatlieder erklingen ließ, sowie der sächsischen Trachtentanzgruppe aus Salzgitter, die, angeleitet von Hermann Schieb, schwungvolle Reigen zum Besten gab. Einen besonders erheiternden Farbtupfer stellte ein von Hannelore Wirtz inszenierter Sketch der Theatergruppe aus Hannover dar, der spezifisch mundartliche Ausdrücke und Redewendungen unfrisiert in die Hochsprache herüberholte, womit wiederholt Lachsalven beim Publikum ausgelöst wurden. Übrigens denkt man in Hannover daran, ein mundartliches Kabarett auf die Beine zu stellen, Laienspieler sollen dafür schon gewonnen worden sein, man ist lediglich noch auf der Suche nach Textautoren.

In der Festhalle, wo als Blickfang in einer Ecke eine kleine aber sehenswerte Ausstellung mit siebenbürgisch-sächsischer Volkskunst, mit Stickereien und Keramik eingerichtet worden war, feierten die von überall aus Norddeutschland angereisten Gäste bei Wiedersehensfreude und guten Gesprächen ihr Zusammensein, schwangen auch gehörig das Tanzbein bis in die späten Nachmittagsstunden und fühlten sich im besten Wortsinne "daheim", nicht ohne das gesunde Selbstbewusstsein, mit dem sie an Überliefertem festhalten und von dem eben der Historiker Gündisch gesprochen hatte.

Am Schluss des Tages hatte Landesvorsitzender Gerger vielen zu danken, die in ehrenamtlichem Einsatz zum eindeutigen Gelingen des Treffens beigetragen hatten. Dazu gehörten aus dem Landesvorstand der Kultur- und Jugendreferent Kurt Freitag sowie Kassenwart Michael Salmen, vor allem aber die Leute aus der landsmannschaftlichen Kreisgruppe Lüneburger Heide mit ihrem Vorsitzenden Wilhelm Olah und dessen Gattin Helga, mit Johann Wotsch und dessen Tochter Agathe, mit Traute und Knut Andersen, Ottmar und Heinrich Olesch sowie Katharina Roth, die allesamt als Gastgeber in Munster den größten und anspruchvollsten Teil der Vorbereitungsarbeiten zu bewältigen hatten. Ihre Aufgabe haben sie hervorragend gemeistert.

Hannes Schuster



Fotoalbum Siebenbürger Treffen 2004 in Munster, Fotos Hans-Detlev Buchner

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