15. September 2004

Kleinschelken steckt alle in den Sack

Etwa 700 Kleinschelkener feierten in Siebenbürgen das größte Treffen einer Heimatortsgemeinschaft. Draser hat die Renovierung der Kleinschelker Kirchenburg nicht nur zeitgerecht, sondern auch kostengünstig betreut. Die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen würdigte das Wirken Drasers, der Mitglied der Kreisgruppe Böblingen ist.
"Nachdem unser ‚Kleinschelker Treffen‘ seit 1984 insgesamt zehn Mal an unterschiedlichsten Orten Deutschlands stattfand, wurde von vielen Landsleuten der Wunsch geäußert, unser nächstes Treffen in Kleinschelken zu veranstalten", hieß es in der noch Ende letzten Jahres verschickten Einladung der Heimatortsgemeinschaft (HOG) an alle Landsleute. Denn: "Anders rauschen die Brunnen, anders rinnt hier die Zeit", zitierten die Veranstalter aus Meschendörfers "
Siebenbürgischer Elegie" und fügten dem hinzu: "Tradition pflegen bedeutet nicht Asche aufbewahren, sondern das Feuer am Leben erhalten. " Mit dieser erklärten Absicht wurden rund 20 Programmpunkte für vier Festtage im August ins Auge gefasst.



Georg Draser begrüßt die Gäste. Foto: Martin Ohnweiler
Georg Draser begrüßt die Gäste. Foto: Martin Ohnweiler
Mit mehr als 300 Teilnehmern hatten die Organisatoren nicht gerechnet, aber bis zum Vortag des Treffens hatten sich 625 Personen angemeldet. Gut 700 erschienen dann am Sonntag, dem 15. August, in der Kirche von Kleinschelken und zum anschließenden Festschmaus. Sind es heutzutage nur mehr 16 "evangelische Seelen", zählte die Gemeinde im Seitental der Kleinen Kokel einst 1400 Siebenbürger Sachsen. Somit ist praktisch die Hälfte der Kleinschelker, wie sie sich im mundartlichen Sprachgebrauch nennen, in ihren Heimatort zurückgekehrt."Damit habt ihr alle in den Sack gesteckt", gratulierte Dechant Reinhart Guib der "wohlwollendsten Heimatortsgemeinschaft im ganzen Mediascher Bezirk". Die Zusammenkunft stellt damit nicht nur bezirks-, sondern siebenbürgenweit das bislang größte HOG-Treffen dar. Rund 30 000 Euro ließen sich die Kleinschelkener das Fest kosten. 600 Kilogramm Schweinefleisch, 300 Kilogramm Rindfleisch, 3 000 Liter Wein aus Groß-Alisch und etliche Fässer ermöglichten das viertägige gemütliche Beisammensein. Vier Köchinnen sorgten für einen echten sächsischen Hochzeitsschmaus, zwölf Personen für die Bedienung und 20 für Ordnung. Verantwortlich dafür waren Katharina Reuss und Katharina Hermann sowie Hans Stolz.

Obenauf war der Kleinschelkener Chor unter Leitung des HOG-Vorsitzenden Andreas Stühler mit 40 Mitgliedern aus Deutschland angerückt. Ihm war es gelungen, eine Zehn-Mann-Kapelle für das Treffen zu begeistern. Am Montag bestritt die siebenbürgisch-sächsische Blaskapelle unter Hans Mantsch aus Stuttgart das Platzkonzert und die Tanzunterhaltung.
 Auf dem Marktplatz in Kleinschelken nach dem Kirchgang. Foto: Martin OhnweilerAuf dem Marktplatz in Kleinschelken nach dem Kirchgang. Foto: Martin Ohnweiler
Doch damit nicht genug. Mit einem Spendenaufkommen von rund 15 000 Euro seit 2002 konnten bis dato alle Dächer der Kirche, Türme und Basteien, die äußere Ringmauer sowie sämtliche Dachrinnen erneuert werden. Die Kirche wurde neu verputzt und gestrichen, Stützpfeiler konsolidiert, der Blitzableiter befestigt, die alte Jahreszahl 1463 wieder an den Turm geschrieben, weitere Ornamente mit Goldfarbe verziert, die Orgel von zwei Schweizer Organisten (Daniel Rüegg und Katrin Müller) instandgesetzt, führte Bezirksdechant Guib auf. Außerdem wurden der Friedhof und das Pfarrhaus, wo einst Stephan Ludwig Roth seine Kindheit verbracht hatte, renoviert. 27 Kleinschelkener logierten in acht Räumen des neu eingerichteten Gästehauses unter der fürsorglichen Betreuung von Hilda Wädt.

Viele Helfer wirkten mit, doch ein Name war immer wieder zu hören: Georg Draser, "
ein Vorreiter der wieder Heimkehrenden" (Guib), der seinem Heimatort mit viel Kraft und Ausdauer neuen Glanz verlieh. Mittlerweile hat er rund 70 Nachahmer gefunden, die in Kleinschelken alte Häuser renovieren oder neue bauen. Doch keiner kann vorerst mit ihm gleichziehen. Denn Georg Draser von Hausnummer 404, einst bekannter Winzer, der nach der Dezemberrevolution nur vorübergehend weggezogen war, hat hier ein neues Unternehmen aufgezogen. Seine Söhne Hans und Uwe Draser sind derzeit die einzigen Arbeitgeber in der Gemeinde. 60 Angestellte haben sie zur Stunde. "Die Tendez ist steigend", freute sich Geschäftspartner Thomas Blume aus Nordrhein-Westfalen. In der vor kurzem gekauften und renovierten LPG-Stallung am Dorfeingang sollen demnächst neue Produktionshallen entstehen.

Darauf sind nicht nur Vater und Mutter Draser, sondern alle Kleinschelkener stolz. Ohne diese einsatzkräftige Familie, die früher schon Faschingsfeiern organisiert hatte, wäre das Fest so nie zu Stande gekommen. Auch die Landesgruppe Baden-Württemberg wusste dies zu schätzen. Ihr Vorsitzender Alfred Mrass überreichte Georg Draser das "Silberne Ehrenwappen" der Landsmannschaft mit Urkunde. Draser hat die Renovierung der Kleinschelkener Kirchenburg nicht nur zeitgerecht, sondern auch kostengünstig betreut. Auch die Landsmannschaft würdigt demnach das Wirken Drasers, der Mitglied der Kreisgruppe Böblingen ist.

Pfarrer Hans Auner, gebürtiger Kleinschelkener und vor der Aussiedlung einst Seelsorger im Reener Ländchen, weihte das Gotteshaus wieder ein. Man wolle damit nicht nur altes Gemäuer erhalten, sondern vielmehr ein Zeichen des Glaubens und des Dankes setzen, so Pfarrer Auer in seiner Festrede. Dank an Georg Draser sowie die "Clique" (Zitat Weiss), die für weitere Überraschungen sorgte. Dienstagabend organisierte sie einen Fackelumzug und ein Lagerfeuer am Berg, wo besinnliche Lieder angestimmt wurden. All das sei "ein Zeichen, dass es bei uns noch ein Heimatgefühl gibt", freute sich Georg Draser.

Martin Ohnweiler


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