22. September 2004

Pressefreiheit in Bedrängnis: "Romania libera" erhebt Vorwürfe gegen WAZ

Die renommierte Tageszeitung Romania libera titelte am 13. September in Riesenlettern "Der schwärzeste Tag". Die Redaktion erhob in einer Erklärung schwere Vorwürfe gegen den Mehrheitseigentümer der Zeitung, den WAZ-Konzern: Der westdeutsche Medienriese übe erheblichen Druck auf die Redaktion aus, weniger regierungskritisch aufzutreten. Die WAZ wolle aus der Zeitung ein Boulevardblatt mit "positiven Reportagen" machen. Der Essener Konzern wies zwar die Vorwürfe zurück, aber dessen Neutralität wird auch von mehreren deutschen Zeitungen in Frage gestellt.
Romania libera war nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceausescu im Dezember 1989 das Flaggschiff der freien Presse in Rumänien. Wie die tageszeitung berichtet, habe ihr Direktor Petre Mihai Bacanu unter der Diktatur im Gefängnis gesessen, weil er illegal eine Ceausescu-kritische Zeitung gedruckt hatte. Der SPD-nahe WAZ-Konzern hatte vor vier Jahren 70 Prozent der Anteile an der konservativen Zeitung in Bukarest gekauft und keine Einmischung in die redaktionellen Inhalte in Aussicht gestellt. Das habe sich jedoch seit diesem Frühjahr, als Bodo Hombach, der ehemalige Koordinator des Südosteuropa-Stabilitätspaktes, Geschäftsführer der WAZ-Gruppe in Essen wurde, radikal geändert, erklärt Bacanu. Bei der Romania libera in Bukarest wurde Klaus Overbeck als Geschäftsführer eingesetzt. Er und sein Assistent, Markus Kleininger, der zunächst als Übersetzer gearbeitet hatte, sollen in den letzten Monaten die Redakteuren immer wieder gedrängt haben, kritische Artikel gegen die sozialdemokratische Regierungspartei zu unterlassen und statt dessen "positive" Reportagen zu bringen.

Die WAZ dementierte die Vorwürfe: Im hart umkämpften rumänischen Markt müsse die Romania libera eine Qualitätszeitung bleiben und werde "in diesem Sinne" weiter "Auffrischungen" erfahren, hieß es aus Essen. Darüber hinaus habe sich die WAZ, als einziges Medienunternehmen neben der norwegischen Orkla Media AS, den OSZE-Grundsätzen für Pressefreiheit verpflichtet. Zweifel an diesen Beteuerungen äußert die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Angesichts der Entwicklungen in Bukarest bleibe die WAZ den Beweis schuldig, dass sie die erwähnten Grundsätze der Nicheinmischung in redaktionelle Inhalte tatsächlich umsetze.

Die Beschwerden von Journalisten und die Proteste ganzer Redaktionen gegen ihre Eigentümer häufen sich zurzeit in Rumänien. Das sei "kein Zufall", schreibt Keno Verseck in der tageszeitung. "Im November stehen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen an, und die Regierungspartei versucht offen, die Medien auf ihre Seite zu ziehen." Eine Woche zuvor hatte sich auch die Redaktion der Bukarester Tageszeitung Evenimentul Zilei (Auflage: 100 000 Exemplare) in einem Protestschreiben an ihren Eigentümer, den Schweizer Medien-Konzern Ringier, über dessen Einmischung in redaktionelle Angelegenheiten beschwert. Unter dem Vorwand organisatorischer Veränderungen habe Ringier versucht, "den kritischen Ton des Blattes abzuschwächen", hieß es in der Erklärung der Redakteure.

Dass die Pressefreiheit in Rumänien in Bedrängnis ist, wird auch von europäischen Institutionen bemängelt. So werde Druck ausgeübt über die Vergabe von Werbeaufträgen, ist die Regierung doch einer der größten Auftraggeber für Anzeigen und Werbespots. Bei kritischer Berichterstattung werden solche Aufträge gestoppt, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Medien.

S. B.

Bewerten:

6 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.