25. September 2004

Siebenbürger Sachsen beim Münchner Oktoberfest erfolgreich

Die Schönauer Trachtengruppe hat die Siebenbürger Sachsen am 19. September 2004 beim Internationale Trachten- und Schützenumzug des Oktoberfestes mit großem Erfolg vertreten. Unter den 8 300 Teilnehmern, viele von ihnen aus dem europäischen Ausland, befanden sich 120 Schönauer, die auf Münchens Paradestraßen von hunderttausenden Schaulustigen bewundert wurden. Gefolgt vom traditionell mit Eichen- und Buchenlaub geschmückten Rinnenwagen zogen die Siebenbürger Sachsen unter Startnummer 41b von der Maximilianstraße durch die Innenstadt zur Theresienwiese.
Ein Höhepunkt jedes Oktoberfestes ist der vom Münchner Festring veranstaltete Internationale Trachten- und Schützenumzug, der heuer unter dem Motto "Alte Zünfte, Handwerk, Brauchtum und Historische Feste" stand. Erstmals im Jahre 1835 zu Ehren der Silberhochzeit von König Ludwig I. und Therese von Bayern abgehalten, hat sich der seit 1950 am ersten Wiesn-Sonntag stattfindende Umzug zu einem herausragenden Ereignis entwickelt, das im Fernsehen live in die ganze Welt übertragen wird. Unter den 8 300 Teilnehmern, viele von ihnen aus dem europäischen Ausland, befanden sich am 19. September auch 120 Schönauer, die die Siebenbürger Sachsen mit ihren historisch wertvollen Trachten und einem schön geschmückten Rinnenwagen mit großem Erfolg vertraten.

Die Schönauer Trachtengruppe auf der Münchner Parademeile, der Ludwigstraße. Foto: Alexander Di Leonardo
Die Schönauer Trachtengruppe auf der Münchner Parademeile, der Ludwigstraße. Foto: Alexander Di Leonardo

"Schee wars!" - Gefolgt vom traditionell mit Eichen- und Buchenlaub geschmückten "Rinnenwagen" (keinem "Hopfenwagen", wie ARD-Kommentator Fritz Zeilinger meinte), zogen rund 120 Schönauer von der Maximilianstraße durch die Innenstadt zur Theresienwiese. Mit Startnummer 41b hieß es aber erst einmal anderthalb Stunden warten. Die Zeit vertrieb man sich mit Gesprächen und Gruppenaufnahmen.

Doch dann ging es in zügigem Tempo los. Zwei Kaltblüter vom "Hunglinger" aus Traunstein zogen den Wagen, in dem 15 gestandene Männer saßen und traditionelle Volkslieder aus Siebenbürgen sangen. Mehrere der 50 Schönauer Familien waren extra aus Drabenderhöhe, Remscheid oder Kassel in die bayerische Landeshauptstadt angereist. Der älteste siebenbürgisch-sächsische Festzugsteilnehmer war der Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft Schönau, Martin Göbbel, im Alter von 70 Jahren. Der Jüngste im Alter von nur Anderthalb wurde von seinen Eltern im Bollerwagen, an dessen Seiten ebenfalls Eichenzweige befestigt waren, hinterher gezogen. Zehn Mann stellte Familie Konnerth, in der von den Großeltern bis zum Enkel alle mitliefen.

Der nach altem Brauch geschmückte Rinnenwagen der HOG Schönau zog viele Blicke auf sich. Foto: Alexander Di Leonardo
Der nach altem Brauch geschmückte Rinnenwagen der HOG Schönau zog viele Blicke auf sich. Foto: Alexander Di Leonardo

Auf der Theresienwiese angelangt, waren vor allem die jüngeren Teilnehmer froh, die sieben Kilometer lange Strecke durch Münchens Paradestraßen geschafft zu haben. Die brennende Sonne und das flotte Marschtempo hatte einigen zu schaffen gemacht. Schließlich zogen sie ins Bräu-Rösl-Festzelt ein, wo es sich Hans Gärtner nicht nehmen ließ, jedem persönlich für seine Teilnahme zu danken und einen Gutschein für eine Maß Bier zu schenken. Als die Festzelt-Kapelle das Lied "Dragostea din tei" von O-Zone/Haiducii anstimmte, gab es kein Halten mehr. Vor allem die jüngeren Schönauer tanzten ausgelassen auf den Tischen und hatten eine "Mords Gaudi".

Seit März dieses Jahres hatten die Schönauer ihre Teilnahme am Festumzug vorbereitet. Ihre Energie und Schaffensfreude hätte locker für zehn Rinnenwägen gereicht. Es galt zunächst die wesentlichen Merkmale der "Schönauer Tracht" in Erinnerung zu rufen, sie auszuleihen oder selbst anzufertigen. Einen Wagen für das Rinnfest hatte man von einem Bauern geliehen, ein zweiter Bauer stellte seine Scheune zur Verfügung, wo man das Gefährt in Ruhe schmücken konnte. Beim Versuch, den altersschwachen Wagen vom Tieflader zu heben, brach das Vehikel entzwei. Doch auch das konnte die eifrigen Sachsen nicht aufhalten. "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg", so ein Schönauer. Ein Passant hielt die Siebenbürger sogar für Wagner, als er sie das Fuhrwerk reparieren sah.

Samstag vor dem Oktoberfestumzug in Zorneding, südöstlich von München. 20 Männer turnten um den blau bemalten Wagen herum, befestigten hier noch einen Ast und zwackten dort noch ein Stückchen Draht ab. Währenddessen banden die Ehefrauen, Mütter und Töchter je 260 weiße und rote Nelken, zehn Bund Astern und rund 700 weitere Blumen aus dem Garten von Heinrich und Johanna Miess zu einem Kranz zusammen. Dass so viele Blumen aus dem Garten fehlten, war Johanna Miess nicht einmal aufgefallen, als sie tags zuvor nach Hause gekommen war. Das Ehepaar aus Kirchdorf am Inn hatte sich auch sonst sehr nützlich gemacht. Der gelernte Schneider Heinrich Miess hatte 63 Meter Stoff verarbeitet und daraus 30 Hosen und 40 Westen genäht. Hans Gärtner meinte anerkennend: "Wenn du nicht gewesen wärst, hätten wir nicht auftreten können". Miess sei "immer wieder froh, wenn wir bei Festen zusammenkommen, denn sonst trifft man sich nur bei Beerdigungen".

Hans Gärtner, der Hauptverantwortliche und Organisator des Oktoberfestumzuges – die Teilnahme war vom Bundeskulturreferat der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen ermöglicht worden -, ist dankbar für die Hilfsbereitschaft, die er nicht nur von den Schönauern, sondern auch von Nachbarn, Bauern und Förstern erfahren durfte. So sind alle Schönauer, die nicht aus München und Umgebung stammten, bei Landsleuten untergekommen. "Der starke Zusammenhalt von Jung und Alt legt Zeugnis von der guten Gemeinschaft ab", sagte er nicht ohne Stolz auf seine Leute.

Verantwortlich für das Schmücken des Wagens war Samuel Roth. Er macht seit 44 Jahren beim Rinnenfest mit, das nach dem Heimattag 2000 in Dinkelsbühl nun zum zweiten Mal in Deutschland präsentiert wurde. Das Schmücken des Rinnenwagens nahm den ganzen Samstag in Anspruch. Mit vereinten Kräften schob man den Wagen gegen Abend auf einen nicht sehr vertrauenserweckenden Anhänger. Viele hatten Zweifel, ob er es mit dem tonnenschweren Rinnenwagen bis zum Münchner Schlachthof, dem Sammelpunkt für alle Festzugswagen, schaffen würde. Eine Stunde und Dutzende Ziehgurte später ging es langsam fahrend auf die Wasserburger Landstraße. Mit der Gewissheit, dass am nächsten Morgen schon alles gut gehen würde, legte man sich um Mitternacht schlafen und träumte sicherlich auch vom Rinnenfest, wie es damals in Siebenbürgen war.

Das Rinnenfest

Einer der schönsten Bräuche Siebenbürgens ist das "Schönauer Rinnenfest". Es entstand im 19. Jahrhundert, als die Gemeinde Schönau die früher dem ungarischen Adel gehörenden Felder, Äcker und Wälder übernommen hatte. 1900 wurde das Fest erstmals in der Ortschronik erwähnt. Anfangs von der Schönauer Burschenschaft ausgerichtet, ist es seit dem Zweiten Weltkrieg Aufgabe der Jugend, die Quellen bzw. Rinnen immer am Sonntag vor Pfingsten instandzusetzen. Nur konfirmierte und unverheiratete Jugendliche durften mitmachen.

Während die eine Hälfte der Jugend die Rinnen säuberte und die Bemalung der Holzvertäfelung erneuerte, schmückten die anderen drei Wägen mit Eichen- und Buchenlaub. Die Wagenfront war mit einem Blumenkranz versehen, der die Initialen des gastgebenden Jugendlichen trug. Anschließend zogen 15 bis 20 Jungen pro Wagen singend durch das Dorf, wo sie zum Lohn für ihre Mühen von jeder Familie mit einem Liter Wein bedacht wurden, der im Rückteil des Wagens in einem Fass gesammelt wurde. Damit die Quellen nicht austrocknen, wurde den Jugendlichen ein Eimer Wasser nachgeworfen. Daher war die Jugend sehr daran interessiert, die Eichen- und Buchenzweige an den Außenwänden des Wagens möglichst dicht zu setzen. Weil der von zwei Ochsen und zwei Pferden gezogene Wagen jedoch oben offen war, blieb kein Insasse lange trocken... Abends wurde dann der eingesammelte Wein getrunken. Diesen schönen Brauch ließen die Schönauer nun beim Trachten- und Schützenumzug in München wiederaufleben.

Alexander Di Leonardo

Fotostrecke: Siebenbürger Sachsen beim Münchner Oktoberfest 2004

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2004, Seite 3)

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