24. Oktober 2004

Artur-Leiter-Gedenkausstellung in Kronstadt

Am 4. November wird in Kronstadt mit einer Gedächtnisausstellung auf den am 6. August 1904 dort geborenen Maler und Graphiker Artur Leiter aufmerksam gemacht. Leiter, der am 17. Juni im Alter von 82 Jahren in seiner Heimatstadt starb, gehörte einer Generation von Kronstädter bildenden Künstlern an, die durch schöpferische Dynamik und ästhetische Qualität im ganzen Land von sich reden machte. An Leiters Entwicklung als Maler wird zugleich auch in beispielhafter Weise die Auswirkung des ideologischen Zwangs sichtbar, die der kommunistische Staat auf seine Künstler ausübte.
Die teils ungarische, teils deutsche Abstammung Artur Leiters wurde – wie sein Biograph Zoltan Banner anmerkte – dominiert von der übergeordneten siebenbürgischen Komponente seiner Persönlichkeit. So stark er dieser menschlich verbunden war, so entschieden drängte es ihn über herkünftige künstlerische Ausdrucksformen hinaus. Mit Recht wurde daher sein Name gelegentlich in einem Atemzug mit Hans Mattis Teutsch (1884 –1960), Henri Nouveau/Heinrich Neugeboren (1901-1959) oder Elena Popea (1979-1941) genannt.

Der erfolgreiche Student der Bukarester Akademie der Schönen Künste – vom ersten Semester an leistungsbedingt Stipendiat, bereits im zweiten Studienjahr mit dem Preis des Akademie-Kompositionswettbewerbes und kurz darauf, 1936, mit einer Studienreise in die Türkei ausgezeichnet – hatte das Glück vorzüglicher Lehrer. George Demetrescu Mirea (1852-1934), dem Nachfolger der Koryphäen Teodor Aman (1831-1891) und Carolus Duran (1838-1917) folgte der nicht minder bemerkenswerte Camil Ressu (1880-1962), der der rumänischen Malerei neue Wege wies. Pragmatische Erwägungen veranlassten Leiter, das Studium nicht ohne zwei Graphik- und Kalligraphie-Semester abzuschließen. Sie halfen ihm, beruflich 1929 als Lehrer zunächst in Kronstadt, danach für die Jahre 1934-1939 in Oderhellen/Odorhei Fuß zu fassen. Ein Schicksal, das er mit Kollegen aller drei siebenbürgischen Nationen teilte – im geographisch reduzierten Raum ohne große Kunstmetropolen bei allem Können als freischaffender Künstler nicht existieren zu können.


Artur Leiter und sein Werkzeug.
Artur Leiter und sein Werkzeug.

Artur Leiter war ein Kolorist par excellence, in dessen frühem Werk die Einflüsse überragender europäischer Bahnbrecher erkennbar sind. So hat z.B. der Münchner Franz Marc (1880-1916) mit seinen berühmten Pferdemotiven als Kompositionselement den jungen Leiter ebenso fasziniert – was sich schon im Ölgemälde – „Pferde vor dem Sturm“, aber auch in späteren Arbeiten niederschlug – wie sich Annäherungsversuche an den Kubismus des Franzosen Georges Braque (1882-1962) nachweisen lassen, hält man sich z.B. die lineare und chromatische Auffassung der Öl- bzw. Temperaarbeiten „Tanz am Waldrand“ (1967) oder „Häuser zwischen Gärten“ (1973) neben Braques „Stillleben mit Harfe und Violine“ (1912) vor Augen. Und natürlich wirkte auch in Leiters Werk des großen Paul Cezanne (1839-1906) Vorbild nach, was ein Blick auf sein außerordentliches „Stundturm-in-Schäßburg“-Bild (Öl 1978) belegt.

Im Zeichen dieser Großmeister erarbeitete sich Artur Leiter mit unbeirrbarer Stetigkeit die eigene Handschrift. Sie geriet in der Nachkriegsepoche unausweichlich in die rigorosen Mühlen des „sozialistischen Realismus“ und wurde von Staatswegen dirigiert und kontrolliert. Ein Studium der Folgen dieser Zwänge für den künstlerischen Reifungsprozess der gesamten Malerei jener Jahrzehnte im malerisch traditionsreichen Rumänien wäre psychologisch ebenso reizvoll wie geistesgeschichtlich erheblich; es steht bis heute aus. Wie die meisten seiner Kollegen entzog sich auch Artur Leiter dem staatsautoritärem Anspruch auf „sozialistische Themenstellung“ und verzichtete auf die „Königsdisziplin“ der Malerei: auf die Komposition mit dem Menschen. Er malte Landschaft, Dorfszenen, Naturvorgänge, Stillleben. Natürlich erfordern auch Motive dieser Bereiche kompositorisches Können, man denke an Caspar David Friedrich (1774-1840) o.a. Doch verzichteten diese Maler auf den Menschen als Grundelement der „großen Komposition“, weil er laut Diktat als Parteisekretär, Traktorfahrer, genialer KP-Führer oder mit dem „Arbeitsorden“ ausgezeichneter Vorarbeiter zu erscheinen hatte. Artur Leiter war nicht bereit, seine Kunst prostituieren zu lassen. Das wird exemplarisch sichtbar bei seinem 1966 in Öl gemalte Bild „Im Stahlwerk“. Zweifellos ein Thema, in dessen Mittelpunkt „Der Mensch im Produktionsprozess“ steht. Doch genauso wie vor ihm Maximilian Luce (1858-1941) mit dem Gemälde „Das Hüttenwerk in Couillet“ (1896-1900) ein Kunstwerk und nicht eine klassenkämpferische Botschaft gestaltet hatte, entwarf Leiter eine dramatisch vom Feuer des Schmelzofens durchglühte Bildszene, die sich eindeutig ästhetisch und nicht ideologisch versteht.



Artur Leiter: Kronstadt, alte Stadtmauer. Aquarell, 1956.
Artur Leiter: Kronstadt, alte Stadtmauer. Aquarell, 1956.


Neben Natura-morta-Stücken, die sich bis in die Nähe der gegenständlichen Auflösung vorwagten – wie z.B. die „Blumen mit Pfeife“ (1973) oder ein Sonnenblumen-Ölbild von 1974, aber auch eine Architekturszene wie das vorzügliche „Haus der Engel in Kronstadt“ (1983) setzte sich Artur Leiter dem Ernst seiner geistigen Anlage entsprechend in aufwühlenden wie aufwühlerischen Arbeiten mit Elementarvorgängen der Natur auseinander. „Schneeschmelze“ (1973), „Allein“ (1976), „Elan“ (1977), „Herbstlandschaft am Alt“ (1978) sind Ölbilder, in denen der Künstler hinter die optische Erscheinung der Dinge und Vorgänge zu blicken versucht; ihre philosophierende Sucherabsicht ist unübersehbar. Sie wird am deutlichsten in den „Vulkanischen Landschaften I, II“, Aquarell, Öl (1971, 1973), im „Waldmärchen“ (Öl 1973) in schockierender Unmittelbarkeit auf dem Großaquarell „Umweltverschmutzung“ (1976). Einen besonderen Platz im Gesamtwerk nehmen die 1959 in der Türkei entstandenen Bilder ein. Überlastet von der allgegenwärtigen Präsenz der ideologischen Staatswachhunde schuf der Maler in Konstantinopel und Umgebung Aquarelle von zauberhafter Koloristik und einer bestechenden Einheit.

Artur Leiter, der nach den Oderheller Jahren wieder in Kronstadt lebte, mit Ausstellungen hier, in Bukarest und anderen Orten Bewunderer und Verehrer fand, war Zeit seines Lebens ein Grandseigneur. Unaufdringlich, diszipliniert, belesen, im Gespräch leise und abwägend, verkörperte er den Künstlertypus einer Welt des Taktes und des menschlichen Anstandes. Er gehört mit seinen glücklichen Arbeiten in der Schar überprovinziell herausragender Kronstädter Maler des 20. Jahrhunderts, denen der Kunsthistoriker und -kritiker Günther Ott (*1915) höchstes Lob zollte, in die erste Reihe.

Hans Bergel

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