24. November 2004

Deutsche in Rumänien zwischen Meinungs- und Machtpolitik

"Das letzte Halbjahr stand ganz im Zeichen der Wahlen", hieß es eingangs im Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Klaus Johannis. Die zweite ordentliche DFDR-Vertreterversammlung des Jahres 2004 fand am 20. November, an einem ersten frostigen Wintertag, im Hermannstädter Spiegelsaal statt, und zwar eine Woche vor den rumänischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen.
Trotz Sturm im Westen des Landes und Schneefall dies- und jenseits der Karpaten waren die Vertreter sämtlicher Regionalforen angereist. Angeheizt wurde die Stimmung durch das (Vor)-Wort des DFDR-Ehrenvorsitzenden Paul Philippi, der damit erneut, wie er sagte, zum Nachdenken Anlass geben wollte. Sein Fazit in der gegenwärtigen Lage, wo das Forum nicht mehr nur mit „Meinungspolitik“, sondern verstärkt nach dem Wahlerfolg 2004 auch mit „Machtpolitik“ konfrontiert sei: „Wir müssen von vornherein damit rechnen, dass wir diese ‚Macht'-Positionen in nicht allzu langer Zeit wieder verlieren werden.“ Das sei die Normalsituation einer Minderheit, „dass sie ihre Position nicht aus einer Position der Macht, viel eher aus einer der Ohmacht vertreten können muss“. Von daher solle sich die zeitlich begrenzte Machtpolitik einer Minderheit auf eine permanente Meinungspolitik gründen.

Der gleichen Meinung war auch der Landesvorsitzende Klaus Johannis, der entgegen seiner Gepflogenheiten dieses Wort des Ehrenvorsitzenden vorab kommentierte, weil er tags davor auf der Landeskirchenversammlung auf ähnliche Tour die „Versuchung der Macht“ angesprochen habe. Es gelte dabei, „die Macht wahrzunehmen und so zu nutzen, um das zu erreichen, was für uns gut ist“, sagte der zurzeit wohl mächtigste Mann im Forum.

Zwischen Meinungs- und Machtpolitik bewegten sich so die meist nüchternen Berichte und Diskussionen sowie Bilanzierungen auf der Vertreterversammlung. Wolfgang Wittstock, der bereits seit 1992 fast ununterbrochen als DFDR-Vertreter in der Bukarester Abgeordnetenkammer an den Hebeln der Machtpolitik saß, hielt eine Rückschau über seine Tätigkeit in diesen Jahren, desgleichen Ovidiu Gant, der seit 2001 in der rumänischen Regierung als Unterstaatssekretär für die deutsche Minderheit agierte. Beiden wurde gedankt, beiden Erfolg gewünscht für ihre neuen Aufgaben nach dem 28. November: Wittstock als möglicher Senator, Gant als Abgeordneter.

Bei den Wahlen am 28. November sollte das Forum mit einer einheitlichen Kandidatenliste in 17 Landeskreisen antreten. Details mussten noch geklärt werden. Und der Landesvorsitzende sprach Klartext: „Es gibt keine sogenannten verlorenen Stimmen, jede Stimme zählt fürs Forum“, so Johannis. Denn zumindest eine Position in der Abgeordnetenkammer wolle man erzielen, zudem einen unabhängigen Senator in das Oberhaus entsenden, der aber für das Forum auftritt, um letztendlich dies Gremium insgesamt in Rumänien bekannter zu machen.

Oder anders gesagt: Trotz der gegenwärtigen Akzeptanz des Forums durch die Mehrheitsbevölkerung müsse man die Ergebnisse der Kommunalwahlen im Juni 2004 konsolidieren und stabilisieren. Erst 2008 wolle man ein noch gewagteres Ziel anpeilen und „die Fünf-Prozent-Wahlsperrklause bei den Parlamentswahlen locker schaffen“, sagte Johannis. Mit 16 Abgeordneten und acht Senatoren werde man dann über eine Fraktion verfügen, mit der man ganz anders als bislang „unsere Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft und zum Wohle aller stellen kann“.

Martin Ohnweiler

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.