5. Dezember 2004

Nachruf auf Intendant Hans Linder

Wenn im Theater die Scheinwerfer erloschen sind, wird es still im Saal und auch bei den Schauspielern. Am 31. Oktober 2004 wurde es still, ganz still. Hans Linder, zehn Jahre lang Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar, hat die Bühne verlassen.
Es war dies die Bühne, die ihn geprägt hat und die er geprägt hat. Die Bühne, die er geleitet hat, zuerst als stellvertretender Intendant, dann als Intendant, sollte eigentlich zu dem werden, was man „die Bretter, die die Welt bedeuten“ nennt. Für manche war das auch so. „Der Zeit den Spiegel vorhalten“, wie es bei Shakespeare heißt.



Hans Linder starb am 31. Oktober 2004 in Nürnberg
Hans Linder starb am 31. Oktober 2004 in Nürnberg
Das Deutsche Staatstheater Temeswar (DSTT) wurde 1953 ins Leben gerufen, um den kulturellen Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung im Banat und in Siebenbürgen entgegenzukommen. Das DSTT war übrigens die einzige selbstständige Bühne im Südosten Europas.

Die Spielstätte des DSTT befand sich in einem Haus, in dem sich vier Kulturinstitutionen die Klinke in die Hand gaben. Es war dies die Oper, das Rumänische Nationaltheater, das Ungarische Theater und das Deutsche Staatstheater. Das ist einzigartig in Europa! Diese enge Zusammengehörigkeit war äußerst produktiv für alle. Dazu hat Hans Linder viel beigetragen. Es ist unbegreiflich, wie er das lecke Schiff DSTT in einer Epoche, in der die „Zeit aus den Fugen zu gehen drohte“, durch die stürmische See immer wieder in den sicheren Hafen zu steuern wusste.

In einem Alter, wo jeder normale Sterbliche sich auf seinen Lorbeeren ausruht, versuchte es Hans Linder noch einmal. Nachdem er an der Temeswarer Fakultät Philologie absolviert hatte, studierte er Theaterwissenschaft an der Theaterhochschule Leipzig. Respekt. Das hat den bestehenden Theaterstrukturen gutgetan. Durch seine Kontakte zu Künstlerkreisen in der damaligen DDR konnte er viele Regisseure für die Arbeit in Temeswar gewinnen. Auch aus der Bundesrepublik kamen namhafte Regisseure.

Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Theaterschaffenden aus dem Inland, DDR und der Bundesrepublik, aber auch mit dem Goethe-Institut in Bukarest war die Basis, um über den Tellerrand zu blicken und Einblick in das Theaterleben auswärts zu bekommen.

Das ist Hans Linders Verdienst. Er gab in den Jahren seiner Intendanz vielen jungen Schauspielern am Deutsche Staatstheater die Plattform, sich zu verwirklichen. Die Inszenierungen bekamen neue Formen, neue Interpretationsmöglichkeiten. Dies war vor allem in der Universitätsstadt Temeswar möglich.

1982 war der Bayerische Rundfunk zu Gast in Temeswar. Die Sendung lief im selben Jahr im hiesigen Fernsehen, unter dem Titel „Sein oder Nichtsein“. Das eigentliche Thema war aber „Gehen oder Bleiben“. Die Zuschauer blieben aus, die Schauspieler zogen ’gen Westen und oft waren es die Besten. Das Problem hat sich inzwischen gelöst, und wie es sich gelöst hat, wissen wir heute. Damals zog auch Hans Linder die Konsequenzen.

Aber er war nicht nur Intendant des Deutschen Staatstheaters Temeswar, sondern auch Landsmann. Geboren am 23. Juni 1930 im siebenbürgischen Wurmloch, nahe Mediasch, zog er früh aus, um die Welt der Bühne zu erobern. Wer Wurmloch kennt, weiß um die Schönheit seiner Landschaft und die Bodenständigkeit seiner Leute. Dies hat ihn auch geprägt. In der neuen Heimat Fürth und Nürnberg versuchte Linder, zu den Wurzeln seiner Herkunft zurückzukommen. Er engagierte sich in der Kirche, war aktiv in der Heimatortsgemeinschaft Wurmloch. Seine letzte Arbeit sollte ein neuer Anfang sein. Er schrieb die Geschichte seines Heimatortes Wurmloch, konnte sie jedoch nicht vollenden. Sein Tod hat diese Arbeit jäh gestoppt.

Hier weitere Eckpunkte seines Wirkens. Auszeichnungen: 1978 „Friedrich Schiller“ Plakette, Universität Jena, 1979 „Ehrennadel in Silber“ der Bühnen der Stadt Gera. Veröffentlichungen: „Das deutsche Theater zwischen den Weltkriegen in Rumänien“ (Diplomarbeit, 1972), „Das deutsche Theater Anfang des 20. Jahrhunderts im Banat“ (in „Geschichte der Deutschen auf dem Gebiete Rumäniens“, 1985), „Das deutsche Theater in Siebenbürgen“ (in „Siebenbürgische Semesterblätter“, München, 1988), „Das rumäniendeutsche Theater in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Banat“ (in „Beiträge zur deutschen Kultur“, Freiburg, 1988), Lyrikband „Von Rosen zu Eisblumen“, Säulenverlag Fürth 1997, Gedichte und Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien, Mitherausgeber der Prosaanthologie „Grenzenlos“, 1997. Ausstellungen: „250 Jahre deutsches Theater im Banat“ in Nürnberg und Würzburg. Mitgliedschaften: „Lyrischer Oktober Bayreuth“, „Autorengruppe Franken“ (Mitbegründer).
Vor dieser Leistung verneige ich mich.

Mathias Pelger

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