19. Dezember 2004

Friedrich Siegbert Höchsmann: "Auf alten, lieben Wegen"

Am 7. Dezember 2004 jährt sich zum 130. Mal der Geburtstag von Friedrich Siegbert Höchsmann, einem unserer bedeutendsten aus dem Impressionismus hervorgegangenen Lyriker, der uns auch eine bemerkenswerte Prosa hinterlassen hat.
Die ersten Gedichte schrieb Höchsmann zu verschiedenen Gelegenheiten, zum Jahreswechsel, zum Geburtstag der Mutter, für die Schwester zu Weihnachten oder am Grabe der Nachbarin. Am Schäßburger Gymnasium wurde er von Michael Albert gefördert. Stipendien ermöglichten ihm das Studium der Philosophie und Theologie in Jena und Halle, doch die Schriften Friedrich Nietzsches und Ernst Häckels führten ihn in eine seelische Notlage. Scheinbar unüberbrückbare Gegensätze taten sich für ihn auf. In den Gedichten jener Zeit, oft in klassischer Manier, wird beispielsweise der trostlosen Fremde die vertraute Heimat gegenübergestellt, er sehnt sich nach Geborgenheit. Gleichzeitig beschäftigt er sich intensiver mit der deutschen Sprache und Volkstum.



Friedrich Siegbert Höchsmann (1874-1956)
Friedrich Siegbert Höchsmann (1874-1956)
Aus Geldmangel konnte Höchsmann sein Studium zunächst nicht abschließen. Sein tägliches Brot verdiente er als Hauslehrer in der Nähe von Budapest und dann als Journalist in Wien. Neben Gedichten entstanden zunehmend auch Skizzen, als treue Begleiter erwiesen sich seine Tagebücher.

Im Mai 1900 kehrte er in die geliebte Heimat zurück und arbeitete drei Jahre lang als Redakteur in Hermannstadt. Seine Beiträge für das Siebenbürgisch-Deutsche Tagblatt enthalten interessante Gedanken zum Literaturgeschehen in aller Welt sowie zum Hermannstädter Kulturleben. Er schrieb über Lesungen und Vorträge, Theateraufführungen und Konzerte sowie architektonische Ereignisse. Seine Gedichte lebten zunächst weiterhin vom Gegensatz, diesmal war es die Gegenüberstellung von Herzenswärme und Gefühlskälte. In Frieda, seiner zukünftigen Frau, fand er endlich ein warmes und treues Herz, das ihn verstand und zu literarischem Schaffen anspornte. Die Jahre des inneren Ringens und des quälenden Zwiespalts waren vorbei, seine Verse vermittelten nun eine positive Lebensanschauung und ganze Ketten von Glücksgefühlen. Er schaffte meisterhafte Stimmungsbilder. In seinen Schilderungen, in den Natur- und Liebesliedern verdichteten sich die Hochgefühle zuweilen bis zur Ekstase.

Um eine Familie gründen zu können, vollendete er sein Theologiestudium und wurde nun doch Pfarrer, obgleich Das Märchen vom bösen Lachen ihm ein eher unbefangenes Verhältnis zur Religion bescheinigte. Trotz seines ernsten Charakters konnte er ein gelegentliches Schmunzeln nicht unterdrücken, etwa in den Geschichten Der gekränkte Fuhrmann und Das gestohlene Fass. Gelungene Schnappschüsse von siebenbürgischen Originalen finden wir auch in seinen weiteren Erzählungen sowie in seinen Skizzen und Tagebuchnotizen.

Friedas früher Tod stürzte den Dichter in neue Verzweiflung. Zunächst zeichnete er lyrische Traumbilder, dann folgten richtige Klagelieder und schließlich der Versuch, die große Trauer zu überwinden. Erst nach zwei Jahren fasste er neuen Lebensmut und heiratete seine zweite Frau, Luise, die ihm treu zur Seite stand. Die neuen Liebeslieder für Luise haben nichts mehr von dem früheren jugendlichen Übermut, von der tiefen Glut, von den unberechenbaren Kettenreaktionen, sondern sind geprägt von tiefer Lebenserfahrung und Ausgeglichenheit. Symmetrie und strenge Form sind nun wieder da, künden aber diesmal vom maßvollen Schreiten durch das Jahr und das weitere Leben.

Fernab von den kulturellen Spannungsfeldern der Städte hatte Höchsmann zunehmend Schwierigkeiten mit der Veröffentlichung seiner Texte. Er dichtete weniger, aber doch mit einiger Regelmäßigkeit, ab und zu auch balladenhaft. Ab 1914 beklagte er die Auswirkungen des ersten Weltkrieges, der so viel Trennung und Sorge mit sich gebracht habe. Zwischen den zwei Weltkriegen sorgte er sich um das Wohl seiner Familie und seiner Volksgenossen. Der empfindsame Dichter ahnte etwas vom drohenden Untergang der Siebenbürger Sachsen. Um 1927 schreibt er einiges in Mundart, darunter den Vortrag Hiemet und das Gedicht Mer lossen es net! (Ase Foanden zem Beschied). Von der Kanzel sprach er über die Tugenden seiner Landsleute, versuchte, ihnen Mut zu machen und gleichzeitig zu warnen vor der nationalsozialistischen Übersteigerung. Wiederholt distanzierte er sich von den Mitläufern. Seine aufrechte humanistische Haltung bewahrt er sich durch all die Jahre hindurch: „Ehrwürdig ist mir Bismarck, ist mir Goethe,/ ehrwürdig ist mir Luther auch, der Bauernsohn;/ doch setzt mir Hitler nicht auf hohen Thron!/ Den wilden Grimm in seinem Angesicht/ verträgt die Königswürde nicht.“

Ab Herbst 1941 lebte Höchsmann im Ruhestand in Mühlbach. Er hatte nun wieder mehr Zeit für die Literatur. Seinem Credo Schauen - fühlen – dichten blieb er ein Leben lang treu. Die persönlichen Eindrücke steigert er zu allgemein-menschlichem Empfinden. In den Vordergrund tritt nun das Motiv vom Werden und Vergehen, das Bild von der schwindenden Blüte und der werdenden Frucht. Sei froh, wenn auch an dir es sich vollzieht,/ daß du nicht fruchtlos hast geblüht. Unter seinen Texten finden sich auch Übersetzungen aus dem Lateinischen, Mittelhochdeutschen, Ungarischen und Rumänischen. Lautmalende Wörter in den verschiedenen Sprachen faszinieren ihn. Er erlebte den Vormarsch der Russen, beobachtete aufmerksam die politischen Machtspiele, registrierte Schicksale von Menschen und Völkern. Im Herbst 1953 legte er schließlich die Feder endgültig aus der Hand und im Frühjahr 1956, mit 82 Jahren, erreichte er das Ende seines irdischen Weges.

Zu Lebzeiten konnte der Dichter und Pfarrer seine Schriften nicht in Buchform herausbringen. Erst einer der Söhne, Rolf Höchsmann, hat dieses Anliegen verwirklicht. Der Gedichtband Allein im herbstlich stillen Feld ist längst vergriffen. Vom Prosaband Worte am Wegesrand gibt es noch Restexemplare unter Telefon (0 72 22) 4 28 48.

Johann Krestel

Hier stand der schattige Holunderstrauch ...
Hier rauschen heut wie einst die hohen Pappeln… Hier zog sich lang die alte Mauer hin
Und dort am Turm ist noch die dunkle Ecke... «
So raunt Erinnerung von Ort zu Ort
Und ruft vergangne Abendstunden wach, vergangnes Glück, vergangnes junges Leid.
O längstentschwundne, wonnig - wehe Zeit! ... Noch einmal fühlen, wie ich einst gefühlt!
Voll Sehnsucht sein noch einmal - so wie einst!
So trauervoll, so stark beglückt wie einst! ...
Der Nachklang macht das Herz mir selig schauern.
Tief atmend geh ich durch die Herbstesnacht.

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