22. Dezember 2004

Die Ersten kamen aus Judäa

Vor kurzem erschien im Verlag des Rumänischen Kulturinstituts Klausenburg ein zweisprachiges Standardwerk: "Evreii din Transilvania. Destin istoric / The Jews of Transylvania. A Historical Destiny". Als Autor zeichnet der international renommierte Klausenburger Historiker und Leiter des „Dr. Moshe Carmilly“-Instituts, Dekan der Fakultät für Europäische Studien der Universität "Babes-Bolyai", Prof. Dr. Ladislau Gyémánt.
Prof. Gyémánt hat die Geschichte des siebenbürgischen Judentums intensiv erforscht –bisher 20 Buchveröffentlichungen und über 100 wissenschaftlichen Studien – und legt nun erstmals einen umfassenden Überblick zur Ansiedlung und Entwicklung dieser Bevölkerungsgruppe im Karpatenraum vor. Der Verfasser zeigt, dass die Existenz jüdischer Einwohner in Siebenbürgen bereits zur Zeit der römischen Herrschaft (2. Jahrhundert) durch zahlreiche archäologische Funde – Grabsteine, Inschriften, Münzen u.a. – eindeutig belegt ist. Die ersten Juden seien als Soldaten einer mehrheitlich aus Judäa und dem heutigen Palästina stammenden Legion ins Land gekommen. Danach hätten sich weitere Gruppen jüdischer Einwanderer „ex toto orbe romano“ – aus allen Teilen des römischen Reiches – in der Nähe der dakisch-römischen Siedlungen niedergelassen. So betrachtet, habe es bereits vor der Entstehung des rumänischen Volkes in jenen Gegenden eine bodenständige jüdische Bevölkerung gegeben.

Prof. Gyémánt ordnet die Ergebnisse, Fakten und Daten in sechs große thematische Kapitel: I. Die Juden Siebenbürgens bis zum 18. Jh., II. Beginn der modernen Zeit. Das Arader Judentum im 18. Jh., III. Die Epoche der Emanzipation (1790-1867), IV. Von der Emanzipation zum Zweiten Weltkrieg, V. Der Holocaust, VI. Die Nachkriegszeit. Die Kapitel werden durch 21 statistische Tafeln und 5 Grafiken ergänzt, weitere statistische Aufstellungen beziehen sich auf die Verbreitung der jiddischen Sprache in größeren Städten wie Klausenburg, Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz u.a.

Nach der Völkerwanderung (4.-6. Jh.) finden sich erst im 11. und 12. Jahrhundert, und zwar in rabbinischen Schriften aus Mainz und Speyer, Hinweise auf ein jüdisches Leben in Siebenbürgen. So sicherte König Béla IV. in einer Urkunde vom 13. Dezember 1251 den jüdischen Kaufleuten verschiedene Privilegien zu um, nach den Verwüstungen durch die Tataren (1241), Wirtschaft und Handel wieder zu beleben.

Bei einer Volkszählung im Jahr 1753 wurden in Siebenbürgen 114 jüdische Familien registriert; ihre Zahl verdoppelte sich bis zur nächsten Zählung, 1779, die auf Anweisung der Kaiserin Maria Theresia durchgeführt wurde. Damals lebten 221 jüdische Familien mit 461 Kindern in den siebenbürgischen Verwaltungsgebieten. Einer Statistik aus dem Jahr 1930 zufolge gab in allen größeren siebenbürgischen Verwaltungskreisen jüdische Einwohner, z.B. in Klausenburg (17 163), Neumarkt (9 959), Nassod (6 339), Eisenmarkt (4 662), Karlsburg (2 995), Kronstadt (2 438), Thorenburg (2 224), Hermannstadt (1 400).

Besondere Aufmerksamkeit widmet der Verfasser dem jüdischen Schulwesen Siebenbürgens – im Jahr 1900 gab es 56 traditionsgeprägte religiöse Lehranstalten in Großwardein, Klausenburg, Neumarkt, Diemrich, Thorenburg, Kronstadt und in anderen Städten –, sowie den herausragenden wirtschaftlichen und kulturellen Leistungen jüdischer Einwohner.

Das äußerst informative Standardwerk, verständlich geschrieben und angenehm zu lesen, wendet sich nicht nur an Forscher und Historiker, sondern auch an alle Freunde Siebenbürgens, die sich über ein wenig bekanntes Kapitel der Geschichte informieren wollen. Bestellungen und Anfragen können an folgende Anschrift gerichtet werden: Facultatea de Studii Europene, Cluj-Napoca, Str. Emil de Martonne 1.

Claus Stephani

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2004, Seite 11)

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