11. Januar 2005

Schwieriges Tauziehen um neue Regierung in Rumänien

"Ole, Kommunismus ade" ("ole, comunismul numai e") jubelte eine Menschenmenge auf dem Bukarester Universitätsplatz gleich nach Schließung der Wahllokale am 12. Dezember 2004. Eine Stunde später beteuerte ebenfalls hier der damals noch vermeintliche Wahlsieger Traian Basescu in orangem Outfit - Kiew lässt grüßen -, dass an und mit diesem Tag der Kommunismus in Rumänien endgültig gefallen sei.
Der Sieger der Stichwahl um das Präsidentschaftsamt in Rumänien stand zu jener Stunde allerdings noch nicht fest. Um die Mittagsstunde des 12. Dezember hatten Meinungsforscher in ihren Hochrechnungen einen satten Vorsprung von 12 Prozent für Basescus Gegenkandidaten Adrian Nastase errechnet. Abends, um 19 Uhr, kündigten die gleichen Meinungsforscher eine Patt-Situation an. Eine heiße Nacht für Rumänien in jenem durchaus lauen Dezember war angesagt, die Anhänger beider Kandidaten schwitzten denn auch buchstäblich.

Doch schon tags darauf kam die Erlösung, zumindest für das „orange Lager“, mit der Bekanntgabe der vorläufigen, aber schon eindeutigen Wahlergebnisse: Basescu wird der neue Staatspräsident Rumänien sein - übrigens der vierte „escu“ in diesem Amt nach Ceausescu, Iliescu und Constantinescu.

Es war dies ein überraschendes Ergebnis, nachdem die regierenden Sozialdemokraten (PSD) um Iliescu und den Präsidentschaftskandidaten Nastase beim ersten Wahldurchgang vom 28. November 2004 mit einem beachtlichen Vorsprung von 5 bzw. 7 Prozent das Rennen gemacht hatten. Im Parlament erzielten sie mit ihrem Bündnispartner, der Humanistischen Partei (PUR), und ihrem ehemaligen Verbündeten, dem Ungarnverband (UDMR), eigentlich fast schon eine Mehrheit. Zusammen mit der Minderheitenfraktion (18 Sitze) hätten sie überdies locker auch eine neue Regierungsmannschaft stellen können. Mit dieser Machtkonstellation erzielte die PSD denn auch rasch den Vorsitz in den beiden Kammern: Nicolae Vacaroiu (Senat) und Adrian Nastase (Abgeordnetenkammer) wurden in die Chefsessel gehievt.

Nach dem Wahlsieg Basescus verließen die wendigen „Humanisten“ jedoch im Hinblick auf die Regierungsbildung alsbald das sinkende PSD-Schiff, der Ungarnverband suchte desgleichen Rettung an Bord des einst sturmerfahrenen Hochseeschiffskapitäns Basescu, der partout seine liberal-demokratische Allianz mit den Regierungsgeschäften beauftragen wollte. Und mit den Stimmen der „kleinen“ Minderheiten konnte der designierte Premier Calin Popescu-Tariceanu letztendlich sein Kabinett noch vor der Jahreswende vom Parlament bestätigen lassen.

Auffallend: Die neue Mannschaft um den liberalen Tariceanu umfasst 24 Minister, elf davon sind unter 40 Jahre alt, von daher meist unbekannte und unerfahrene, aber offenbar engagierte Politiker. Für den Frontenwechsel wurden PUR und UDMR jeweils mit einem Vizepremier im Kabinett und Schlüsselressorts wie Wirtschaft, Handel oder Bauwesen belohnt. Ein dritter Vize kommt aus dem Lager der Demokratischen Partei (PD). Stellvertretende Ministerpräsidenten sind demnach George Copos (52 Jahre, PUR), Marko Bela (51, UDMR) und Adrian Videanu (42, PD).

Regierungsfähig wurde Rumänien aber damit noch lange nicht. Mal abgesehen von der Episode: Die ehemaligen PSD-Minister räumten ihre Regierungssessel im Victoria-Palast samt Innenausstattung und technischen Ausrüstungen. Selbst im Amtszimmer des neuen Premiers Tariceanu waren am ersten Tag die Telefonverbindungen gekappt. Der Balkan ließ grüßen.

Erinnerungen an die frühere bürgerlich-liberale Regierung der Demokratischen Konvention (CDR, 1996-2000) kamen danach beim Tauziehen um die Ernennung von Präfekten und künftigen Staats- wie Unterstaatssekretären auf. Der Ungarnverband wollte beispielsweise gleich vier Regierungsvertreter in den Landeskreisen haben, darunter einen in Covasna. Die Liberalen und Demokraten im Szeklerland liefen Sturm, die PSD- und PRM-Leute schlossen sich ihnen dort an.

Trotzdem zeigten sich der neue Präsident und der Regierungschef über die Feiertage noch gelöst. Die traditionelle Neujahrsrede hielt Basescu unter der böllernden Menge am Bukarester Universitätsplatz, und die erste Kabinettssitzung hatte Tariceanu vor der Silvesternacht in einem Hotel in Sinaia einberufen.

Zwar gab es den berühmt-berüchtigten Frost am Tag der Heiligen-Drei-Könige (gerul bobotezii) nicht, aber Politiker und Öffentlichkeit erstarrten dann doch an jenem 6. Januar, als Basescu in einem Interview mit der Tageszeitung „Adevarul“ wissen ließ, dass er vorgezogene Neuwahlen befürworte. Mit den „Humanisten“ im Schlepptau fühlt sich offenbar der einstige „Wellenbrecher“ Basescu nicht sicher auf dem nun angebrochenen Wellengang und stellte die Partei von Dan Voiculescu öffentlich an den Pranger als „amoralische Lösung“ fürs neue Kabinett. Zudem will der Staatspräsident die Vorsitzenden der beiden Kammern abwählen lassen, bekommt aber dafür erklärtermaßen die Stimmen von PUR nicht. Voiculescu drohte mit dem Austritt aus der Regierung, machte die Drohung aber nicht wahr. Lediglich auf die fünf zugedachten Präfekturen hat seine Partei verzichtet. Basescu bezog dazu keine Stellung.

Vor Redaktionsschluss war noch alles offen. Auch das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), das im Vorfeld dieses Machtkampfes einen Regierungsposten in Tariceanus Kabinett anstrebte, befindet sich noch in der Warteschleife. Eine Funktion stünde dem DFDR zu, hatte der Landesvorsitzende Klaus Johannis noch vor Weihnachten erklärt. Der bisherige DFDR-Unterstaatssekretär im Departement für interethnische Beziehungen, Ovidiu Gant, ist, wie bekannt, ins Parlament gezogen. Für Gant und sein oder ein ähnliches Amt in Tariceanus Kabinett wurde bald nach Weihnachten vom DFDR-Vorstand ein Ersatzmann auserkoren. Zeno Pinter, in Axel Azzolas Ferdinandsberg (Otelul Rosu) geboren und einst Student sowie Hochschulassistent von Thomas Nägler an der Hermannstädter Geschichte-Fakultät und derzeitiger Schriftleiter der „Forschungen zur Volks- und Landeskunde“, befindet sich diesbezüglich in den Startlöchern, heißt es in gut informierten Kreisen. Auf Platz 2 der DFDR-Kandidaten für das Parlament hatte Pinter nämlich den Sprung nach Bukarest nicht geschafft.

Martin Ohnweiler


Die Siebenbürgische Zeitung Online über die Wahlen in Rumänien:

Traian Basescu wird neuer Präsident Rumäniens

Weitere Artikel über die politischen Entwicklungen in Rumänien im deutsch-rumänischen Pressespiegel

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