25. Januar 2005

60 Jahre Deportation: Bewegende Gedenkfeier in Rosenheim

Am 16. Januar fand in Rosenheim eine Gedenkveranstaltung anlässlich der Deportation von Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion vor 60 Jahren statt. Den Gottesdienst in der Erlöserkirche - es waren fast 90 Personen gekommen - gestaltete Peer Mickeluhn, daselbst Pfarrer, zusammen mit dem aus Siebenbürgen stammenden Pfarrer i. R. Peter Schuster (Pöcking).
In seiner Predigt erinnerte Pfarrer Schuster an die schwere Zeit der Deportation und die schrecklichen Bedingungen, unter denen die Geknechteten Schwerstarbeit verrichten mussten. Die Kollekte wurde zu gleichen Teilen der gastgebenden Kirchengemeinde und dem Siebenbürgerheim in Rimsting zur Verfügung gestellt.

Der zweite Teil der Veranstaltung fand im Gemeindehaus der Erlöserkirche statt. Hier begrüßte der Vorsitzende der Kreisgruppe Rosenheim, Dietmar Zermen, die Gäste. Darunter waren neben vielen Landsleuten und manchen Einheimischen auch Anton Heindl, zweiter Bürgermeister von Rosenheim, Frau Dusek vom Oberbayerischen Volksblatt, der Regisseur und Filmemacher Günter Czernetzky sowie Vertreter der befreundeten Landmannschaften.

Gedenkveranstaltung in Rosenheim. Vor 60 Jahren nach Russland zwangsverschleppt, v. l. n. r.: Erika Schönauer, Dora Gagesch, Walter Korodi, Katharina Frank, Inge Weiss, Johannes Jormann. Foto: Andreas Frank.
Gedenkveranstaltung in Rosenheim. Vor 60 Jahren nach Russland zwangsverschleppt, v. l. n. r.: Erika Schönauer, Dora Gagesch, Walter Korodi, Katharina Frank, Inge Weiss, Johannes Jormann. Foto: Andreas Frank.

Volkmar Kraus führte durch das Programm und die anschließende Diskussion. Erwin Schuster verwies in einem Vortrag auf die historischen und geographischen Hintergründe und Zusammenhänge. Anhand von zahlreichen Landkarten stellte er, die moderne Technik nutzend, die verschiedenen Epochen und Machtkonstellationen vor, die Auswirkungen auf die Entwicklung unserer alten Heimat hatten. So waren die Zuschauer mit den notwendigen Informationen für den weiteren Verlauf gerüstet. Nach ein paar einführenden Worten zeigte Günter Czernetzky seinen 1993 entstandenen Film „Arbeits-Sklaven unter Hitler und Stalin“. In diesem dreißigminütigen Streifen wird anhand von Filmdokumenten und Zeitzeugenberichten das schwere Schicksal der Betroffenen gezeigt.

Anschließend nannte Erhard Kraus in einem Kurzbeitrag Zahlen und Fakten aus seinem Heimatort Zeiden, welche die Zeidner Nachbarschaft vor einigen Jahren anhand eines Fragebogens ermittelt hatte. Aus dieser Gemeinde waren 244 Männer und 236 Frauen verschleppt worden. Umgekommen in den Lagern oder an den unmittelbaren Folgen der Deportation sind danach 86 Männer (35 Prozent der ursprünglich ausgehobenen Männer) und 26 Frauen (11 Prozent der ausgehobenen Frauen). Viele von ihnen konnten bei der Entlassung nicht wieder in ihre angestammte Heimat zurückkehren. So wurden die Familien zerrissen. Andere, die es doch schafften, mussten unter Umständen dort weitere Repressalien und Not erleiden. In 86 Fällen liegen die Gräber im Donezbecken, 13 in der ehemaligen DDR und Berlin, eines in den alten Bundesländern, drei starben auf dem Transport mit unbekanntem Begräbnisort, sechs starben kurze Zeit nach der Heimkehr in Zeiden.

Ein 18-jähriger Zeidner, Gymnasiast in Kronstadt, schrieb seinerzeit in Russland mehrere ergreifende Gedichte, von denen Erhard Kraus „Das Kreuz in der Steppe“ und „11. Januar 1945“ vortrug. „Das Dorf im Burzenland“, ein weiteres Gedicht des in Russland so früh verstorbenen Dichters, wurde von Hans Mild, einem Zeidner Lehrer, vertont und jetzt von einer spontan ins Leben gerufenen „Zeidner Singgruppe“, vorgetragen.

In der folgenden Diskussion beantwortete Czernetzky Fragen zu seinem Film und seiner Arbeit. Zeitzeugen berichteten über ihre Erlebnisse in den Lagern und zurückgelassene Kinder – inzwischen selber im Rentenalter – sprachen über ihre Nöte und Ängste und die Erfahrungen, die sie in der Heimat gemacht hatten. Andere wiederum, die Jüngeren unter uns, wollten wissen, wie es damals wirklich war, denn sie hatten nie von den Eltern oder Großeltern erfahren, wie das Lagerleben ablief (Verpflegung, Arbeit etc.). Wir hörten ergreifende Berichte, erfuhren von schwersten Schicksalsschlägen, gewannen Einblick in Familiendramen und erfuhren vom unendlichen Leid vieler Betroffener.

Dietrich Jordan, Vorsitzender des Heimbeirates im Siebenbürgerheim in Rimsting, war mit einer kleinen Gruppe dort lebender Landsleute zu uns gekommen. Er berichtete, dass das Heim noch zwölf Überlebende beherberge. Es stellte sich heraus, dass acht Überlebende der Deportation anwesend waren, von denen sich nach Ende der Veranstaltung sechs zu einem Gruppenfoto (ohne Heimbewohner aus Rimsting) einfanden.
Es war eine gelungene Veranstaltung zu einem einschneidenden Ereignis im Leben unserer Volksgruppe. Wir alle wollen hoffen, dass ähnliche Erfahrungen und Schicksalsschläge uns und unseren Kindern in Zukunft erspart bleiben mögen.

Volkmar Kraus

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