30. Januar 2005

In Nürnberg der Deportation gedacht

Bei der Gedenkveranstaltung der Nachbarschaft Erlangen der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen erläuterten mehrere Siebenbürger Sachsen die Umstände, die vor 60 Jahren zur Deportation der Deutschen aus Rumänien in die Sowjetunion geführt hatten.
Hitler hatte den Weltrieg vom Zaun gebrochen und verloren, die weltweite Übermacht führte an allen Fronten siegreich die Wende herbei und eroberte die Heimat zurück. Hitlers Verbündete sprangen der Reihe nach ab und wurden zu Gegnern. Auf dem Rückzug zerstörten Sprengkommandos sämtliche Anlagen in Feindesland, die militärische "Dampfwalze" hinterließ sozusagen verwüstete Landschaften. Der Wiederaufbau geschah vorwiegend durch Kriegsgefangene und unendlich viele Zivilpersonen in zwangsarbeitsähnlichen Formen (nach Hannelore Baier waren etwa 70 000 Rumäniendeutsche betroffen).

Den Erlebnisbericht der inzwischen verstorbenen Frida Franz-Wagner "Zwölf Jahre in Sibirien" hatte Referent Peter Hedwig zum 40-jährigen Gedenktag (1985) verfasst und im Heimatbrief "Wir Heldsdörfer" Nr. 52/1985 veröffentlicht. Die "Südostdeutschen Vierteljahresblätter" druckten den Beitrag im Heft Nr. 34/1985 ab, und 1986 erschien er im Buch "Wir Siebenbürger" von Hans Bergel und Walter Myß. Zum 50-jährigen Gedenktag wurde der Erlebnisbericht im "Siebenbürgisch-sächsischen Hauskalender 1995" veröffentlicht. Auch daran lässt sich die Qualität des tagebuchähnlichen Berichtes ermessen. Trotz einiger Bedenken, die in Zusammenhang mit dem "Eisernen Vorhang" und dem damaligen Ostblock herrschten, ermutigte diese Veröffentlichung zahlreiche Erlebnisträgerinnen zur Nachahmung. Ab 1990 erschien dann eine wahre Flut von Erlebnisliteratur über die Deportation vom 13. Januar 1945.

Mit den Worten "Meine Jugendzeit ist bis 1944 viel zu früh verstrichen, allzugerne hätte ich sie etliche Jahre angehalten", beginnt der Bericht. Es folgen Schilderungen über verschiedene Tätigkeiten im Kohlebergwerk, dann Verurteilung zu 25 Jahren Verbannung nach Sibirien. Nach äußerst schmachvollen Torturen (in GPU Gefängnissen) folgte Arbeit in einer Holzfällerbrigade, begleitet von Arbeitsunfällen, Krankheiten und ständigem Hunger. Anlässlich Stalins Tod am 5. März 1953, nach acht Jahren Verbannung wurde unsere zum Wrack geschundene Deportierte, durch die Generalamnestie vorzeitig entlassen. An eine Heimfahrt war aber nicht zu denken, da ihr nunmehr Zwangsaufenthalt in der Kreisstadt Minusinsk am Jenisei auferlegt wurde. 1957 musste die von Rumänien inzwischen ausgebürgerte Frida ihre Einbürgerung beantragen, bevor sie ins Heimatland durfte. Als der Opfer des Zweiten Weltkrieges am Sonntag, dem 26. Mai 1957, gedacht wurde, legte sie als letzte Heimkehrerin einen Blumenkranz am Altar in der Heldsdorfer Andreaskirche nieder, während im Gottesdienst die Worte: "kümmert uns ein fremdes Leiden, o so gib Geduld zu beiden" aus dem Choral "Jesu geh‘ voran" gesungen wurden. Frida Franz-Wagner konnte es geraume Zeit nicht glauben, dass sie nun Zuhause war. So endet das etwa 200 Seiten umfassende Tagebuch, aus dessen Inhalt eine Zusammenfassung vorgetragen wurde.

Aus Heldsdorf wurden 307 Personen in die Sowjetunion verschleppt, die Gemeinde hatte durch den Zweiten Weltkrieg (1939 - 1945) 220 Todesopfer zu beklagen, die in fremder Erde ruhen, ohne dass ein Stein des Gedenkens an sie erinnert. In der Friedhofskapelle an pietätsvoller Stelle wurden 1962 unter (damals noch) erheblicher Gefahr die Namen aller Opfer in Tafeln eingraviert.

Peter Hedwig


Vom Bedürfnis, sich alles von der Seele zu sprechen

Bei der ersten Zusammenkunft im neuen Jahr widmete sich die Frauengruppe 2 am 13. Januar dem Thema 60 Jahre seit der Flucht, Deportation und Entrechtung der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben.

Bezugnehmend auf eine entsprechende Dokumentation, durchgeführt vom Leiter des Garnisonmuseums in Nürnberg, Michael Kaiser, gedachten wir der Deutschen, die ab dem 13. Januar 1945 aus Siebenbürgen und dem Banat zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden. Mit Glockengeläute und bei blauem Kerzenschein gedachten wir unserer Toten in Krieg, Gefangenschaft, durch Flucht und Vertreibung. Nach den treffenden Worten von Pfarrer Hermann Kaussler von der evangelischen Kirche in Eibach, wo wir 1978 die erste Frauengruppe der Kreisgruppe Nürnberg-Fürth-Erlangen gegründet hatten, sangen wir gemeinsam "Großer Gott wir loben dich". Annemarie Puscher brachte Erläuterungen zum Thema 60 Jahre Deportation und begrüßte die Ehrengäste, unter ihnen Stadträtin Helmine Buchsbaum. Es folgten die Ansprachen des Leiters des Garnisonmuseums, Michael Kaiser, und der Kreisvorsitzenden unserer Landsmannschaft, Inge Alzner. Danach wurden Gedichte vorgetragen (u.a. "Die erste Weihnacht in Russland"). Mit Sigrid Maschalko sangen die Teilnehmer Lieder unter Glockenbegleitung aus Hermannstadt, darunter das Lied "Tief in Russland in Stalino". Nach der Filmvorführung von Günter Czernetzky folgten Zeugenaussagen von der Flucht aus Zuckmantel mit Hilda Böhm, gefolgt von Vera Ekle, Zeitzeugin aus Breslau, Texte zur Deportation von Erika Dabi, Ilse Drothler und Sara Hellwig. Eine kleine Ausstellung mit Originalbriefen und aus Russland zurückgebrachten Bildern leitete den Vortrag "Schicksal einer ganzen Familie" von und mit Annemarie Puscher ein. Wir danken Doris Hutter, Günter Czernetzky, Horst Göbbel, Hans Klein und allen andern, die zum Gelingen unserer Feier beigetragen haben.

Gerade bei dieser Veranstaltung wurde uns bewusst, wie viele Menschen, die diese schwere Zeit erlebten, das Bedürfnis haben, sich alles von der Seele zu sprechen, denn viele dieser Erlebnisse sind noch nicht verarbeitet worden. Wir bieten im März eine weitere Veranstaltung zum Thema Deportation an. Herr Kaiser wird auch dabei sein. Kopien von Zeitzeugenberichten und weitere Unterlagen werden zur Dokumentation ins Garnisonmuseum weitergeleitet.

Annemarie Puscher

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