31. Januar 2005

Der Louvre wäre stolz darauf

Feste sind Satzzeichen des Lebens, sagte der Heltauer Stadtpfarrer Stefan Cosoroaba in seinem Grußwort zum Gottesdienst am letzten Sonntag nach Epiphanias, dem 16. Januar 2005. Ein Ausrufezeichen hatte man hinter die 850. Jahrfeier seit der Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen mit der Deutung gesetzt: "Wir sind hier! " Ein Fragzeichen stand ebenfalls zu Beginn des vorigen Jahrzehnts hinter dem Birthälmer Treffen ("Hat es noch Sinn? "), und am Sonntag der Verklärung Christi wurden 2005 in Heltau gleich vier Punkte bemüht, um ebenso viele Projekte der sächsischen Ortsgemeinschaft als abgeschlossen vorzustellen. Will sagen: "Wir haben es geschafft. "
Musikalisch umrahmt wurde das Fest in Heltau vom Kirchenchor auf der Empore neben der neuen Orgel (20. Jahrhundert) sowie von einer jungen Instrumentalgruppe in Begleitung der Barockorgel aus dem 18. Jahrhundert. Diese historische Orgel wurde als erster Punkt in diesem Gottesdienst gefeiert. Das königliche Tasteninstrument sei aus Zied wieder nach Hause gekommen, hieß es in der Festpredigt von Pfarrer i.R. Hermann Pitters und im Vortag von Orgelbauer Hermann Binder. Pitters war einer der letzten Pfarrer in Zied und von 1955 bis 1960 Pfarramtverweser in Werd. Zied, die einst freie sächsische Stuhlsgemeinde im Harbachtal, besteht als solche nicht mehr, bedauerte Pitters. Dehalb hatte der Heltauer Organist Remus Henning angeregt, die Zieder Orgel des Johannes Hahn nach Heltau zu überführen, wo einst ein ähnliches Instrument des gleichen Orgelbauers seit 1795 gestanden hatte und 1940 einem Brand zum Opfer gefallen war.

Mit Stimmhorn und Geduld bringt der Hermannstädter Orgelbauer Hermann Binder die Zieder Orgel wieder zum Klingen. Als die Aufnahme entstand (7. Januar), waren es nur noch wenige Tage bis zur Einweihung des Instruments an seinem neuen Standort. Foto: Konrad Klein
Mit Stimmhorn und Geduld bringt der Hermannstädter Orgelbauer Hermann Binder die Zieder Orgel wieder zum Klingen. Als die Aufnahme entstand (7. Januar), waren es nur noch wenige Tage bis zur Einweihung des Instruments an seinem neuen Standort. Foto: Konrad Klein
In mühevoller Kleinstarbeit hat dafür der bewährte Fachmann Hermann Binder in seiner Hermannstädter Orgelwerkstatt die verwahrloste Orgel auf ihren originalen Stimmton gebracht, die „ursprüngliche Substanz vollständig gerettet“, dabei Pfeifen verlängert, Register ergänzt, zudem ein Pedal angehängt und zwei Register zusätzlich eingebaut. Ermöglicht wurden diese Arbeiten durch Spenden der Düsseldorfer Niermann-Stiftung, des Allgemeinen Deutschen Kulturverbands, Wien, und der Heltauer selbst, die zwei Jahre lang dafür Geld gesammelt hatten. „Nun danket alle Gott“, stimmte die Gemeinde nach der Einweihung durch Bischofsvikar Hans Klein an.

Der Rettung eines weiteren Kulturgutes war der zweite Punkt des Heltauer Festes gewidmet: des Werder Altars. Nach 1990 war auch die Geschichte von Werd, der einst sächsischen Gemeinde, mit ihrer evangelischen Kirche zu Ende gegangen. Für die Rettung des Altars setzte sich im Auftrag des Landeskonsistoriums der Bezirkskirchenkurator von Hermannstadt, Friedrich Philippi, ein. Der Werder Altar gehört neben dem wohl wertvollsten in Arkeden (1752) zu den Werken des Schäßburger Zunftmeisters, G.J. Philippi. Dessen Nachfahren, aber auch die HOG Werd (Leitung Wilhelm Schenker) förderten nun die Restaurierung des Altars, die von Gabriel Constantinescu durchgeführt wurde. Der Bezirkskirchenkurator sprach sich dafür aus, auch die große Glocke von Werd - "eine der ältesten unserer Landeskirche (1438)" - an einen sicheren Ort zu überführen. Die Werder Orgel befindet sich bereits in der Sankt Michaelskirche in Klausenburg.

Junge Instrumentalgruppe in Begleitung der Zieder Barockorgel aus dem 18. Jahrhundert. Foto: Martin Ohnweiler
Junge Instrumentalgruppe in Begleitung der Zieder Barockorgel aus dem 18. Jahrhundert. Foto: Martin Ohnweiler

Das wohl wertvollste und ebenfalls restaurierte Stück beeindruckte die Gäste als Punkt 3 des Festtages im Heltauer Speckturm, wo das Heimatmuseum die Gäste: das Heltauer Missale, auf welches sogar „der Louvre in Paris oder das British-Museum in London stolz wären“, beteuerte Stadtpfarrer Cosoroaba. Zuvor hatte Vikar Denis Arion im "Heltauer Kultursalon", der im Torturm der Kirchenburg eingerichtet ist, über die sächsische Volkswerdung im 14. Jahrhundert referiert.

Das Heltauer Missale aus dem 14. Jahrhundert wurde von seinerzeit Adolf Schullerus entdeckt und dann von Karl Reinerth datiert. Jüngst wurde dies gottesdienstliche Buch in Karlsburg restauriert, angeregt durch den früheren BRD-Generalkonsul in Hermannstadt, Harald Gehrig, der im ehemaligen Bürgermeister von Frankfurt, Dr. Hansjürgen Moog, den Sponsor für diese kostbare Arbeit fand.

Wertvoll sind aber auch die übrigen Exponate der Ausstellung „Zehn Jahrhunderte Kirche in Heltau“, beginnend mit dem 12. Jahrhundert und dem wohl ältesten Artefakt überhaupt aus jener Zeit - einem Abbild eines Grabsteins - bis hin zu Gegenständen, die stellvertretend für jedes weitere Jahrhundert stehen, darunter der Kelch aus Petersdorf (bei Bistritz), eine Bibel aus der Reformationszeit, eine Taufschale. Den Schlüssel zur neuen Ausstellung überreichte Stadtpfarrer Stefan Cosoroabe symbolisch an das jüngste Mitglied des Heltauer Presbyteriums, Carmen Sandro, die das Band durchschnitt mit der erklärten Verpflichtung, all das in Zukunft sorgsam zu behüten und fortzuführen, was die Vorfahren hier, in Heltau, hinterlassen haben.

Letzter Szenenwechsel an diesem Sonntag: Im Michelsberger Haus Nr. 10 setzte der Heltauer Sebastian-Hann-Verein ein weiteres Zeichen gegen das "Wegwerfen und Vergessen" (Cosoroaba). Der vor fünf Jahren gegründete Verein will in den nun restaurierten und neu eingerichteten Wohn- sowie Arbeitsräumen am Michelsberger Hauptplatz die Tradition des Handwerks über Seminare, Tagungen und Treffen fortsetzen. Damit habe man gleichzeitig nicht nur einen Punkt, sondern hinter diesen Festakt auch einen Doppelpunkt als umgedeutetes Satzzeichen für einen Neubeginn gesetzt, so Stefan Cosoroaba.

Martin Ohnweiler

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2005, Seite 2)

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