14. Februar 2005

Bewegende Zeitzeugenberichte in Crailsheim

Eine Gedenkveranstaltung anlässlich der vor 60 Jahren erfolgten Russlanddeportation haben am 27. Januar die Crailsheimer Kreisgruppen der Landsmannschaften der Banater Schwaben und der Siebenbürger Sachsen in der Aula der Astrid-Lindgren-Schule in Crailsheim veranstaltet. Positiv überrascht waren die Veranstalter von dem Anklang, den diese Feier fand: Die 135 Stühle in der Aula waren komplett besetzt.
Begrüßt wurden die Anwesenden durch Pfrarrer i.R. Bernddieter Schobel. Er ordnete die Deportation ein in die Reihe der menschenvernichtenden Ereignisse des 20. Jahrhunderts. Von daher ergebe sich die Aufgabe der Erinnerung an das Leid der Deportierten und der zurückgebliebenen Kinder, aber auch die Aufgabe der Information. So sei beispielsweise den wenigsten Betroffenen und erst recht nicht der deutschen Bevölkerung bewusst, dass ein Teil der Reparationsschulden Deutschlands durch die Arbeitsleistung der Deportierten abgegolten wurde. Zum Schluss forderte er die Anwesenden zu einer Schweigeminute für alle Toten der Deportation auf.

Der Trachtenchor der Siebenbürger Sachsen unter der Leitung von Mathias Pelger brachte mit den Liedern „Frieden“ und „Morgenrot“ unsere Sehnsucht nach einer friedlichen Welt zum Ausdruck. Melitta Furak trug zum Einstieg in das Thema das Gedicht „Russland-Elegie“ von Rose Schmidt vor. Georg Braun, Geschichtslehrer an der Schlossschule in Kirchberg und mit einer Sächsin verheirateter Banater Schwabe, präsentierte die in Rumänien ansässigen deutschen Volksgruppen anhand geografischer und historischer Daten. Zu den Berichten der Zeitzeugen schickte Georg Braun voraus, dass man nicht nur nüchterne Zahlen, sondern auch die Gefühle der Betroffenen sprechen lassen wolle: „Emotionen sind Teil des Lebens, sie müssen gelebt, erlebt und weitergegeben werden.“

Tief bewegt waren die Zuhörer von den fünf Zeitzeugen, die über ihre Deportationserlebnisse berichteten. Eva Kühn aus Bakowa hatte als Einzige ihre Erlebnisse schriftlich aufgezeichnet und verlas nun die Beschreibung ihres Leidensweges zum und im Lager Nr. 1037 Romanka (Donbas), wo sie bei einem Arbeitsunfall beinahe ums Leben gekommen wäre. Verschlungener waren die Wege des ebenfalls aus dem Banat stammenden Ehepaares Probst. Johann Probst war aus dem Lager Nowotroisk (Donbas) geflohen, am Prut aufgegriffen und in das Straflager 1006 Saporosche gebracht worden. Stellvertretend für das Schicksal vieler aus der Hermannstädter Gegend stammender Deportierten berichtete Katharina Schaitz aus Neppendorf über das schwere Leben im Lager 1416 Dnjepropetrowsk. Mathilde Breitner aus Pretai schließlich erzählte vom Zinklager 1048 Konstantinowka, wo u.a. auch Pfarrer Hans Scheerer gewesen war. Besonders bedrückend waren die Abschnitte, die Georg Braun aus den schriftlichen Erinnerungen seines Landsmannes Georg Kaiser vorlas: Georg Kaiser hatte geradezu sadistische Grausamkeiten durch einen deutschstämmigen Lagerchef erlebt. Renate Jäger konnte mit dem Gedicht „Tief in Russland bei Stalino“ die Vorträge in literarischer Weise abrunden.

In seiner Abschlussrede bedankte sich Erich Furak, Kreisvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben, bei den Zeitzeugen für ihren Mut, das Wort zu ergreifen und über Dinge zu reden, die manche nur mit tränenerstickter Stimme berichten konnten. Erich Furak dankte dem Hausherrn Rektor Heinz Meissner, dass er uns die Aula seiner Schule freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte.

Bernddieter Schobel

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