25. Februar 2005

Kindergeld auch für abgelehnte Aussiedler

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem Beschluss vom 6. Juli 2004, Az. 1 BvL 4/97 u.a., eine für Betroffene sehr erfreuliche Entscheidung getroffen und festgestellt, dass § 1 Abs. 3 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in der Fassung der Neuregelung ("erstes Gesetz zur Umsetzung des Spar-Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21.12.1993") mit dem Grundgesetz unvereinbar ist.
Obwohl die Entscheidung für Ausländer ergangen ist, sind auch Leser dieser Zeitung betroffen. Es handelt sich um Personen, die im Bundesgebiet definitiv als Spätaussiedler abgelehnt wurden. Insbesondere diejenigen Antragsteller, die wegen des legalen Zuzugs aufgrund "alter" Aufnahmebescheide (die in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 1998 ergangen sind) später wegen fehlender Benachteiligung im Sinn von Paragraph 4 Abs. 2 BVFG abgelehnt wurden (siehe die vielfältigen Veröffentlichungen in unserer Zeitung), haben ebenfalls nur den Status als Ausländer. Die Härtefallerlasse sahen natürlich ein weiteres Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet vor. In den meisten Ländern erhielten jedoch die Betroffenen lediglich eine Aufenthaltsbefugnis und nicht eine Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung. Bis zum 31. Dezember 1993 reichte auch die Aufenthaltsbefugnis für den Bezug von Kindergeld aus. Nach der neuen Rechtslage (die das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig einstufte), reichte die Aufenthaltsbefugnis nicht mehr aus. Eine Aufenthaltserlaubnis erhielten die Betroffenen jedoch in der Regel erst nach einem achtjährigen Inlandsaufenthalt. Die Ungerechtigkeit lag auf der Hand: Der dauernde Aufenthalt war gesichert; trotz Berufstätigkeit und Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen erhielt der betroffene Personenkreis jedoch kein Kindergeld, obwohl er selbstverständlich auch Steuern abführen musste ...

Nach einer weiteren neuen Rechtslage (aufgrund der Neuregelung durch das Jahressteuergesetz 1996) wurden die Kindergeldvorschriften in das Einkommenssteuergesetz übernommen. Zuständig wurden nunmehr die Finanzgerichte. Unterfertigender hat in mehreren Prozessen die Auffassung vertreten, dass die entsprechende Rechtslage verfassungswidrig sei. Die Finanzgerichte setzten die Verfahren aus bis zur Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht, die nunmehr vorliegt. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht aufgrund entsprechender Vorlagebeschlüsse des LSG Nordrhein-Westfalen sich zunächst lediglich zu den Jahren 1994 und 1995 äußert, gelten die dortigen Grundsätze auch für die Rechtslage danach.

Im Ergebnis gibt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine "Hausaufgabe" auf. Es hält nämlich fest, dass in Ausgangsverfahren (also Verfahren, in denen die Betroffenen Rechtsbehelf und Rechtsmittel eingelegt haben), diese ausgesetzt bleiben "bis der Gesetzgeber die verfassungswidrige Norm durch eine Neuregelung ersetzt hat ... Wenn der Gesetzgeber für noch nicht rechts- oder bestandskräftig abgeschlossene Verfahren bis zum 1. Januar 2006 keine Regelung trifft, ist auf sie das bis zum 31. Dezember 1993 geltende Recht anzuwenden" (so Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 6. Juli 2004, 1 BvL 4/97, abgedruckt z.B. in NVwZ 2005, Heft 2, 2001 ff.).

Fazit

Dem Gesetzgeber wird nach alldem nichts anderes übrig bleiben, als in einer Neuregelung rückwirkend festzuhalten, dass auch Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – kindergeldberechtigt sind. Sollte bis zum 1. Januar 2006 keine Neuregelung erlassen worden sein, resultiert aus dem Hinweis, dass „altes“ (bis zum 31. Dezember 1993 geltendes) Recht anzuwenden ist, wonach auch Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen einen Kindergeldanspruch haben.

Allen Betroffenen wird empfohlen bei den zuständigen Behörden, auch rückwirkend – sollte dieses bislang abgelehnt worden sein – Kindergeldanträge zu stellen. Sollten Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelverfahren anhängig bzw. rechtshängig sein (in den Fällen, wo sich die Betroffenen gegen die Ablehnungen gewehrt haben) wird empfohlen die Behörden bzw. Gerichte auf den hier zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes hinzuweisen.

Dr. Johann Schmidt
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 3 vom 25. Februar 2005, Seite 4)

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