30. Juni 2000

Heimattag der Besinnung

Der Heimattag 2000 der Siebenbürger Sachsen vereinte in einem dreitägigen Veranstaltungsmaraton rund 15 000 Teilnehmer und Gäste. Die politischen Akzente des Pfingsttreffens setzten in ihren Ansprachen MdB Jochen Welt, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung, Reinhold Bocklet, bayerischer Staatsminister für Bundes- und Europafragen, der hessische Aussiedlerbeauftragte Rudolf Friedrich sowie der landsmannschaftliche Bundesvorsitzende Volker E. Dürr.
Einen besinnlichen, einen Heimattag der Besinnung nannte Bundesvorsitzender Volker E. Dürr in seinem Schlusswort nach der Podiumsdikussion am Pfinngstmontag das diesjährige Treffen der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl. In der Tat: Die drei Tage in der Partnerstadt der Landsmannschaft haben für die etwa 15 000 Teilnehmer, so die Schätzung der örtlichen Polizei, wie stets festlich heitere Begegnungen und fröhlich entspannende Unterhaltung gebracht, doch sie sind streckenweise auch stiller und nachdenklicher als sonst verlaufen, eben in ernster Besinnung. Das hat seinen Grund: Entwicklungen der letzten Zeit wie der Rückgang der öffentlichen Förderung, die Diskussion um den Fortbestand von Kultureinrichtungen oder der Rechtsstreit um die Rentenkürzungen, der längst nicht ausgefochten ist, fordern die Standortsuche in einer Welt des gesellschaftlichen und politischen Wandels heraus und hatten Dürr bereits in seiner Festrede am Pfingstsonntag vor der Dinkelsbühler Schranne veranlasst, eindeutig und unmissverständlich aufzulisten, was die Gemeinschaft der Siebenbürger heute von der Politik erwartet, damit ihr, wie es im Motto des Heimattages vorformuliert worden war, aus der Verankerung in Herkunft und Tradition heraus auch eine Zukunft gesichert sei.

Schon in der Eröffnungsveranstaltung des Heimattages am Pfingstsamstag in der Schranne war wiederholt auf den Leitgedanken des Treffens Bezug genommen worden. Der Dinkelsbühler Oberbürgermeister Otto Sparrer, der die siebenbürgischen Gäste in seiner Stadt willkommen hieß, zeigte sich in diesem Zusammenhang zuversichtlich: „Aus dem Bewusstsein um Ihre Geschichte, Ihre Herkunft, Ihre Wurzeln entsteht die Zuversicht, dass wir gemeinsam eine Gesellschaft der Toleranz und des Miteinander bauen können.“ Zwar werde „das Künftige noch viele Veränderungen und Umbauten mit sich bringen“, doch es werde dabei darauf ankommen, „historisch Gewachsenes“ nicht einfach über Bord zu werfen, sondern es in den Wandel einzubinden: „Ihre Mitwirkung bleibt unverzichtbare Voraussetzung auf dem weiteren Weg“ sagte Sparrer unter anderem.
Weitere Grußworte sprachen aus der Eröffnungsveranstaltung der rumänische Botschafter in Berlin, Tudor Dunca, der stellvertretende Vorsitzende des Siebenbürgen-Forums Daniel Thellmann aus Mediasch, dazu John Penteker seitens der Landsmannschaft in Kanada, Friedrich Teutsch seitens der Landsmannschaft in Österreich sowie Pfarrer Hans Schneider seitens des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und Evangelischen Banaters Schwaben im Diakonischen Werk der EKD.
Hauptredner an diesem Vormittag in der Schranne war der hessische Landtagsabgeordnete Rudolf Friedrich, Aussiedlerbeauftragter seiner Landesregierung. Bekanntlich gehörte die landsmannschaftliche Landesgruppe Hessen neben der aus Rheinland-Pfalz und dem Saaarland zu den Mitausrichtern des diesjährigen Pfingsttreffens, daher die Einladung an Friedrich zur Eröffnung des Heimattages zu sprechen. Der CDU-Politiker setzte sich kritisch vor allem mit dem neuen Kulturförderungskonzept von Staatsminister Michael Nauman auseinander. Offensichtlich solle dadurch der gesetzliche Auftrag des Paragraphen 96 BVFG ausgehöhlt werden. Zwar solle und dürfe man vor derzeitigen Sparzwängen „nicht die Augen verschließen“, doch sei der Hintergrund des Konzepts offenbar auch ein „ideologischer“, der auf Vorurteile „der Linken“ zurückgehe. Demgegenüber müsse gesagt werden, dass „ein Jahrtausend deutscher Kultur im Osten Europas“ genau so wie die binnendeutsche Kultur „Teil unserer Geschichte“ sei und „untrennbar zur kulturellen Identität a l l e r Deutschen“ gehöre.
Zudem dürfe die gegenwärtige Mittlerfunktion der deutschen Kulturträger aus und in dem Osten Europas nicht übersehen oder unterschätzt werden, unterstrich Friedrich und zitierte den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch mit folgender Einschätzung: „In unseren östlichen Nachbarstaaten haben sich nach dem Wegfall des Eisernen Vorhangs für die Menschen und die Begegnung mit dem Westen neue Chancen eröffnet. Wir verdanken die positive Entwicklung nicht zuletzt dem stetigen Beitrag der Heimatvertriebenen und Aussiedler, die im zusammenwachsenden Europa ein ganz neues Verhältnis zu ihrer angestammten Heimat gewinnen. Vertriebene, Aussiedler, deutsche Minderheiten in den Heimatgebieten sind eine Brücke zwischen Deutschen und ihren östlichen Nachbarn.“
Deshalb, versicherte Friedrich, werde sich die hessische Landesregierung dafür einsetzen, dass „eine neue Konzeption der Kulturförderung einem verantwortungsvollen Umgang sowohl mit den historisch begründeten Kulturlandschaften als auch mit der gewachsenen Vielfalt der Kulturförderung nach § 96“ auch in Zukunft gerecht werde.
Ein Mann, der sich im letzten Jahrzehnt in besonderer Weise um den Brückenschlag und die finanzielle Förderung im Herkunftsgebiet auch der Siebenbürger Sachsen verdient gemacht hat, wurde auf der Eröffnungsveranstaaltung von Dürr mit der Carl-Wolff-Medaille der Landsmannschaft ausgezeichnet: Ministerialrat Frank Reuter war zwischen 1992 und 1999 im Bundesinnenministerium zuständig für die deutsche Minderheit auch in Rumänien, hat Siebenbürgen wiederholt besucht und dort wichtige Hilfsprojekte in Bewegung gebracht. In seiner Dankesrede für die Verleihung der Medaille würdigte er die vorzügliche Zusammenarbeit, die sich in den Jahren seiner Einsätze in Siebenbürgen mit der Landsmannschaft und deren Sozialwerk eingespielt und die Aktionen vor Ort wesentlich befördert habe.
Von Dürr ausgezeichnet wurde mit einer Ehrenurkunde auch Rudolf Kartmann, der Vorsitzende der Landesgruppe Rheinland-Pfalz/Saarland, aus Anlass seines 80. Geburtstages und in Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste in fünfzigjähriger Arbeit für die Landsmannschaft.
Die Eröffnungsfeier wurde umrahmt von Auftritten der siebenbürgischen Tanzgruppe aus Nieder-Olm, der „Dinkelsbühler Marketentin“ und des Solotrompeters der Dinkelsbühler Knabenkapelle sowie von vortrefflichen musikalischen Darbietungen des Sängers Dieter Rell und des Cembalisten und Organisten Horst Gehann, die, so wie die Siebenbürgische Kantorei auch, noch bei weiteren Gelegenheiten während des Heimattages zu hören waren und den jeweiligen Ereignissen Glanz verliehen. Überhaupt hatten die Kulturveranstaltungen des diesjährigen Heimattages ein ausgesprochen hohes Niveau, wie Bundesvorsitzender Dürr in seinem Schlusswort einschätzte. Das reichte von den Ausstellungen „Karl Brandsch – ein siebenbürgischer Maler“ und „Historische Wertpapiere aus Siebenbürgen“ über die äußerst gelungene und vom Publikum sehr goutierte Aufführung des Lustspiels „Faust auf dem Dorf“ von Arnold Weingärtner durch die Theatergruppe des Honterus-Chors Drabenderhöhe, das Offene und Gemeinsame Tanzen der Jugend, die Autorenlesung Georg Schergs, die Feierstunde „50 Jahre Siebenbürgische Zeitung“, die Preisverleihungen bis hin zur Festveranstaltung „Zukunft in Herkunft verankern“, wo, von der Siebenbürgischen Kantorei und Horst Gehann musikalisch begleitet, der bekannte Mediävist Harald Zimmermann einen sehr beachtenswerten Festvortrag hielt. Diese und alle übrigen Einzelveranstaltungen des Treffens hier zu behandeln oder auch nur zu nennen, ist aus Platzgründen nicht möglich, doch auf einige von ihnen wird die Siebenbürgische Zeitung, wie sie das schon oft nach ereignisreichen Heimattagen getan hat, sicher noch zurückkommen.
Höhepunkt des Treffens war, nach dem Pfingstgottesdienst in der St.-Pauls-Kirche mit Pfarrer Hans Schneider und wieder der Siebenbürgischen Kantorei, der farbenprächtige Trachtenumzug durch die Straßen der Dinkelsbühler Altstadt mit der anschließenden Hauptkundgebung des Heimattages vor der Schranne. Am Trachtenumzug, moderiert von Maria Henning, nahmen, angeführt von der Dinkelsbühler Knabenkapelle über 40 Trachtengruppen und Blaskapellen, geschlossen daherziehende Vertretungen von Kreisgruppen und Heimatortsgemeinschaften teil, mitten drin auffallend viele jugendliche Trachtenträger, mehrere festlich geschmückte Brautpaare, zahlreiche Kinder in Tracht und, als Hauptattraktion, ein riesiger Rinnenfestwagen mit Laubgewölbe und Blumenkränzen, der von der HOG Schönau nach altem Brauch für den Trachtenzug aufgebaut und geschmückt worden war.
Die Hauptkundgebung vor der Schranne, durch die von Wilhelm Folberth, dem stellvertretenden Vorsitzenden der mitveranstaltenden Landesgruppe Hessen, geführt wurde, leitete am Pfingstsonntag als Vertreter der Heimatkirche Prof. D. Berthold Köber aus Hermannstadt mit einem Grußwort und einem Gebet ein. Danach hielt Bundesvorsitzender Dürr seine Festrede, worauf Bundestagsabgeordneter Jochen Welt, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung, und Reinhold Bocklet, bayerischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten, sprachen. Die drei Redetexte, die stellenweise wichtige aussiedlerpolitische Aussagen enthalten, werden in dieser Ausgabe abgedruckt.
Der Pfingstsonntag klang am Abend aus mit dem üblichen Fackelzug zur Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen im Lindendom an der Dinkelsbühler Stadtmauer, wo Wolfgang Bonfert, Ehrenvorsitzender der Landsmannschaft, eine bedenkenswerte Ansprache hielt. Am Pfingstmontag fand dann noch die seit Jahren am Heimattag veranstaltete Podiumsdiskussion, dieses Mal zum Thema der nachlassenden Kulturförderung durch die Bundesregierung, statt. Moderiert wurde das angeregte öffentliche Gespräch von der stellvertretenden Bundesvorsitzenden des Verbands, Karin Servatius-Speck.
Organisatorisch impliziert in die Vorbereitung und den Ablauf des Heimattreffens waren neben dem vom landsmannschaftlichen Organisationsreferenten Johann Schuller seit vielen Jahren umsichtig geleiteten Festausschuss in besonderem Maße die SJD, dazu das Hilfskomitee, die beiden mitveranstaltenden Landesgruppen sowie nicht zuletzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Münchner Bundesgeschäftsstelle, die in gemeinsamer Anstrengung dem Heimattag einen reibungslosen Verlauf gesichert haben.

Hannes Schuster



PS. Eine kritische Anmerkung muss hier noch gemacht werden: Von den durch die Dinkelsbühler Polizei aufgrund ihrer professionellen Schätzungerfahrungen festgestellten rund 15 000 Heimattagbesuchern haben, trotz aller Bemühungen der Abzeichenverkäufer und Ordner, lediglich knapp 10 000 Teilnehmer ein Festabzeichen erworben. Ein Drittel also der Besucher hat das dreitägige, reiche Angebot des Heimattages genutzt, ohne den bescheidenen Beitrag zu dessen Ausrichtung zu leisten. In dieser Zeitung ist wiederholt darauf hingewiesen worden, dass die öffentliche Hand seit dem Vorjahr das Pfingsttreffen überhaupt nicht mehr fördert und sämtliche damit verbundenen Kosten, die nicht unerheblich sind, allein von der Landsmannschaft getragen werden müssen. Es zeugt von wenig Gemeinsinn und Solidarität, wenn Landsleute zum Heimattag kommen, seine Angebote in Anspruch nehmen und sich dennoch vom Kauf des Abzeichens drücken. Das sollte allen gesagt sein, die in dieser Art handeln.

H.S.

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