10. April 2005

Das Kirchenhandtuch der konfirmierten Siebenbürger Sächsinnen

Ein Zitat aus dem Museum zu Stockholm 1899 mahnt und ruft zugleich auf, Kulturgut – auch die unerschöpfliche Fülle von verzierten Haustextilien und Trachtenteilen unserer siebenbürgisch-sächsischen Trachtenkleidung – dokumentarisch auszuschöpfen: „Es kann eine Zeit kommen, da all unser Gold nicht hinreicht, uns ein Bild der vergangenen Tage zu formen“. Im Folgenden wird über das siebenbürgisch-sächsische „Kirchentuch“ als Kirchen- und Trachtenkleid der konfirmierten Mädchen in Siebenbürgen berichtet.
Das Kirchenhandtuch gehört in vielen siebenbürgischen Dörfern im Sommer zur Kirchenkleidung der „ausgestandenen“ (konfirmierten) Mädchen. Bis zum Zweiten Weltkrieg legten sie es auch sonntags zur Nachmittagsvesper in der Kirche um die Schultern. Der Form nach wird es unterschiedlich gefertigt. Die Länge dieses Tuches (ca. 150 bis 200 cm) reicht beim Umlegen um Nacken und Schultern der Trägerin bis über oder unter ihre Taille. Es ist 20 bis 50 cm breit, wird jedoch nach dem Brauch des Ortes vor dem Benützen gestärkt, gebügelt und, unterschiedlich breit, längs gefältelt (ca. 10 cm breit in Hetzeldorf, Trappold, Zuckmantel, etwas breiter in der Hermannstädter Gegend).


Kirchenhandtuch, Hausleinwand, 46 x 180 cm. Rot eingewebte Stern- und Nelkenbordüren, aufgestickter Name und Jahreszahl, gedrehte Fransen mit Knötchenabschluss an beiden Enden. Arkeden, 1879.
Kirchenhandtuch, Hausleinwand, 46 x 180 cm. Rot eingewebte Stern- und Nelkenbordüren, aufgestickter Name und Jahreszahl, gedrehte Fransen mit Knötchenabschluss an beiden Enden. Arkeden, 1879.

In den deutschen Orten Siebenbürgens erhält das Kirchentuch eine unterschiedliche Mundartbenennung wie: „Kirchendroidich“ (Kirchenhandtuch); „Amhedeauch“ (Umhängetuch); „Minkeltschen“ (Mäntelchen) oder „Moidendredich“ (Mädchenhandtuch, Meeburg, Deutsch-Weißkirch u.a). In einigen Orten wurde es auch von Schulmädchen zum Kirchgang getragen, etwa in Meeburg, Deutsch-Weißkirch, Schweischer u.a. Ursprünglich wurde es aus hausgewebtem Baumwollleinen gefertigt. An beiden Enden erhielt es farbig eingewirkte oder aufgestickte Musterstreifen. In einigen Orten blieb das Tuch schneeweiß und schmal gefältelt (Hetzeldorf, Marpod). Mit einem Hohlsaum ringsum und einem weißen Spitzenabschluss an den beiden Enden oder gedrehten, geknüpften Fransen wird es verziert. Als Blickfang der Kirchenkleidung erhielt es im Laufe der Zeit immer prächtigere eingewebte oder aufgestickte Schmuckformen. Man begnügte sich nicht mehr mit einem einfachen Muster.

In der Hermannstädter Gegend (Urwegen, Reußmarkt, Großscheuern, Kleinscheuern, Stolzenburg u.a.) stickt man an beiden Enden des Tuches eine schmale Bordüre, darüber Blumenmotive, Rosen, Nelkenbäumchen oder Kränzchen. Oft schmückt ein Motiv des doppelköpfigen Adlers, verknüpft mit Vögeln, Rosetten und Blumensträußchen zum Kranz gebunden, das Tuch. Gelegentlich werden Namen und Jahreszahl oder Initialen in Goldfadenstickerei gehalten. Als Randabschluss näht man ortsweise eine Spitze oder Fransen an. Die Stickerin sorgt dafür, dass die Stickerei auch beim Zusammenlegen des Kirchentuches auf dem gefalteten Mäntelchen voll zur Geltung kommt. In Rode wird die ganze Brustlänge des schmalen Tuches bestickt. Rebenmotive ranken sich um die Form eines Kreuzes (Rebpfahl), das den Spruch „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ versinnbildlicht. Darüber werden Initiale, Jahreszahl sowie verschiedene Blumenstöckchen, Sterne und Borten genäht.



Konfirmandinnen tragen ein selbst gefertigtes Schultertuch mit langen Fransen zur Konfirmation in Heldsdorf, 1983.
Konfirmandinnen tragen ein selbst gefertigtes Schultertuch mit langen Fransen zur Konfirmation in Heldsdorf, 1983.


Im Repser Ländchen wird das Kirchenhandtuch mit breiten eingewebten, farbigen Musterstreifen (Stern, Blumenmotive) oder mit schwarzer Kreuzstichstickerei, meist „Sigerusmuster“, versehen. Bunte, „geschriebene“ (dekorative) Muster mit Seide oder Mouline gestickt sind in Deutsch-Weißkirch beliebt. Hier wird das Tuch in seiner ganzen Breite über die Schultern der Trägerin gelegt. Die Mädchen halten es auf der Brust von innen an Schlaufen zusammen (Draas, Deutsch-Weißkirch, Katzendorf, Schweischer, Meeburg u.a).

Die Mode beeinflusst in gewissen Zeitabständen auch dieses Kirchentuch. So tragen in den 80er Jahren in einigen Burzenländer Orten, z.B. in Heldsdorf (l983) und Wolkendorf/Neustadt (Siebenbürgische Zeitung vom 31. Juli 2004) konfirmierte Mädchen an Stelle des traditionellen Kirchentuches ein von Hand gestricktes oder kunstvoll gehäkeltes Umhängetuch, „Usseldeach“ (Achseltuch, Heldsdorf).

Rose Schmidt


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