11. April 2005

Ein komplizierter Fall von Restitution

Der Weg durch die Instanzen wurde beschritten, das Urteil ist rechtskräftig, der Fall scheint verloren. Am 14. Januar 2005 lehnte das Appellationsgericht in Alba Iulia (Karlsburg) die seitens der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Karlsburg eingelegte Berufung ab. Inzwischen hat sich Pfarrer Gerhard Wagner seitens der Kirchengemeinde an die höchsten Regierungsstellen gewandt, um einen politisch motivierten Kompromiss anzuregen. Ansonsten muss Familie Wagner das Pfarrhaus räumen, die 110-Seelen-Gemeinde wäre gleichsam heimatlos – mittellos ist sie ohnedies, bemerkt Irmgard Wagner, Ehefrau des Pfarrers.
Zur Vorgeschichte: 1978 trat die Kirchengemeinde ihr Pfarrhaus (Strada Primaverii Nr. 2) an den damaligen Kreisrat Alba ab. Dies geschah im Rahmen eines Immobilientausches mit dem Staat. Als Tauschobjekt erhielt die Gemeinde eine im Jahr 1950 vom Staat beschlagnahmte Immobilie in der Strada George Coșbuc Nr. 18, bis dato als Mietshaus genutztes Eigentum eines rumänischen Rechtsanwalts. Dieser Tausch wurde akkurat ins Grundbuch eingetragen. Das alte Pfarrhaus riss man indes ab, um an gleicher Stelle das Hotel „Parc“ zu erbauen. Kurz nach der Wende 1989 forderten nun die Nachkommen jenes rumänischen Rechtsanwalts das Haus zurück, das zwischenzeitlich von der Gemeinde und dem örtlichen Diakonieverein renoviert und modernisiert worden war. Vor Gericht zog sich der Prozess über zwölf Jahre bandwurmartig hin. Am 10. Oktober 2003 entschied das Gericht in Karlsburg in zweiter Instanz, dass der Kirchengemeinde bei dem Tauschverfahren 1978 der gute Glaube (rum. buna credința) gefehlt habe. Folglich sei die Übertragung zugunsten der Gemeinde rückgängig zu machen, so dass das jetzige Pfarrhaus wieder an den Staat zurückfalle.

In einem Rundschreiben kommentiert Pfarrer Wagner das Urteil enttäuscht: „Von einer Rückkehr unserer an den Staat abgetretenen Immobilie oder einer Entschädigung sagt der Gerichtsbeschluss nichts. Wir haben daraufhin natürlich Berufung eingelegt.“ Da die Berufung abgelehnt wurde, schlussfolgert Wagner: „Wir können jederzeit evakuiert werden.“ Oder alternativ: „Uns bleiben jetzt noch die Wege des Gebetes und der Erregung öffentlichen Aufsehens.“

Seit dem Jahre 1974 verbindet Karlsburg und das nordrhein-westfälische Arnsberg (Hochsauerlandkreis) eine enge geknüpfte Städtepartnerschaft. Im Vorjahr beging man das 30-jährige Jubiläum. Erster Vorsitzender des „Förderverein Alba Julia in Arnsberg e.V.“ ist Heinz Heppelmann. Auf des Pfarrers Bitte hin adressierte Heppelmann Wagners Schreiben u.a. an den Deutschen Botschafter in Bukarest und den Rumänischen Botschafter in Berlin, zudem an den Präfekten sowie den Ratsvorsitzenden des Kreises Alba, an den Kulturstaatssekretär, an Premierminister Călin Popescu-Tăriceanu, ja selbst an Staatspräsident Traian Băsescu. In einem Bestätigungsschreiben aus dem Präsidialamt wird verlautbart, dass der Fall der zuständigen Abteilung zugeleitet und untersucht werde. Auch der Deutsche Botschafter in Bukarest soll signalisiert haben, sich in der Angelegenheit engagieren zu wollen. Sollte gemäß dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ das letztinstanzliche Urteil vollzogen werden, „dann verliert die ev. Kirchengemeinde Karlsburg ihre Heimat“, befürchtet Irmgard Wagner.

Zur Problematik des Restitutionsgesetzes bemerkt Wolfgang Wittstock in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien vom 29. Januar 2005 kritisch, „dass hinsichtlich der Anwendung des Restitutionsgesetzes Nr.10/2001 noch viel getan werden muss. Das Gesetz sieht beispielsweise vor, dass für verstaatlichte Wohnungen, die nicht in natura restituierbar sind, Entschädigungen in Geld gewährt werden können. Andere Immobilien hingegen, die nicht als solche rückerstattet werden können, sollen mit anderen Gütern oder Dienstleistungen, mit Aktien oder Wertpapieren kompensiert werden. Hinsichtlich der Gewährung geldlicher Entschädigungen sollte binnen einem Jahr nach Ablauf der Antragsfrist ein Sondergesetz verabschiedet werden (§ 40). Das ist bis jetzt nicht geschehen (...). Seitens der neuen Regierung unter Premierminister Călin Popescu-Tăriceanu gibt es Signale, die guten Willen erkennen lassen und zur Hoffnung berechtigen, dass die neuen Machthaber, anders als ihre Vorgänger, der Regelung der Restitutionsfrage die nötige Aufmerksamkeit schenken werden.“ – Zumal die Regierung in Bukarest sich höchst motiviert zeigt, das Aufnahmeverfahren in die Europäische Union bis 2007 erfolgreich zu absolvieren.

Christian Schoger


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