25. April 2005

Deportation hat Aussiedlung mit verursacht

Hans-Holger Rampelt, stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Mannheim/Heidelberg, hielt am 3. April im Saal der Evangelischen Friedenskirche Mannheim, vor zahlreichen Anwesenden und Zeitzeugen, den Vortrag "Deportation der Siebenbürger Sachsen vor 60 Jahren in die Sowjetunion".
Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden Hans Wester und den andächtigen Worten, gesprochen von Pfarrer Michael Batzoni (er wählte passend zum Thema den Psalm 137 - die Klage der in Babylon Gefangenen) wurde in einer Schweigeminute der Verstorbenen gedacht, die die Deportation nicht überlebt haben.

"Wer diese Zeit nicht selbst erlebt hat, wird sie nie verstehen, wer sie selbst erlebt hat, wird sie nie vergessen." Mit diesen treffenden Worten von Dr. Wilhelm Wolf, dem langjährigen Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken, eröffnete Hans Rampelt seinen Vortrag. Die Deportation vor 60 Jahren in die Sowjetunion sei das "schwärzeste Kapitel siebenbürgisch-sächsischer Geschichte gewesen, der gewaltsamen Trennung von unmündigen Kindern, von alten und kranken Eltern, von Haus und Hof." In der Veranstaltung in Mannheim wolle man jener gedenken, "die während der Aushebung, auf der Fahrt oder im Lager ihr Leben verloren haben. Wir wollen uns erinnern an das Leid, die Not, die Angst, die unsere Landsleute ertragen mussten", sagte der Referent.

Gedenkenveranstaltung für die Russlanddeportierten in Mannheim, von links nach rechts: Hans Rampelt, Christian Brenndörfer (Zeitzeuge), Susanne Schaser (Zeitzeugin), Hans Wester, Katharina Batzoni (Zeitzeugin), Andreas Liess (Zeitzeuge) und Michael Batzoni. Foto: Roswitha Batzoni
Gedenkenveranstaltung für die Russlanddeportierten in Mannheim, von links nach rechts: Hans Rampelt, Christian Brenndörfer (Zeitzeuge), Susanne Schaser (Zeitzeugin), Hans Wester, Katharina Batzoni (Zeitzeugin), Andreas Liess (Zeitzeuge) und Michael Batzoni. Foto: Roswitha Batzoni

Rampelt ging sodann auf die historischen Ereignisse ein, die zu diesem "tragischen Geschehen" geführt hatten. Am 23. August 1944 hatte Rumänien mit der vormarschierenden Sowjetarmee einen Waffenstillstand abgeschlossen und kurz danach Deutschland, seinem bisherigen Verbündeten, den Krieg erklärt. Während in Nordsiebenbürgen der deutsche General Arthur Phleps, ein Siebenbürger Sachse, die gefährliche Situation für seine Landsleute erkannt und die Evakuierung angeordnet hatte, besetzten sowjetische Truppen Anfang September 1944 Hermannstadt und Kronstadt in Südsiebenbürgen. Für die Deutschen in Rumänien leitete der Umsturz vom 23. August 1944 die Verfolgung, Diskriminierung, Deportation und Enteignung ein. Die Siebenbürger Sachsen und die Banater Schwaben wurden für die von den Nazis auf dem Gebiet der Sowjetunion begangenen Verbrechen verantwortlich gemacht und sollten dafür büßen.

Stalins Deportationsbefehl wurde von General Winogradow dem rumänischen Ministerpräsidenten Radescu am 6. Januar 1945 überreicht. Der Hermannstädter Journalist Herwert Scheiner berichtet von zwei Plänen zur Verhinderung einer eventuellen Aushebung von Volksdeutschen, die jedoch ohne Erfolg blieben. So begann am 11. Januar die Eintreibung und endete am 16. Januar. Mit Verpflegung für 14 Tage, Winterkleidung und einer warmen Decke im Gepäck wurden die Ausgehobenen in vergitterte Viehwaggons verfrachtet. Die Fahrt dauerte bei eisiger Kälte, primitiven hygienischen Verhältnissen und notdürftiger Versorgung mehrere Wochen. Die Verschleppten wurden auf 85 Lager, in der Ukraine - Donez-und Dongebiet und im Ural, Bezirk Molotow, verteilt, und arbeiteten vorwiegend im Bergbau und Bauwesen, der Industrie, aber auch in Landwirtschaft und Lagerverwaltung.

Und wieder sind es Zeitzeugenberichte, die diese menschenunwürdigen Ereignisse veranschaulichen, seien es die Erlebnisse eines damals erst 13-jährigen Mädchens oder der Bericht einer Internierten aus dem Lager Kriwoi-Rog: "Wir wurden in Breitschienenwaggons verlegt, wie Vieh mit 70 Mann hineingepresst, Türen und Fenster mit Brettern vernagelt. Die Männer sägten in den Boden des Waggons ein kleines Loch, in das wir unsere Notdurft verrichten konnten". Die Deportierten berichteten aber auch über positive Erfahrungen wie Mut, Liebe, Glaube, Zusammenhalt, Lebenswille und Zuversicht. So hieß es in Hans Eiperts Tagebuch: "Es ist immer ein Stückchen Heimat, wenn wir abends zusammenkommen."

Des Weiteren zitierte Rampelt einen beeindruckenden Bericht von Ernst Roth über Weihnachten 1946: "Die Taschen und Beutel wurden geleert. Kohle, Koks und ab und zu ein Stückchen Holz kamen zum Vorschein. Im Ofen wurde Feuer gemacht, sauberer Schnee in zwei früheren Zuckerdosen auf den Herd gestellt. Der große Moment war gekommen, ein Sack Zusatznahrung wurde ausgeleert, den ein Mann für die Brigade im Bettelgang in der Stadt gesammelt hatte. Die Arbeitskameraden hatten den ganzen Tag für ihn gearbeitet und ihn bei Kontrollen gedeckt. Zum Vorschein kamen Fischköpfe und -schwänze, saure Gurken und Tomaten, rote und Futterrüben, Brot- und Maisbreireste, sogar Zwiebel und Knoblauch. Mit den Kameraden, die kein Brot mehr hatten, teilten wir das vorhandene, so dass jeder ein paar Bissen bekam. Dann wurde der Föhrenzweig auf den Tisch gelegt, jemand hatte sogar einen Kerzenstummel hervorgezaubert. Wir standen vor der flackernden Kerze, es war auch für uns Heilige Nacht. Einer hatte ein Weihnachtslied angestimmt; es blieb in den Kehlen stecken. So sprach einer von uns das Vaterunser. Frohe Weihnachten, sagte der Brigadier, dann wurde gegessen. In solchen Momenten war das Heimweh unerträglich."

Die evangelische Kirche habe sich bei der rumänischen Regierung und sogar durch Schreiben bei Stalin um die Rückführung der Deportierten bemüht; Arbeitsunfähige und Kranke wurden Ende 1945 nach Siebenbürgen entlassen, 1946-1947 wurden 5 100 Sachsen mit Krankentransporten in Frankfurt an der Oder entlassen. Anhand eines weiteren Zeitzeugenberichts veranschaulichte Hans Rampelt die Vorbereitungen zur Heimkehr und die Ankunft an der rumänischen Grenze, wo die Verschleppten entlaust und gebadet wurden, einen Erklärungsbogen der Repatriierungskommission ausgefüllten und eine unentgeltliche Fahrkarte zum Bestimmungsort erhielten.

Die Verschleppung in die Sowjetunion, die Enteignung durch die Agrareform vom 23. März 1945 und weitere Repressionsmaßnahmen hätten die Deutschen in Rumänien in ihrer Substanz schwer getroffen. "Hier seien die Gründe der späteren Aussiedlung zu finden", betonte der Referent.

Anschließend schilderte der anwesende Landsmann und Zeitzeuge Christian Brenndörfer eindrucksvoll Erlebnisse dieser leidvollen Zeit.

Mit viel Applaus dankten die Anwesenden Hans Rampelt für den sehr gut dokumentierten Vortrag. Danke auch an Ilse Rampelt, die zu dem gesprochenen Wort Bilder gezeigt hat. Gedankt sei schließlich den Helferinnen und Helfern für ihren Beitrag zum gemütlichen Teil bei Kaffee und Kuchen.

Susanne Weber

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2005, Seite 19)

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