31. Juli 2000

Ende einer bemerkenswerten Tradition

"Die „Agronomia“, die Vereinigung ehemaliger siebenbürgisch-sächsischer Ackerbauschüler, hat im Mai 2000 aus Gründen der Überalterung ihrer Mitglieder ihre Selbstauflösung beschlossen. Damit wurde das Ende einer bemerkenswerten schulischen Tradition besiegelt, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Entwicklung der Landwirtschaft in Siebenbürgen entscheidend mitgeprägt hat. Ackerbauschulen wurden 1870-1871 in Bistritz, Mediasch und Kronstadt gegründet, Letztere verrlegte ihren Standort 1875 nach Marienburg. Der "Agronomia"-Verein hat die Erinnerung an die Leistungen und Verdienste dieser Lehranstalten gepflegt, allen voran Hans Acker, der eigentliche Gründer des Vereins, in seinen zahlreichen Veröffentlichungen. Diese Erinnerung wach zu halten, bleibt Aufgabe der Nachkommen."
Der hier abgedruckte Rückblick darauf will den Ansatz liefern, die Erinnerung an die Leistungen und Verdienste der siebenbürgischen Ackerbauschulen und ihrer Absolventen auch über den Endpunkt hinaus wach zu halten.

Die Lehranstalten

Von der Einwanderung der deutschen Siedler in Siebenbürgen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Landwirtschaft Grundlage ihrer Existenz, das Bauerntum Quell ihrer Lebenskraft. Dennoch hatte sich im Ergebnis der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung, infolge auch des über Jahrhunderte praktizierten Flurzwangs und der fortwährenden Realteilung der vererbten Bodens bereits um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Lage in der siebenbürgischen Landwirtschaft derart verschlechtert, dass in diesem Bereich eine grundlegenden Reform notwendig wurde.
Das erkannte der 1843 gegründete Siebenbürgisch-Sächsische Landwirtschaftsverein. Der zersplitterte Grundbesitz war neu zu arrondieren, der überlieferte Flurzwang durch die effektivere Dreifelderwirtschaft mit erweitertem Hackfrucht- und Futteranbau zu ersetzen. Entsprechende Vorschläge, die der Verein um 1860 machte, wurden jedoch von der ungarischen Regierung zunächst nicht genehmigt. Dazu kam, dass auch ein Teil der sächsischen Bauernbevölkerung selber den Erneuerungsbestrebungen skeptisch gegenüberstand, so dass der Gedanke aufkam, junge Bauern in speziell einzurichtenden Fachschulen auf die angestrebten Umstellungen vorzubereiten.
Hans Acker hat in jahrelanger, verdienstvoller Arbeit das zusammengetragen, was über die Entstehung und Geschichte dieser siebenbürgisch-sächsischen Ackerbauschulen in Erfahrung zu bringen war. Der 1913 in Hermannstadt Geborene, dessen Familie aus einem Unterwälder Bauerngeschlecht hervorgegangen war, hatte 1932 die Mediascher Ackerbauschule absolviert, wo er deren Schülervereinigung „Agronomia“ als Präses vorgestanden hatte; danach hatte er seine landwirtschaftliche Fachausbildung in Geisenheim am Rhein vervollständigt. Nach dem Krieg war er über zwanzig Jahre lang als Betriebsleiter in der deutschen Weinwirtschaft tätig, war freier Mitarbeiter von Weinfachzeitschriften und hat sich in mehreren Buchveröffentlichungen sowie in dem von ihm herausgegebenen Agronomia-Rundbrief ausgiebig mit der Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Ackerbauschulen auseinandergesetzt. Zusammenfassendes Resultat seiner Recherchen war sein Buch „Die deutschen Landwirtschaftsschulen in Siebenbürgen“. Ihm sind die hier verwendeten Angaben entnommen.
Die Vorstellungen des Landwirtschaftsvereins mündeten 1868 in einem Beschluss, der gemeinsam mit der Nationsuniversität gefasst wurde und zunächst vorsah, eine „mittlere“ und fünf „niedere“ Kreisackerbauschule in Siebenbürgen zu errichten. Aus Geldmangel musste das Vorhaben jedoch auf zwei „niedere“ Schulanstalten in Bistritz und Kronstadt und eine „mittlere“ Kreisackerbauschule in Mediasch reduziert werden.
Als erste wurde im April 1870 die Kreisackerbauschule in Bistritz als zweijährige Lehranstalt eröffnet. Für deren Aufbau, Finanzierung und Überwachung war der Distrikt- und Stadtmagistrat von Bistritz zuständig. In den ersten Jahren wurden nur wenige Schüler verzeichnet, erst allmählich stieg die Schülerzahl an und erreichte zu Beginn der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts 42 Abgänge im Jahr. Von 1870 bis 1940, also in 70 Jahren ihrer Existenz haben an der Bistritzer Ackerbauschule insgesamt 495 Bauern eine abgeschlossene landwirtschaftliche Ausbildung erhalten. Einer von ihnen, Martin Hauptmann aus Lechnitz, Jahrgang 1936/1937, wurde 1940 Gau- und Landessieger im bäuerlichen Berufswettbewerb.
Besondere Verdienste um diese Anstalt haben sich die Direktoren Alois Foramitti (1871-1882) und Michael Englisch (1918-1940) erworben. Englisch rief 1934 auch den „Verein der Ackerbauschulabsolventen“ ins Leben, dem alle ehemaligen Schüler angehören sollten. Die nach dem Krieg in Deutschland ansässig gewordenen Bistritzer Absolventen trafen sich im Oktober 1978 und im September 1980 jeweils in Rothenburg ob der Tauber, Georg Broser aus Lechnitz war Initiator dieser Treffen. Im Jahre 1987 schlossen sich die Absolventen der Bistritzer Ackerbauschule korporativ der „Vereinigung Siebenbürgischer Ackerbauschulabsolventen in Deutschland“ an.
Als zweite „niedere“ landwirtschaftliche Lehranstalt wurde 1871 die Kreisackerbauschule in Kronstadt gegründet, die in den eigenen Statuten die Bezeichnung „Ackerbauschule für den Distrikt Kronstadt“ führte, dann aber einfach „Neue Ackerbauschule in Kronstadt-Biengärten“ genannt wurde. In ihren Statuten wurde u.a. festgelegt, was die Nationsuniversität und die 14 Burzenländer Gemeinden an Zahlungen für ihren Unterhalt zu erbringen hatten. Verwaltet wurde die Schule von der Kronstädter Distriktsverwaltung. Ende des Schuljahres 1874/1875 verlegte die Anstalt ihren Standort aus den Kronstädter Biengärten nach Marienburg. Die durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich erfolgte Zwangsauflösung der sächsischen Stühle und Distrikte sowie der Nationsuniversität brachte für die Marienburger Schule große finanzielle Probleme mit sich, die jedoch durch die Erhöhung der Zahlungen aus den Burzenländer Gemeinden behoben werden konnten. Da die Zahl der Schüler während des Ersten Weltkriegs abnahm, wurde zwischen 1917 und 1919 in Marienburg zusätzlich eine „Hauswirtschaftsschule“ für Landmädchen eingerichtet.
Eine straff organisierte Schülervereinigung, wie es etwa die Coeten waren, gab es in Marienburg nicht, dafür aber einen „Präfekt“ genannten Sprecher der Schüler, der ihre Interessen zu vertreten hatte. Fallweise standen ihm ein Kassierer und ein Schriftführer zur Seite. Ein großer Teil der Marienburger Absolventen ließ sich nach dem letzten Krieg in Deutschland nieder. Etwa 40 von ihnen trafen sich 1982 erstmalig beim Heimattag in Dinkelsbühl, 1987 traten auch sie korporativ der neu gegründeten „Agronomia“ bei.
Als dritte Ackerbauschule wurde 1871 die „mittlere“ landwirtschaftliche Lehranstalt in Mediasch gegründet. Die Wahl war auf diesen Ort gefallen, weil er zentral gelegen und zudem die Gegend für den Weinbau geeignet war. Auch hatte die Stadt mit Grund und Gebäude günstige Bedingungen angeboten. Die Schule unterstand direkt der Nationsuniversität und wurde von dieser finanziert und überwacht. Sie wurde als zweijährige Lehranstalt eröffnet und 1876/1877 auf den dreijährigen Lehrbetrieb umgestellt. Bis 1905 wurde sie von Lehrern geleitet, die aus Deutschland oder Österreich kamen. Im Jahre 1905 wurde als erster Siebenbürger Sachse Pitz Herbert als Direktor eingestellt, der die Schule, unterbrochen nur durch drei Kriegsjahre, bis 1940 leitete.
Unter Herbert entwickelte sich die Mediascher Ackerbauschule zu einer allgemein anerkannten Institution. Von hier gingen Initiativen aus, die für die Landwirtschaft Siebenbürgens von nicht zu unterschätzenden Bedeutung waren, so etwa die Einrichtung eines Peronospora- und Spätfrostwarndienstes für den Wein- und Obstbaus, die Einführung der Saatgutreinigung mittels „Petkus“-Saatgutreinigern, die Anschaffung von Kartoffeldämpfanlagen sowie die Bereitung von Silofutter. Auf dem Gebiet der Viehzucht wurde unter der tatkräftigen Mitwirkung Herberts sowie des Tierarztes und Lehrers Misch Bonfert das Simmentaler Rind als für Siebenbürgen geeignet erkannt und ein Herdbuchverein zur Zucht und Milchkontrolle der Rasse eingerichtet.
Diese positiven Entwicklungen, durch welche die siebenbürgische Landwirtschaft entscheidend vorangebracht wurde, sind dann durch den Zweiten Weltkrieg und seine unmittelbare Folgen – Kriegsteilnahme, Russlandverschleppung, Enteignung – unterbrochen worden. Die danach vom kommunistischen Regime in Rumänien vorgenommene „Kollektivierung“ hat schließlich die siebenbürgische Landwirtschaft zunehmend unkompetitiv gemacht und sie auf Jahrzehnte hinaus schwer geschädigt.

Der Verein

In Anlehnung an die Coeten der sächsischen Gymnasien bestand bereits an der Mediascher Ackerbauschule eine Schülervereinigung, die „Agronomia“. Sie hatte ihr eigenes Statut, in dem als Grundsätze festgehalten waren: die Fortbildung der Schüler, deren Selbstverwaltung, die Wahrnehmung ihrer Interessen und die gründliche Vorbereitung auf ihr späteres Leben. Der Vereinigung stand ein „Präses“ vor, dem weitere Chargen zur Seite standen.
Auch viele Mitglieder der Mediascher „Agronomia“ fanden sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland wieder. Im Jahre 1977 veranstaltete Alfred Jacobi in Ulm ein erstes Treffen des Jahrgangs 1926/1927. Zusammenkünfte weiterer Jahrgänge organisierten Kurt Loew und Hans Acker in Dinkelsbühl.
Nach diesen Treffen einzelner Klassen fand im Oktober 1981 zum 110. Jubiläum der Mediascher Lehranstalt das erste „Große Treffen“ aller Jahrgänge auf Schloss Horneck in Gundelsheim statt. Hier wurde u.a. auch beschlossen, halbjährlich einen eigenen Rundbrief der „Agronomia“ herauszugeben. Drei Jahre später, im Oktober 1984, wurde das zweite Treffen dieser Art ebenfalls in Gundelsheim veranstaltet, an dem fast 200 Absolventinnen und Absolventen teilnahmen. Auch das dritte „Große Treffen“ (1987) fand in Gundelsheim statt. Dorthin waren dieses Mal auch ehemalige Absolventen der Ackerbauschulen von Bistritz und Marienburg eingeladen worden. Deren Vertreter erklärten sich u.a. bereit, gemeinsam hier in Deutschland die Überlieferungen der siebenbürgischen Ackerbauschulen zu pflegen. Damit war die Voraussetzung geschaffen, die „Agronomia“ als neue Vereinigung a l l e r ehemaligen Absolventen siebenbürgisch-sächsischer Landwirtschaftsschulen ins Leben zu rufen. Die Gründung erfolgte nach Annahme des Statuts und der Wahl des Vorstands durch Akklamation.
Seither fanden weitere Treffen statt, doch deren Teilnehmerzahl sank mit dem zunehmenden Alter der Vereinsmitglieder. Daher wurde auf der letzten Zusammenkunft am 3. und 4. Mai dieses Jahres in Neckarelz, wie berichtet, die Selbstauflösung der Vereinigung beschlossen.

Die Haushaltsschulen

Vollständigkeitshalber muss hier noch auf die der Mediascher Ackerbauschule angegliederte Haushaltsschule für Mädchen verwiesen werden, die ebenfalls Beachtliches geleistet hat: Schon vor dem Ersten Weltkrieg bestand der Plan, eine solche Haushaltsschule zu gründen. Direktor Herbert, der von der Nützlichkeit dieser Idee überzeugt war, verwirklichte sie 1919, als der Zweitlehrgang mit einer Lehrerin und 15 Schülerinnen an seiner Anstalt eröffnet wurde. Der Lehrgang war ein voller Erfolg, die Zahl der Schülerinnen wuchs ständig und erreichte mit jeweils etwa 40 Kursantinnen in den Jahren 1936 bis 1940 ihren Höhepunkt. Ziel der einjährigen Ausbildung war, der künftigen Landfrau für ihre Tätigkeit in Familie und Hof gründliches Fachwissen, Allgemeinbildung und praktische Fertigkeiten zu vermitteln und sie fallweise auch für die Weiterbildung an einer Fachschule vorzubereiten.
Viele der Absolventinnen von einst haben sich hier in Deutschland ebenfalls der „Agronomia“ angeschlossen. Dem Verein traten zudem die Absolventen der „Landwirtschaftlichen Winterschule Hermannstadt“ bei, die durch eine Sammelaktion in den Jahren 1929/1930 gegründet werden konnte und 1944 aufgelöst wurde.

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Der Verein der ehemaligen Absolventen der siebenbürgisch-sächsischen Ackerbauschulen hat in den Jahren seiner Existenz die Erinnerung an die Leistungen und Verdienste dieser Lehranstalten gepflegt, allen voran Hans Acker, der eigentliche Gründer der „Agronomia“, in seinen zahlreichen Veröffentlichungen. Diese Erinnerung wach zu halten, bleibt Aufgabe der Nachkommen im Bewusstsein ihrer Wurzeln in einem geographischen, wirtschaftlichen und geistig-kulturellen Raum, den die Arbeit der Väter und Vorväter entscheidend geprägt hat.

Georg Gross
Hans Gerhard Loew

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