1. September 2001

Streit um enteignete Immobilien

Das Rückgabeansuchen von Ex-König Michael I. hat die öffentliche Debatte um das Immobiliengesetz in Rumänien stark angeheizt. Auch ausgewanderte Sachsen versuchen, ihre Ansprüche in Siebenbürgen geltend zu machen.
Ex-König Michael I. wird sein Recht wohl vor den Gerichten suchen müssen, denn vorerst hat ihm die Bukarester Regierung über Vermittler, Experten und Pressesprecher das Recht auf Rückgabe einstiger Besitztümer abgesprochen. Man habe Seiner Majestät seinerzeit den kleinen Finger gereicht, nun wolle er gleich die ganze Hand, mokierten sich im Vorfeld der Auseinandersetzung mehrere Regierungs- und Parlamentsmitglieder. Der Elisabeta-Palast in Bukarest und das Schloss Savârsin neben Arad sei ihm ja nach erstinstanzlichem Urteil, ohne Widerspruch der Regierung, schon zugesprochen worden. Das Schloss Peles, von den Kommunisten nach der erzwungenen Abdankung des Monarchen zum "nationalen Kulturgut" erklärt, dürfe hingegen als "Museum von touristischem Interesse" nicht wieder in Privatbesitz übergehen. Das Schloss Pelisor erwähnten die "Volksvertreter" in dieser Angelegenheit wohlweislich erst gar nicht, denn auch unter dem so genannten volksdemokratischen Regime war es dem Volk niemals zugänglich, sondern Ceausescu sowie der Nomenklatura vor und nach ihm als Urlaubsresidenz vorbehalten.
Durch faule Tricks versucht sich die Regierungspartei über legitime Rückgabeansprüche, so wie sie im Gesetz 10/2001 festgeschrieben sind, hinwegzusetzen und die zahlreichen Ansuchen gar ins Lächerliche zu ziehen. So bestellten die neuen Machthaber in Bukarest eine Meinungsumfrage, die das Forschungsinstitut INSOMAR denn auch prompt im Sinne der Auftraggeber lieferte: 61 Prozent der rumänischen Bevölkerung seien gegen die Rückgabe des Schlosses Peles in Sinaia an König Michael I., 54 Prozent würden sich gegen die Rückgabe anderer enteigneter Güter an das Königshaus aussprechen. Auf dem Hintergrund dieser „Volksstimmung“ plante die Regierung zunächst ein Sondergesetz, das den Rückgabeanspruch von König Michael einschränken sollte. Als es heftige Kritik im In- und Ausland hagelte, machte die Regierungspartei PSD von Adrian Nastase einen Rückzieher und erklärte, sie wolle auch den Ex-Monarchen im Einklang mit dem Immobilengesetz behandeln. Michael I. hat wie immer die besseren Karten in der Hand. Und wenn Kulturminister Razvan Theodorescu behauptet, der Ex-König habe die Erbschaftssteuer für die Schlösser seinerzeit vermutlich gar nicht beglichen, dann tritt der Anwalt des Königshauses, Adrian Vasiliu, um so energischer auf. Als Gesetzeskenner weiß er, dass auch dies reiner Humbug ist.
Die Welle von Rückgabegesuchen hat mittlerweile übrigens das ganze Land erfasst. Im Mittelpunkt des medialen Interesses steht beispielsweise die Törzburg bei Kronstadt. Königin Maria hatte diesen imposanten mittelalterlichen Bau von der Stadt Kronstadt unter Bürgermeister Dr. Karl Ernst Schnell 1920 nach der Vereinigung Siebenbürgens mit Rumänien zu Geschenk erhalten. Als direkte Erbin der Königin gilt seither Prinzessin Ileana. Deren Sohn Dominik von Habsburg-Lothringen sowie weitere vier Nachkommen in den Vereinigten Staaten pochen nun auf Rückgabe der Törzburg. Selbst für das Hunyadi-Schloss in Hunedoara gibt es offenbar Erben. Die Bukaresterin Veronica Sanda Popescu-Corvin hat im Namen ihres 80-jährigren Vaters Anspruch auf das Anwesen erhoben und beruft sich dabei auf das Testament eines Generals namens George Corvin, der seine Abstammung von Mthias Corvinus angeblich schon in der Vorkriegszeit nachweisen konnte.
Erben der Bojarenfamilie Sturdza fordern die Rückgabe von etwa 70 Hektar Boden nahe von Konstanza und mithin eines Gutteils des Schwarzmeerstrandes um den Hafen. Auch ein Teil des Sees Siutghiol könnte davon erfasst sein, desgleichen der Flughafen von Bacau, ja sogar der ganze "Magheru-Boulevard" und die "Calea Victoriei" in Bukarest fallen neuerdings unter erblichen Anspruch.
Siebenbürgen macht da keine Ausnahme. Allein in Kronstadt und Hermannstadt liegen jeweils rund 600 Ansuchen bei den Bürgermeisterämtern und Präfekturen auf, bis zum letzten Eingabetermin Mitte November könnten es noch erheblich mehr werden. Jetzt schon sind sich Medien und lokale Behörden fast einig: Das Gros der Gesuche stamme angeblich von ausgewanderten Sachsen. Allein die in den Medien diesbezüglich veröffentlichten Listen lassen eindeutig diesen Schluss nicht zu, obgleich unsere Landsleute in diesem Raum durch Deportation, Enteignung und danach Aussiedlung beachtliches an Hab und Gut verloren haben.
Dennoch: Die Nachkommen der Familie Czell, heißt es in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien, stellen Ansprüche auf Teile der Kronstädter Bierbrauerei "Aurora" und auf das Anwesen in der Klostergasse 28, die Erben der Familie Seewald fordern eine Teilrückgabe des heutigen Mühlen- und Brotunternehmens "Postavarul", während sich die Nachlassverwalter der einstigen Schiel-Fabrik (heute "Hidromecanica") mit einer Entschädigung für Gebäude und Aktien in Höhe von fünf Milliarden Lei zufrieden geben wollen. In der Stadt am Zibin sind es vorerst Nachkommen von Michael Gromen d.Ä., die in Heltau für die Teppichfabrik und die Seiden- sowie Wollspinnerei, aber auch in Hermannstadt für die heutige Stofffabrik "Libertatea" und mehrere Immobilien sowie Grundstücke bereits Gesuche hinterlegt haben, ansonsten sorgten in den Hermannstädter Medien für Schlagzeilen vorerst nur Ansprüche auf Häuserrückgabe.
Wie in der großen so auch in der kleinen sächsischen Welt stoßen bei der Angelegenheit Interessen aufeinander. Die bekannte Hermannstädter "Wörterbuchstelle", das derzeitige Forschungsinstitut der Akademie, "ist gegenwärtig akut gefährdet", heißt es im Informationsblatt Nr. 27 des Hauses, das immerhin seit seiner Gründung vor 50 Jahren rund 60 Bände allein in deutscher Sprache und 50 Jahrgänge der Forschungen zur Volks- und Landeskunde herausgegeben hat. 1990 in das Gebäude in die ehemaligen Schneidmühlgasse übersiedelt und dies per Regierungserlass 1998 in Verwaltung übernommen, steht nun das Institut möglicherweise vor einem weiteren Umzug. In erster Instanz haben nämlich die rechtlichen Erben aus sächsischem Hause die Rückgabe erwirkt, die Forschungsstelle hat allerdings dagegen Einspruch erhoben. Die Geschichte dieses Anwesens, detailliert mit Um- und Neubauten der letzten Jahre im Infoblatt dargestellt, zeigt, wie schwierig es in vielen Fällen für Gerichte und Behörden sein wird, die Rückgabe vor Entschädigung oder umgekehrt zu befürworten. Knapp 40 000 solcher Gesuche liegen übrigens landesweit bereits auf, allein in Bukarest sollen es knapp 15 000 sein, aber nur einige Hundert davon wurden bislang erledigt.

Martin Ohnweiler


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 14 vom 15. September 2001, Seite 6)

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