31. Mai 2005

Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl: "Solidarität, Partnerschaft, Zusammenarbeit"

Nach außen wollen die Siebenbürger Sachsen sich stärker in ihrem neuen gesellschaftlichen Umfeld engagieren und beispielsweise Partnerschaften auch zu Ortschaften in Siebenbürgen anbahnen. Aber auch nach innen sind die siebenbürgischen Einrichtungen willens, ihre Zusammenarbeit zu optimieren und ihre Arbeit durch einen besseren Informationsfluss für die Mitglieder deutlich zu machen. Diese große Bandbreite an Gedanken kam bei der Podiumsdiskussion zum Thema "Solidarität, Partnerschaft, Zusammenarbeit" am Pfingstmontag zum Abschluss des Heimattages der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl zur Sprache.
Eine Diskussionsrunde mit prominenten Vertretern der siebenbürgischen Einrichtungen und der Stadt Dinkelsbühl konnte Rainer Lehni, stellvertretender Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und Bundesjugendleiter der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland, im Kleinen Schrannensaal begrüßen. Das Motto des Heimattages "Tiefen überwinden - Brücken bauen" brachte er in Bezug zur Podiumsdiskussion: "Die weltweite Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen hat ihre Tiefen überwunden, sie will nun Brückenbauer zwischen alter und neuer Heimat, aber auch untereinander sein. Dies fordert von uns allen ‚Solidarität, Partnerschaft, Zusammenarbeit'".

Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl, von links nach rechts: Manfred Schuller, Gustav Weber, Dr. Christoph Machat, Rainer Lehni, Johann Schuller, Dr. Paul Jürgen Porr und Michael Konnerth. Foto: Petra Reiner
Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl, von links nach rechts: Manfred Schuller, Gustav Weber, Dr. Christoph Machat, Rainer Lehni, Johann Schuller, Dr. Paul Jürgen Porr und Michael Konnerth. Foto: Petra Reiner


Die am Podium vertretenen Organisationen hätten allesamt als wichtigstes Ziel den Erhalt der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen, das sie in ihrem jeweiligen Bereich (politisch, kulturell, sozialen, geistlich) zu erreichen versuchten, sagte Lehni. Die Gründer hätten die Landsmannschaft als eine Solidargemeinschaft gesehen, "die sich der Aufgabe widmen sollte die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen nach dem Krieg in Deutschland in einer sozialen und kulturellen Tradition weiterzuführen". Durch seine Mitgliederstärke sei der Verband als politische Vertretung der Siebenbürger Sachsen geradezu prädestiniert. Ihm sei es zu verdanken, dass wir als Vetriebene und Aussiedler rechtlich, wirtschaftlich und sozial in Deutschland eingliedert sind, betonte der Bundesjugendleiter. Zudem würdigte er das Wirken des Sozialwerks, das seit 1990 rund zehn Millionen Euro an humanitären und sozialen Hilfen in Form von Lebensmitteln, Medikamenten, Kleidung nach Siebenbürgen geleistet habe.

Vision für landsmannschaftliches Wirken

Johann Schuller nahm an der Diskussion in seiner Eigenschaft als Stadtrat und Sozialreferent der Stadt Dinkelsbühl teil. Aus Sicht der Kommunen sollten die drei behandelten Themen in folgender Reihenfolge stehen: Solidarität, Zusammenarbeit und Partnerschaft. Viele Städte und Gemeinden hätten sich nach dem Krieg solidarisch gezeigt mit den Vertriebenen, Flüchtlingen und Aussiedlern und später mit ihnen beim Erhalt ihres kulturelles Erbes zusammengearbeitet. Als weiterer Schritt seien Städtepartnerschaften entstanden. Es sei es wichtig, so Schuller weiter, "dass wir uns als Neubürger in einer Gemeinde bzw. Stadt einbringen und auch auf allen Ebenen mitarbeiten. Dadurch entsteht Akzeptanz und Aufgeschlossenheit auch für unsere Anliegen". Nach der Wende richte sich der Blick für Partnerschaften nach Osteuropa. Verantwortliche der Kreisgruppen und Heimatortsgemeinschaften könnten sich beim Zustandekommen solcher Partnerschaften engagieren, regte Schuller an, der auch Organisationsreferent im Bundesvorstand der Landsmannschaft ist. "Mit einer solchen Vision geben wir auch unserer landsmannschaftlichen Arbeit einen neuen Stellenwert und somit eine nachhaltige Akzeptanz."

Auf die exzellente Zusammenarbeit der Siebenbürger Sachsen in Rahmen der Föderation der Siebenbürger Sachsen ging der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, Dr. Paul Jürgen Porr, ein. Durch den vom Bundesvorsitzenden V. Dürr bewirkten Beitritt des Forums zu diesem weltweiten Dachverband im Jahr 1993 seien gegenseitige Vorurteile abgebaut und ein fruchtbarer Kultur- und Jugendaustuasch praktiziert worden. Bei politischen Spitzengesprächen zwischen Deutschland und Rumänien stimmten sich Forum und Landsmannschaft stets über die Belange der deutschen Minderheiten ab. So sei es gelungen, das geplante Dracula-Projekt auf der Schäßburger Breite zu verhindern, ebenso setze man sich gemeinsam für den Erhalt der Kultureinrichtungen in Gundelsheim ein. Auch im sozialen Bereich (Altenheime, Einzelhilfen) arbeite man hervorragend zusammen, betonte Porr.

Dass die Solidarität und Partnerschaft unter den Siebenbürger Sachsen auch heute funktioniere, zeige die in diesem Jahr begründete Patenschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich für Nordsiebenbürgen, sagte Manfred Schuller, Jugendsprecher des Bundesverbandes der Siebenbürgen Sachsen in Östereich. Als gemeinsames Ziel der siebenbürgischen Vereine bezeichnete Schuller die Pflege des Kulturerbes und des Brauchtums. In Österreich habe man ein "siebenbürgisches Nationalteam" gegründet, eine vereinigte siebenbürgische Tanzgruppe mit derzeit 26 Mitgliedern, die im kommenden Herbst am Volkstanzwettbewerb der siebenbürgischen Jugend in Drabenderhöhe teilnehmen wird.

Ein wichtiges Ziel des Hilfskomitees sei die kirchliche Integration der Landsleute in der neuen Heimat, sagte Gustav Weber, stellvertretender Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD. Diese Eingliedeung sei noch nicht abgeschlossen und müsse fortgeführt werden. Fortsetzen will man gleichfalls die Unterstützung der Heimatkirche. Viele Partnerschaften zwischen evangelischen Kirchengemeinden in Deutschland und Siebenbürgen seien von Landsleuten angeregt worden, betonte Weber.

Die Heimatortsgemeinschaften pflegen den Zusammenhalt sowohl zwischen den Landsleuten in Deutschland als auch zu jenen in Siebenbürgen, erklärte Michael Konnerth, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften. "Genauso wie die evangelische Heimatkirche und die Landsmannschaft fühlen sich die HOGs dem geistigen und materiellen Erbe der Väter verpflichtet und helfen - angesichts der Not in Rumänien - unseren dort lebenden Siebenbürger Sachsen." Zudem sei man zu besonderen Opfern zum Erhalt der dortigen Gotteshäuser und Friedhöfe bereit. Es bleibe allerdings den Gremien der Heimatkirche überlassen zu entscheiden, "ob, wie und wann sich die Heimatortsgemeinschaften in ihre jeweilige Heimatgemeinde einschalten und dort zum Beispiel Instandsetzungsarbeiten durchführen dürfen".

Noch viel zu tun beim Erhalt des Kulturerbes

"Solidarität alleine bringt nichts, Partnerschaft hingegen verpflichtet beide Seiten", erklärte Dr. Christoph Machat, Vorsitzender des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrates. Deshalb habe der Kulturrat das von der Bundesregierung geförderte Dokumentationsprojekt siebenbürgisch-sächsischer Kulturgüter in den neunziger Jahren selbst durchgeführt. Dadurch hätten sich alle Mitgliedsvereine dieses kulturellen Dachverbandes der Siebenbürger Sachsen diesem Vorhaben verpflichtet gefühlt. Mehr als 30 rumänische Mitarbeiter seien vor Ort geschult worden, die sich seither mit der siebenbürgisch-sächsischen Kultur identifizieren. Das Projekt sei im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der deutschen ICOMOS und der rumänischen Denkmalkommission abgewickelt worden, eine Initiative, die von Dr. Machat ausgegangen war. Beim Erhalt von Kirchen und Gemeinschaftsgebäuden sei noch viel zu tun, betonte der Denkmalpfleger. Den Heimatortsgemeinschaften wolle er gerne behilflich sein, die Kontakte zur Heimatkirche und den rumänischen Behörden zu ebnen, damit ihre Mittel zum Erhalt der Kulturdenkmäler sinnvoll eingesetzt werden.

In der darauf folgenden Aussprachen wurden interessante Beiträge aus dem Publikum beigesteuert, von denen hier beispielhaft zwei erwähnt werden. Für Pfarrer i.R. Kurt Franchy, ehemaliger Vorsitzender des Hilfskomitees, sind Versöhnung und Vergebung eine notwendige Voraussetzung, um sich für die Heimatgemeinden in Siebenbürgen einzusetzen. Die Siebenbürger Sachsen hätten Wunden erfahren, und es sei wichtig, dass sie alte Ressentiments ablegten, um ihre Verbundenheit zur Heimatgemeinde zum Tragen zu bringen: "Partnerschaft und Ökumene sind heute angesagt, damit unser Kulturgut bewahrt werden kann", sagte Pfarrer Franchy.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Bischof D. Dr. Christoph Klein die Diskussion. Der Sachsenbischof freute sich über die vielen guten Partner und äußerte die Hoffnung, dass die Zusammenarbeit der siebenbürgischen Einrichtungen weiter wachsen werde. Er erklärte, dass die Heimatkirche alle Initiativen siebenbürgischen Vereinen und Verbänden in Siebenbürgen und darüber hinaus gerne unterstütze.

Schlusswort des Bundesvorsitzenden

In seinem Schlusswort zum Heimattag nahm der Bundesvorsitzende Volker E. Dürr Stellung zur Podiumsdiskussion. Die Gespräche hätten gezeigt, dass die Mitglieder aller siebenbürgischen Organisationen sich einer offenen Diskussion stellten. Dürr schilderte, wie auch er anhand konkreter Aufgaben hineingewachsen sei in die landsmannschaftliche Arbeit, wie er sein Wissen als Architekt und Städtebauer ehrenamtlich eingebracht und die Eingliederung seiner Landsleute in Drabenderhöhe erlebt hatte. "Die Eingliederung vor Ort ist die Arbeit, die wir auch heute tun müssen", betonte der Bundesvorsitzende. Es sei wichtig, die Informationen nach innen zu optimieren, so dass die Arbeit der verschiedenen Einrichtungen für die Mitglieder deutlich gemacht werde, wie mehrere Teilnehmer aus dem Publikum gefordert hatten. Diesbezüglich wies Dürr auf die breite Information über alle gemeinsamen Arbeitsschwerpunkte und Organisationsstrukturen in der Siebenbürgischen Zeitung und auf der Internetplattform der Landsmannschaft unter www.siebenbuerger.de hin. Der Bundesvorsitzende begrüßte die Gründung der Heimatortsgemeinschaft Bistritz, die am Pfingstsamstag im Rahmen des Heimattages erfolgt war. Auch andere Initiativen seien willkommen, weil die "kulturelle und soziale Zusammenarbeit" von der Basis, "von unten", kommen müsse.

"Wir brauchen politische Lobbyarbeit" unseres landsmannschaftlichen Verbandes, für die Existenzsicherung von Bibliothek und Archiv im Siebenbürgischen Kulturzentrum in Gundelsheim, betonte Volker Dürr. Es sei gelungen, das Siebenbürgische Museum am Standort Gundelsheim zu erhalten. Lobbyarbeit sei aber auch für den Kulturrat nötig, und deshalb rief der Bundesvorsitzende deren Mitglieder auf, an einem Strang und in eine Richtung zu ziehen. "Lassen Sie uns wenige, gemeinsame Projekte initiieren und umsetzen und davon wird unsere siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft zusammenwachsen."

Der Bundesvorsitzende dankte der Stadt Dinkelsbühl, dass sie auch in diesem Jahr ihre Stadttore für uns geöffnet habe, und Johann Schuller für seinen Einsatz, damit die Partnerschaft zwischen der Landsmannschaft und der Stadt Dinkelsbühl tragfähig bleibe und weiterhin wachse. Er verabschiedete sich von den Podiumdiskussionsteilnehmern mit dem Zuruf: "Auf Wiedersehen im nächsten Jahr in Dinkelsbühl."

Siegbert Bruss

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