13. Juni 2005

Kulturzentrum von europäischer Bedeutung

Ihr 50-jähriges Jubiläum feierte die Siebenbürgische Bibliothek mit angeschlossenem Archiv am 28. Mai in Gundelsheim am Neckar. Deren Bedeutung wurde in zahlreichen Grußworten gewürdigt (diese Zeitung berichtete). Gemeinsam werden die Einrichtungen des siebenbürgischen Kulturzentrums in den öffentlichen Raum der Stadt Gundelsheimund weit darüber hinaus heraustreten. So soll auf Vorschlag des Trägervereins Siebenbürgisches Museum, der eine Woche zuvor, am 21. Mai, ebenfalls in Gundelsheim tagte, ein „Historischer Pfad“ angelegt werden, der am Bahnhof beginnt und bis zum Schloss Horneck führt. Der Weg macht nicht nur das kulturelle und touristische Potential der Deutschordenstadt sichtbar, sondern auch die Präsenz der Siebenbürger Sachsen seit 1945 in Deutschland im Allgemeinen und die ihrer Einrichtungen in Gundelsheim im Besonderen.
Das 50-jährige Jubiläum der Siebenbürgischen Bibiothek ist Anlass für diese Zeitung, streiflichtartig auf die gemeinsame Geschichte und die aktuelle Lage der Einrichtungen auf Schloss Horneck einzugehen. Wie berichtet, eröffnete das Siebenbürgische Museum am 8. Januar 2005 neue Verwaltungsräume mit Museumsdepot im Alten Rathaus zu Gundelsheim am Neckar. Das Gebäude befindet sich in der Schlossstraße 28, in der Nähe von Schloss Horneck. In den letzten Jahren ist es gelungen, das Museum als unabhängige Institution zu bewahren. Durch politische Verhandlungen in Berlin konnte der Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr, und stellvertretenden Vorsitzenden des Fördervereins Siebenbürgisches Museum, verhindern, dass das in fünf Jahrzehnten von unseren Landsleuten geschaffene siebenbürgische Kulturzentrum in Gundelsheim "zerschlagen" und das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim nach Ulm verlagert wird. Das Museum kann sogar mit Untersützung der Bundeskulturbeauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Dr. Christina Weiss, weiter ausgebaut werden. Museum, Bibliothek, Archiv und Forschungsstelle bleiben demnach als Einheit in Gundelsheim erhalten.

Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar beherbergt seit über vier Jahrzehnten die zentralen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen: das Siebenbürgische Museum und die Siebenbürgische Bibliothek mit Archiv. Foto: Marius J. Tataru
Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar beherbergt seit über vier Jahrzehnten die zentralen Kultureinrichtungen der Siebenbürger Sachsen: das Siebenbürgische Museum und die Siebenbürgische Bibliothek mit Archiv. Foto: Marius J. Tataru

Von dieser stabilen Basis ausgehend, könne das Museum nun seiner langfristig angelegten Forschungs- und Kulturarbeit nachkommen, betonte die Volkskundlerin Dr. Irmgard Sedler, Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum, im Gespräch mit der Siebenbürgischen Zeitung. Als eine der ersten Maßnahmen wolle man die siebenbürgischen Einrichtungen im Kulturbewusstsein der Region verankern und einen "Historischen Pfad anlegen" - zusammen mit der Stadt Gundelsheim, die dem konkreten Verlauf des Pfades noch zustimmen muss. Zudem schlägt das Museum weiterhin Brücken nach Siebenbürgen und plant neben Kooperationen innerhalb Deutschlands auch grenzüberschreitende Projekte. Derzeit wird an einer Gemeinschaftsausstellung mit dem ASTRA-Nationalmuseum in Hermannstadt gearbeitet.

Eine Stele des "Historischen Pfades" soll vor dem Alten Rauthaus aufgestellt werden, wo jetzt die Verwaltungsräume und Depots des Siebenbürgischen Museums befinden. Die Inschrift wird auf die Sammlungsbestände und kulturellen Schätze hinweisen, die dort gelagert sind. Weitere Stelen werden vor dem nahe gelegenen Gebäude des Siebenbürgen-Instituts (Schlossstraße 41), im Museum und auf Schloss Horneck stehen. Das Konzept des "Historischen Pfades" wurde auf der jüngsten Sitzung des Trägervereines des Siebenbürgischen Museums vorgestellt. Zudem beschloss der Museumsverein, der Dauerausstellung auf Schloss Horneck mehr Tiefe zu verleihen und in einzelnen Punkten zu erneuern. Noch in diesem Jahr wird ein Raum zum Thema "Rituale der Gemeinschaftslebens - Die Nachbarschaften" in Angriff genommen (Mehr dazu in einem separaten Bericht in dieser Zeitung).

Der museale Grundstein wurde bereits 1961 mit den privaten Sammlungen von Lore Connerth-Seraphin und Luise Treiber-Netoliczka sowie der vom Institut für Auslandsbeziehungen Stuttgart überlassenen Nordsiebenbürgischen Bauernstube gelegt. Der "Honterus"-Verein stellte die Räumlichkeiten auf Schloss Horneck großzügig zur Verfügung - bis heute zahlt das Museum nur anfallende Nebenkosten und eine symbolische Miete. 1968 wurde ebenda das Heimatmuseum der Stadt Gundelsheim und der Siebenbürger Sachsen offiziell eröffnet. Der Trägerverein "Siebenbürgisches Museum" wurde 1973 von der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, dem Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland, dem Hilfsverein der Siebenbürger Sachsen "Johannes Honterus" und dem Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde gegründet. Laut Satzung sammelt der Museumsverein siebenbürgisches Kulturgut, bewahrt und erforscht es für kommenden Generationen und präsentiert die Sammelobjekte. Unzählige Personen und Institutionen haben über Jahrzehnte hinweg ihre Schätze an das Museum, aber auch an die Bibliothek und das Archiv übereignet, so dass sich heute in Gundelsheim ein kulturhistorischer Schatz von europäischer Bedeutung befindet. Eine wahre Fundgrube für Forscher und Interessenten auch auf.

Ebenfalls aus bescheidenen Anfängen hat sich die Siebenbürgische Bibiothek zur größten Fachbibliothek außerhalb Siebenbürgens entwickelt und nimmt heute mit einem Bestand von rund 70 000 Einheiten den Rang einer Nationalbibliothek ein. Die ersten Bestände der Bibliothek waren Leihgaben des Gustav-Adolf-Vereins. Rund 500 Titel zählte die Transylvanica-Sammlung 1955 und war zunächst im Siebenbürgerheim in Rimsting am Chiemsee untergebracht. 1963 wurde die auf 850 Titel angewachsene Bücherei in das Heimathaus Siebenbürgen auf Schloss Horneck in Gundelsheim transferiert. Hier gewährt ihr seither der Hilfsverein Johannes Honterus Gastrecht, 1966 erfolgte eine größere Zustiftung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, 1973 eine Gabe des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Wien.

Träger der Bibliothek waren ursprünglich drei der ältesten Vereine der Siebenbürger Sachsen in Deutschland: der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde, das Hilfskomitee und die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. Eine Zusammenarbeit vereinbarten die drei Vereine 1967 in einer schriftlichen Erklärung. Darin wurde die "Siebenbürgische Bibliothek" als ein Gemeinschaftswerk der Siebenbürger Sachsen in Deutschland bezeichnet, das "zu einer Sammelstelle des gesamten Schrifttums über Siebenbürgen und aus Siebenbürgen und (zu) einer zentralen wissenschaftlichen Arbeitsstelle für dieses Sachgebiet ausgebaut werden soll. (...) Die wissenschaftliche und bibliothekarische Arbeit - auch in Ergänzung der Bestände - übernimmt der Arbeitskreis. Die angekauften Werke und Inventargegenstände bleiben Bestandteil der gemeinsamen und unteilbaren Bücherei." Landsmannschaft, Hilfskomitee und Landeskundeverein bilden mit weiteren wichtigen Verbänden und Institutionen den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat, der sich für die Bewahrung unseres kulturellen Erbes und die Erweiterung des Wissens darüber einsetzt. Der Kulturrat ist seit 2003 Träger der Siebenbürgischen Bibliothek.

Der strenge Sparkurs der Bundes- und Landesregierungen hat dazu geführt, dass die Forschungstätigkeit auf Schloss Horneck in den letzten Jahren zum Teil zurückgefahren werden musste. Dass sich die Siebenbürger Sachsen in hohem Maße mit Gundelsheim identifizieren, haben sie durch die zahlreichen Spenden gezeigt, die sie aufgrund von Aufrufen in dieser Zeitung den Kultureinrichtungen zukommen ließen. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass Bund und Länder den Forschungsbetrieb in Gundelsheim, der seit Jahrzehnten den Brückenschlag nach Südosteuropa praktiziert, wieder stärker fördern werden.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 9 vom 15. Juni 2005, Leitartikel)

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