31. Juli 2000

Bewahrer und Förderer

Am 15. Juli 2000 ist der aus dem siebenbürgischen Kronstadt stammende Buchhändler, Büchermacher und Kulturhistoriker Hans Meschendorfer im 88. Lebensjahr gestorben. Die in seiner Münchner Verlagsbuchhandlung erschienenen Veröffentlichungen haben Jahrzehnte lang das Geistesleben der Siebenbürger Sachsen in Deutschland und dem Herkunftsgebiet mitgeprägt. Als Verfasser kulturgeschichtlicher Schriften hat sich Meschendörfer zudem um das gruppeneigene historische Erbe verdient gemacht.
Als Sohn eines Bücherfreunds und Neffe des siebenbürgisch-deutschen Schriftstellers Adolf Meschendörfer am 23. September 1911 in Kronstadt geboren, verschrieb er sich von frühester Jugend an der „Welt der Bücher“, von der Hermann Hesse einmal gesagt hat, sie sei das Größte von allem, was „der Mensch nicht von der Natur geschenkt bekam, sondern sich aus eigenem Geist geschaffen hat“. Bevor Hans Meschendörfer als Jungunternehmer seine „Bücherstube“ Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts an der Ecke Purzengasse/Michael-Weiß-Gasse in seiner Geburtstadt eröffnete, hatte er sich schon in eifrigen Lehrjahren bei den Gebrüdern Zeidner in Kronstadt, danach in Leipzig, Paris und zuletzt in der Buchhandlung Gräfe und Unzer zu Königsberg, wo schon Kant in seinen Jugendjahren Lehrling gewesen war, dem Gegenstand Buch angenähert, der ihn ein Leben lang als Objekt andauernden Hingabe begleiten sollte. Das erste Produkt, das der junge Geschäftsmann danach in eigener Regie zum Verkauf herausbrachte, war, neben einer Mappe mit Zeichnungen von Fritz Kimm, der Nachdruck der 1532 vom Humanisten und Reformator Johannes Honterus eigenhändig geschnittenen, ältesten detaillierten Karte von „Sybembürgen“. Damit erwies sich der kaum Zwanzigjährige als das, was er bis zu seinem Tode bleiben sollte: aufmerksamer Bewahrer und fördernder Multiplikator geistiger Werte und kulturellen Erbguts seines siebenbürgischen Heimat.
Diese nicht immer nutzbringende Einstellung bestimmte nach dem Zweiten Weltkrieg auch das Geschäftsgebaren in der „Versand- und Verlagsbuchhandlung Hans Meschendörfer“, die er in München seit 1954 unterhielt und aus der nicht nur wertvolle Editionen, so die der Haltrichschen Märchen nebst dem Briefwechsel des Schäßburger Sammlers mit den großen Wilhelm und Jakob Grimm, der Neudruck der beliebten Sigerus-Mappe mit sächsischen Stickmustern, der „Alten Reisebücher aus dem Lande der Siebenbürger Sachsen“ oder, als letzte der landeskundlich wertvollen Unternehmungen dieses Verlags, der Faksimile-Reprint des siebenbürgisch-sächsischen „Eigen-Landrechts“, hervorgingen, sondern aus der auch, während den schweren und schwierigen Jahren der kommunistischen Diktatur im Herkunftsgebiet, tonnenweise Bücher nach Siebenbürgen verschickt wurden, die für die dortigen Landsleute Fenster waren zur Freiheit und rettende Lebenshilfe zugleich.
Hier, in Deutschland, hat Meschendörfer Unschätzbares für die Bewahrung des heimatlichen Kulturerbes und seiner Verbreitung in der Öffentlichkeit getan: als Mitbegründer des Vereins Neue Kronstädter Zeitung, als beratender Mitarbeiter des Siebenbürgischen Museums und der Siebenbürgischen Bibliothek in Gundelsheim, nicht zuletzt auch der Siebenbürgischen Zeitung, als Mitinitiator der denkwürdigen Transylvanica-Ausstellung, die von der Münchner Staatsbibliothek im Herbst 1991 veranstaltet wurde und deren Katalog er verfasste, oder als Autor mehrerer wertvoller Schriften und Bücher zur siebenbürgischen Kultur- und Verlagsgeschichte.
Als ihm für seine außergewöhnlichen Verdienste 1984 der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturpreis verliehen wurde, dankte der in Dinkelsbühl Gefeierte in einer knappen, keineswegs selbstdarstellerischen Rede und gab in der ihn kennzeichnenden, noblen Bescheidenheit dem Preisgericht der Verleiher bekannt: „Das Gefühl des Dankes ist um so größer, als ich mit den Vorgängern dieser Auszeichnung weder verglichen noch an ihnen gemessen werden kann. Ich bin weder schöpferischer Gestalter noch bildnerisch Schaffender oder wissenschaftlicher Forscher. Wenn Sie mich trotzdem des Preises für würdig halten, kann ich das nur so verstehen, dass Sie in mir eine der Randfiguren ehren wollen, die dem sächsischen Geistesleben dienten.“
Dem darf und muss widersprochen werden: Als Initiator und Ideengeber in siebenbürgischen Vereinen und Einrichtungen, einschließlich der Landsmannschaft, hat Hans Meschendörfer zu wiederholten Malen schöpferisch gewirkt, und auch als „wissenschaftlicher Forscher“ hat er durchaus Beachtliches und Bleibendes hervorgebracht. Sein 1979 im Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks erschienenes Grundlagenwerk „Das Verlagswesen der Siebenbürger Sachsen. Ein Überblick“ ist eine Standardschrift, ohne die heute kein Erforscher der Kulturgeschichte Siebenbürgens auskommen kann.
Bis wenige Tage vor seinem plötzlichen Tod hat Meschendörfer noch an den Fußnoten zu seinem letzten Buch gearbeitet. In dem abgeschlossen hinterlassenen Manuskript, das der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde noch in diesem Jahr zu Ehren des Verstorbenen herausbringen will, geht dieser den Trägern des Namens „Siebenbürger“ nach, die in der mittelalterlichen Kulturgeschichte Europas, als der Nachname nicht selten die Herkunft seines Trägers bezeichnete, zu Verdiensten, gar zu Ruhm gelangt sind. Auch hier tritt der Autor bescheiden, ähnlich wie in seiner im Haus des Deutschen Ostens 1995 in München herausgebrachten Schrift „Münchner in Siebenbürgen – Siebenbürger in München“, hinter den Gegenstand seiner akribischen Recherche zurück. Nicht ist es diesem Manne darin um sich selbst gegangen, sondern um die Sache, um Leistungen, die außerhalb der eigenen Person gelegen haben.
Sollten dennoch einmal in späterer Zeit seine vielfältigen Bemühungen um das Aufdecken und die Würdigung von Leistungen der Vorläufer fortgesetzt und durch Nachkommen öffentlich gemacht werden, dann wird Hans Meschendörfer seinen verdienten Platz in der Reihe derer haben, die mit vorbehaltloser Anerkennung zu nennen sind. Nun, da sein tätiges Wirken der Vergangenheit angehört, ist seine Hinterlassenschaft Auftrag und Verpflichtung für alle, die Siebenbürgen, seiner Landeskunde, seiner Kulturgeschichte und deren Erinnerung zu dienen gedenken und sich dabei an seinem Vorbild zu messen haben.

Hannes Schuster

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