22. Juli 2005

Einsatz, der sich gelohnt hat

Der seit Ende 2004 amtierende Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hans-Peter Kemper, hat vom 4. bis 7. Juli 2005 erstmals Rumänien besucht. Der Aussiedlerbeauftragte bekräftigte die Verantwortung der Bundesregierung für die deutsche Minderheit in Rumänien. Zur Delegation gehörte der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Dipl.-Ing. Volker Dürr. "Die frühzeitige Hilfe und die Projektkonzepte haben sich in Siebenbürgen an vielen Stellen und Initiativen als notwendig und sehr nützlich erwiesen", erklärte Dürr gegenüber dieser Zeitung.
In politischen Gesprächen in Hermannstadt, Mediasch und Temeswar thematisierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Kemper die Rückgabe des Gemeinschaftseigentums und der kulturellen Güter an die deutsche Minderheit in Rumänien. Landesweit sind 67 Anträge auf Rückgabe von deutschen Gemeinschaftseigentum beim Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien in Hermannstadt eingegangen, die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien hat ihrerseits 681 Anträge auf Rückgabe kirchlichen Eigentums eingereicht. Die Restitution verläuft jedoch schleppend. So befinden sich die aus dem Brukenthalmuseum ausgelagerten Sammelbestände noch immer in Bukarest. Kirche und Forum sind bereit, das enteignete Eigentum wieder zu übernehmen und - in Verträgen mit der rumänischen Regierung - den Betrieb und die Bewirtschaftung dieser Einrichtungen zu gewährleisten. Bundesvorsitzender Volker Dürr berichtet gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung: "Da gibt es noch erhebliche Defizite, und Präfekt Ion Ariton hat zugesagt, dass er sich persönlich bemühen wolle, um Zeichen bei der Rückgabe an die Siebenbürger Sachsen zu setzen. Die Rückgabe soll modellhaft erfolgen, damit unsere Landsleute wieder eigenständig wirtschaften können und wieder Strukturen schaffen, die ihnen zur Unabhängigkeit von ausländischer Förderung verhelfen."

Aussiedlerbeauftragter Hans-Peter Kemper (rechts) und Bundesvorsitzender Volker Dürr (links) führten Gespräche mit dem Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien.
Aussiedlerbeauftragter Hans-Peter Kemper (rechts) und Bundesvorsitzender Volker Dürr (links) führten Gespräche mit dem Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien.

Die Bundesregierung gehe von einem EU-Beitritt Rumäniens im Jahr 2007 aus, sagte Kemper. Allerdings bestünden noch Probleme bei der Sicherung der künftigen EU-Außengrenze, bei der Bekämpfung von Korruption und von Kriminalität, im Bereich der Justiz und des Wettbewerbsrechts. Sollten schwerwiegende Mängel bestehen, könne der Beitritt um ein Jahr verschoben werden. Zudem wies der Aussiedlerbeauftragte auf die Notwendigkeit eines gesetzlich verankerten Minderheitenschutzes in Rumänien hin. Die Bundesregierung werde das Reformland bei der Aufarbeitung der Hürden im Hinblick auf die EU-Aufnahme unterstützen, erklärte Kemper.

Besonders beeindruckt zeigte sich der SPD-Politiker von dem Engagement von Bürgermeister Klaus Johannis für Hermannstadt als Kooperationspartner mit Luxemburg zum Projekt "Europäische Kulturhauptstadt 2007" und von der Bewerbung der Altstadt von Hermannstadt zur Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbeliste. Er machte zugleich deutlich, dass die Anerkennung auch mit der Verpflichtung des Landes verbunden sei, sich nach Europa zu öffnen. "Hermannstadt rückt 2007 in das Licht der europäischen Öffentlichkeit, die auch die von der EU geforderte Erfüllung der Aufnahmebedingungen überprüfen wird: Wo steht die Region heute im europäischen Vergleich, wie geht sie mit ihren Bürgern und Minderheiten um, wie wurde die Rückgabe des im Kommunismus enteigneten Gemeinschaftseigentums umgesetzt?", berichtet Volker Dürr weiter.

Am 5. Juli wurden in Hermannstadt Gespräche mit Bürgermeister Klaus Johannis, der zugleich Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien ist, dem Präfekten des Kreises Hermannstadt, Ion Ariton, sowie dem Bischof der Evangelischen Kirche D. Dr. Christoph Klein geführt. Des Weiteren wurden Projekte besichtigt, die aus bundesdeutschen Mitteln gefördert werden: das Begegnungszentrum "Friedrich Teutsch" und das "Dr. Carl Wolff"- Alten- und Pflegeheim in Hermannstadt sowie das "Johannes Honterus"-Begegnungszentrum in Mediasch. Die Delegation wurde in der Kokelstadt von Bürgermeister Daniel Thellmann empfangen, im Schullerhaus wurde mit Vertretern des "Zentrums für Lehrerfortbildung in deutscher Sprache" die Situation des deutschsprachigen Unterrichts erörtert.

Es sei ein besonderes Anliegen der Bundesregierung und ihres Aussiedlerbeauftragten Hans-Peter Kemper gewesen, "nicht nur den Bundesvorsitzenden mitzunehmen, sondern auch durch diese Mitnahme und die Einbeziehung in die Gespräche deutlich zu machen, welche Leistungen insbesondere die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen erbracht habe und weiterhin erbringe bei der Hilfestellung für die in Rumänien verbliebene deutsche Minderheit, aber auch für den Beitritt und das Zusammenwirken in einem gemeinsamen Europa", berichtet der Bundesvorsitzende weiter. Was in den letzten 15 Jahren geleistet worden sei, werde nicht nur von unseren Landsleuten, sondern auch ihren Mitbürgern anerkannt. Das spiegele sich auch in den jüngsten Kommunalwahlergebnissen in Rumänien wieder. Auf kommunaler Ebene stellt das Forum seit dem letzten Jahr landesweit neun Bürgermeister, 99 Gemeinde- und Stadträte sowie einen Kreisratsvorsitzenden und elf Kreisräte.

Die Siebenbürgenhilfe in Zahlen

Das Sozialwerk der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen unterstützt die in Siebenbürgen lebenden Landsleute, vor allem die Alten, Kranken und Bedürftigen mit erheblichen Mitteln. Von 1990 bis 2005 leistete das Sozialwerk Hilfsmaßnahmen im Wert von insgesamt 8,2 Millionen Euro. Die Mittel wurden zum Teil von der Bundesregierung finanziert, und zwar in den Jahren 1990/1991 zu 58,5 %. In den Jahren 1992 bis 2005 sank der Anteil der BMI-Mittel auf 24,3 Prozent. Die Eigenleistungen des Sozialwerks der Landsmannschaft betrugen seit 1990 im Durchschnitt 70-72 Prozent der Gesamtleitung pro Jahr. Die effiziente Einzelbetreuung ist nur dank der guten Zusammenarbeit mit der Saxonia-Stiftung in Kronstadt möglich. Die Stiftung wurde 1992 durch das Sozialwerk gegründet und entwickelte sich zum Bindeglied zwischen dem Sozialwerk und vielen anderen Hilfsorganisationen in Deutschland und Österreich sowie den betreuungsbedürftigen Einrichtungen und Personen in Siebenbürgen.

Einen weiteren Schwerpunkt setzt das Sozialwerk in der Betreuung der in den letzten 16 Jahren in Siebenbürgen entstandenen sächsischen Altenheime. Das Alten- und Pflegeheim "Dr. Carl Wolff" in Hermannstadt wird regelmäßig mit Medikamenten und Pflegematerial unterstützt. Dank einer großzügigen Spende der Max-Kade-Stiftung aus Amerika an das Sozialwerk wurde das Altenheim Schweischer 1991-1992 wesentlich ausgebaut. Mit Gesamtkosten in Höhe von 107 000 Euro wurde ebenfalls in Schweischer 1999 ein Erweiterungsbau fertiggestellt und in Betrieb genommen. Seit 1989 wurden mit weiteren 90 000 Euro auch andere Pflege- und Altenheime gefördert, zum Beispiel die seit vielen Jahren funktionierende Pflegestation Blumenau in Kronstadt und die Pflegestation in Schäßburg. In 2001 wurde das Altenheim "Blumenau" in Kronstadt und in 2002 das "Elimheim" in Michelsberg mit beachtlichen Spenden aus den USA unterstützt. Alle diese Leistungen des Sozialwerks waren nur möglich durch die freiwilligen Spenden unserer Landsleute vor allem aus Deutschland, aber auch aus Amerika und Kanada.

Aussiedlerbeauftragter Hans-Peter Kemper (links) und Bundesvorsitzender Volker Dürr (rechts) zu Besuch beim Mediascher Bürgermeister Daniel Thellmann.
Aussiedlerbeauftragter Hans-Peter Kemper (links) und Bundesvorsitzender Volker Dürr (rechts) zu Besuch beim Mediascher Bürgermeister Daniel Thellmann.

Schon im Juni 1990 hatte Dipl.-Ing. Arch. Volker Dürr zusammen mit Ministerialrat Dr. Krause vom Bundesinnenministerium eine erste Arbeitsreise nach Siebenbürgen unternommen. In Gesprächen mit den Vertretern der Kirche und der neu gegründeten Foren in Hermannstadt, Kronstadt, Schäßburg, und anderen Orten wurden Projektansätze entwickelt. Die Maßnahmen-Konzepte von damals finden sich heute in vielen Projekten des Bundesinnenministeriums wieder. "Die frühzeitige Hilfe und die Projektkonzepte haben sich in Siebenbürgen an vielen Stellen und Initiativen als notwendig und sehr nützlich erwiesen", erklärte der Bundesvorsitzende gegenüber dieser Zeitung.

In den Jahren 1990 bis 2004 hat das Bundesinnenministerium insgesamt über 88 Millionen Euro für die deutsche Minderheit in Rumänien zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1990 betrug die Höhe der Fördermittel noch über 23 Millionen Euro. In diesem Jahr sind 1,8 Millionen Euro vorgesehen, zuzüglich 800 000 Euro an Rückflussmitteln aus revolvierenden Fonds der Wirtschaftsförderung des Bundesinnenministeriums, insgesamt also rund 2,6 Millionen Euro, die der deutschen Minderheit in Rumänien zugute kommen.

Der Aussiedlerbeauftragte Hans-Peter Kemper erklärte hierzu: "Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung gegenüber der deutschen Minderheit in Rumänien unverändert bewusst. Wenn alles gut geht, wird Rumänien 2007 der Europäischen Union beitreten. Die damit verbundene schrittweise Verbesserung der Lebensverhältnisse auch für die deutsche Minderheit wird zu einer entsprechend schrittweisen Anpassung der Förderung führen und die Verantwortung der Titularnation Rumänien gegenüber der deutschen Minderheit zu einem erhöhten finanziellen Engagement fordern."
Finanziert werden vier große Bereiche. Rund die Hälfte des Budgets ist für die Folgekosten der in den neunziger Jahren gebauten fünf Altenheime und Sozialstationen vorgesehen. In diesem Bereich werden Lösungen gefordert, die das Engagement der rumänischen Seite erhöhen. Das Carl-Wolff-Altenheim in Hermannstadt wird zurzeit rumänischerseits mit 19 400 Euro bezuschusst, das Bundesinnenministerium trägt hingegen 353 000 Euro der jährlich anfallenden Folgekosten. Die Aufforderung an die rumänische Regierung, sich stärker an diesen Kosten zu beteiligen, gilt übrigens für alle fünf Altenheime und Sozialstationen, die vom Bundesinnenministerium gefördert werden.

Ein zweiter Posten kommt den rumäniendeutschen Stiftungen zu, um deren Grundstock zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in kleinen und mittleren Unternehmen zu sichern. Ein dritter BMI-geförderter Bereich ist die Jugendarbeit, wobei der Förderschwerpunkt von der Identitätspflege auf die Berufsausbildung verlagert werden soll. Weitere Hilfsmittel fließen in den sozialen und humanitären Bereich, die so genannten Einzelhilfen und medizinischen Notfallsituationen, die, wie erwähnt, über die Landsmannschaften abwickelt werden. Mit dem EU-Beitritt werden diese Unterstützungen allerdings aufhören, da mit dem Beitritt die Verpflichtung der Titularnation Rumänien einhergeht, in der Sozialfürsorge für alle seine Bürger mehr zu tun. Mit dem für 2007 geplanten Beitritt Rumäniens in die Europäische Union werden sich auch die Lebensverhältnisse für die deutsche Minderheit schrittweise verbessern, und das werde "zu einer entsprechenden schrittweisen Anpassung der Förderung führen", erklärte Hans-Peter Kemper bei dem Besuch in Siebenbürgen. Wie bereits berichtet wurde der Aussiedlerbeauftragte vom Bundesvorsitzenden Volker Dürr sowie von Ministerialdirigent Frank Willenberg, Ministerialrat a.D. Dr. Frank Reuter, dessen Nachfolger, Ministerialrat Ernst Stehl, und Amtsrätin Andrea Heyner vom Bundesinnenministerium und Anneliese Weyrich vom Bundesverwaltungsamt begleitet.

Fazit der Siebenbürgenreise: "Auch auf der Grundlage des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages, der 1992 abgeschlossen wurde, hat sich unser landsmannschaftlicher Verband mit erheblichen Eigenmitteln in der Siebenbürgenhilfe engagiert. Nicht nur unser Sozialwerk mit der Föderation der Siebenbürger Sachsen, sondern auch die Heimatortsgemeinschaften, deutsch-rumänische Partnerschaftsvereinigungen, Städte- und Schulpartnerschaften haben sich dabei eingebracht. Was die Bürger der Europäischen Union auch mit freiwilligen Spenden für die Bürger der EU-Beitrittsländer geleistet haben, ist beeindruckend und beispielgebend", betonte Volker Dürr.

Siegbert Bruss

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 12 vom 31. Juli 2005, Leitartikel)

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