15. August 2005

HOG Groß-Alisch lässt alte Traditionen neu aufleben

Zum Auftakt des 12. Groß-Alischer Heimattreffens in Nürnberg fand ein gut besuchter Gottesdienst in der Emmauskirche in Nürnberg/Gartenstadt statt, den die Pfarrer Georg Schaser und Lothar Schullerus jun. gestalteten.
Beide hatten ihre Kindheit und Schulzeit in Groß-Alisch verbracht, wo ihre Väter als Pfarrer tätig waren. Von Georg Schaser kam der Vorschlag, die Goldene Konfirmation der Jahrgänge 1939-1940, zu denen auch er gehört, im Rahmen des Treffens zu feiern. Er übernahm die Organisation, mit Erfolg: Es kamen 47 von den ursprünglich 70 Konfirmanden - 12 von ihnen sind inzwischen verstorben. Die beiden Geistlichen gestalteten zusammen mit Organist Kurt Gehann den Festgottesdienst mit Abendmahl nach siebenbürgischer Liturgie. Die beeindruckende Predigt von Pfarrer Lothar Schullerus jun. zum Thema "Fünfzig Jahre mit Christus" bewegte die Herzen der Zuhörer. Während Pfarrer Schaser die Namen der 24 verstorbenen Groß-Alischer der letzten beiden Jahre verlas und für sie betete, spielte der Groß-Alischer Posaunenchor das Lied "Auf dem stillen Friedhof". Zu dieser Stunde läuteten die Glocken in Groß-Alisch zu ihrem Gedenken, eine Geste, die uns mit dem alten Heimatort verbindet. Nach der Predigt und dem anschließenden Gebet begann die Feier der Goldenen Konfirmation. Namentlich wurden die Jubilare aufgerufen, Jeder erhielt eine Urkunde mit einem Bild der Groß-Alischer Kirchenburg und dem Konfirmationsspruch, anschließend wurden sie gesegnet. Es war die erste Goldene Konfirmation der Groß-Alischer.

Abendmahl nach Groß-Alischer Brauch in der Emmauskirche in Nürnberg zelebriert von den Pfarrherrn Georg Schaser und Lothar Schullerus jun. im Rahmen des Heimattreffens. Foto: Lukas Geddert
Abendmahl nach Groß-Alischer Brauch in der Emmauskirche in Nürnberg zelebriert von den Pfarrherrn Georg Schaser und Lothar Schullerus jun. im Rahmen des Heimattreffens. Foto: Lukas Geddert

Die Einladung zum Tische des Herrn erfolgte nach Groß-Alischer Brauch und ließ viele Abendmahlsempfänger in Tränen ausbrechen. Die beiden Kirchenväter, diesmal der erste und zweite Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaft (HOG), im Kirchenpelz bekleidet, spannten ein handgewebtes Tischtuch vor dem Altar auf. Davor traten die Beteiligten wie an einen Tisch und empfingen von den beiden Pfarrherren das Abendmahl, ein Brauch, der bis ins Mittelalter zurückgeht. Mit Gebet und Segen beendete Pfarrer Lothar Schullerus den Gottesdienst.

Im Gesellschaftshaus der Gartenstadt Nürnberg trafen sich danach ca. 500 Gäste, auch aus Österreich, Frankreich, dem Königreich Tonga (Südpazifik) und Rumänien. Viele erschienen in Groß-Alischer Tracht. Eine siebenbürgische Bauernstube hatten fleißige Helferinnen eingerichtet, Schaufensterpuppen waren mit Kirchentrachten aus Groß-Alisch bekleidet. Der Bücherstand mit Dokumenten und Fotos zur Deportation 1945, den "Groß-Alischer Nachrichten", der Broschüre "Die Kirchenburg Groß-Alisch" von Hermann Fabini, das Familienbuch der Groß-Alischer von Alfred Schuster weckte großes Interesse. Anni Binder hatte am Bücherstand alle Hände voll zu tun. Eine große Karte mit dem Friedhofsplan aus Groß-Alisch half vielen Besuchern, die Nummern der Grabstätten zu finden oder zuzuordnen. Der Stammbaum der Familie Menning wurde vorgestellt, brachte leider wenig Interesse. Piri Alischer hatte viel daran gearbeitet und wollte damit weiter die Familienforschung anregen.

Alfred Drotleff, 2. Vorsitzender der HOG, begrüßte alle Gäste und dankte allen Mitwirkenden bei der Organisation dieses Treffens, vor allem den beiden Pfarrherren und dem Organisten, die den unvergesslichen Gottesdienst gestalteten. Der jüngst gegründete Groß-Alischer Frauenchor aus Nürnberg, unter der Leitung von Margarete Schuster, überraschte das Publikum mit drei Liedern. Alle Chormitglieder waren in Groß-Alischer Tracht gekleidet. Wir hoffen, es bleibt nicht nur ein Anfang.

In seinem Bericht stellte Wilhelm Paul, der 1. Vorsitzende der HOG Groß-Alisch, fest, dass die Alischer kommunikativer, interessierter an der alten Heimat und hilfsbereiter geworden seien. Das könne die Wirkung der Groß-Alischer Nachrichten und des Rundbriefes zu Weihnachten sein, die alle Mitglieder erhalten. Endlich weiß man voneinander. Gleichzeitig bat er, die Siebenbürgische Zeitung zu bestellen, um handfeste Informationen zu erhalten. Die Pflege des Kulturgutes in Groß-Alisch sei sehr wichtig für uns und die kommenden Generationen. Daher nehme die Einrichtung eines Begegnungs- und Gästehauses im alten Pfarrhaus einen hohen Stellenwert ein. Mit den wenigen in Groß-Alisch verbliebenen Sachsen müsse der Kontakt gepflegt werden, da sie als unsere wertvolle Stütze auf unsere Hilfe angewiesen seien. Die Pflege des Friedhofes hätten, nach langem Zögern, viele verstanden, sie seien bereit zu helfen. Der neue Friedhofsplan mit nummerierten Gräbern, vom Münchner Architekturbüro Homner (gebürtiger Groß-Alischer) erstellt, kann heute von jedem Interessierten eingesehen werden. Die Arbeiten am Friedhof sind im Gange. Das neue Ortsschild trägt neben der rumänischen Bezeichnung Seleusul Mare auch den deutschen Namen Groß-Alisch. Der Aufruf zum Treffen in Groß-Alisch zu Pfingsten 2006 wurde mit Begeisterung aufgenommen. Die lokalen Behörden, so Paul, wollen uns einen großen Empfang bereiten und wir wären gut beraten, den Kontakt zu der einheimischen Bevölkerung zu pflegen. Unsere künftigen Projekte sollten die Bewohner einbeziehen. Unser 1. Vorsitzender schloss seine Rede mit der Bitte an alle Alischer, sich stärker in die Arbeit der HOG einzubringen, Material in Form von Dokumenten, Fotos und Berichten für das begehrte Heimatblatt zu sammeln und an ihn zu schicken, immer wieder in die alte Heimat zu fahren, um Präsenz zu zeigen und sich um das noch vorhandene Eigentum zu kümmern sowie die Kirche und ihre wenigen Mitglieder nach Möglichkeiten zu unterstützen.

Danach wurde der Kassenbericht von Rudolf Menning vorgestellt und verabschiedet. Als Betreuer unserer Homepage hat R. Menning sich einen Namen gemacht. Im Laufe der Veranstaltung präsentierte er auf Großleinwand Bilder aus Groß-Alisch und zusammen mit Pfarrer Lothar Schullerus jun. eine Dokumentation über den jetzigen Zustand der Zwangslager in der Ukraine, wohin unsere Landsleute 1945 deportiert wurden.

Der alte Vorstand wurde entlastet und einstimmig wiedergewählt. Wilhelm Paul bedankte sich im Namen des neu gewählten Vorstandes für das Vertrauen der Mitglieder und kündigte neue Projekte für die Zukunft an. Gleichzeitig versprach er, sich auch verstärkt um bedürftige Groß-Alischer in der neuen Heimat zu kümmern.

Mit Ungeduld wartete man auf den Auftritt der Groß-Alischer Musik-Band "Party Trio" unter Leitung von Georg Zakel, die mit ihrer flotten Musik die Leute auf das Parkett lockte und bis 2 Uhr nachts bestens unterhielt. Zwischendurch gab es eine Tombola, organisiert von Lukas Geddert, der aus seinem Betrieb Fotoapparate und andere nützliche Artikel spendete. Für diese Hilfe danken wir ihm. Herzlichen Dank denen, die über Stunden Eintrittskarten verkauften, Programme verteilten, Spenden einsammelten, Bücher verkauften und Auskünfte erteilten. Ein ganz besonderer Dank an Juk Schaser für die Organisation der Goldenen Konfirmation und an Hiltrud und Lothar Schullerus für die Mühe, den weiten Weg zu uns zu auf sich zu nehmen. Danke dem HOG-Vorstand für die Gesamtorganisation.

Helmut Homm

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