23. August 2005

Ein neues Buch über Roma und Zigeuner

Der Ethnologe und Journalist Franz Remmel (Reschitza) wurde bereits durch seine bisherigen fünf Bände über die rumänischen Zigeuner und Roma international bekannt. Vor kurzem erschien ein neues Buch von ihm unter dem Titel "Alle Wunder dauern drei Tage. Vom Bulibascha der Zigeuner zum Kaiser der Roma" (InterGraf Verlag, Reschitz, 2005, 189 Seiten), in dem der rumäniendeutsche Ziganologe vielfältige Einsichten in Geschichte und Gegenwart dieser zweitgrößten Ethnie Rumäniens vermittelt.
Vereint in der "Uniunea Democratica a Romilor si Tiganilor" mit dem Sitz im siebenbürgischen Neumarkt am Mieresch (Târgu Mures), sind sie heute durch ihre eigenen Abgeordneten im Rumänischen Parlament vertreten. Doch ihre eigentlichen "Volksführer" sind, wie man beim Lesen dieses spannend geschriebenen Buches feststellt, oft selbstherrliche kleine Monarchen, so Kaiser Iulian oder König Florin, die sich gern mit Krone und Szepter und in kostbaren Brokatgewändern zum Fototermin zeigen.

Dabei hat es im 16. Jahrhundert sogar einen Zigeunerwojwoden gegeben, der acht Monate lang im Fürstentum Moldau herrschte: Stefan Razvan. Bogdan Petriceicu Hasdeu schrieb in seinem Roman "Razvan si Vidra", 1867, dieser Fürst habe eine rumänische leibeigene Mutter und einen zigeunerischen Vater gehabt; und zu jener Zeit waren die moldauischen und walachischen Zigeuner "generell Robi/Sklaven".

Über diesen Razvan berichtet Franz Remmel ausführlich im ersten Kapitel seines Buches - "Ein Einzelfall in der Geschichte" -, wonach er ins 20. Jahrhundert überleitet und auf die Rolle der "Bulibassen", des Präsidenten, Wojwoden und Großwojwoden näher eingeht. Im September 1992 berichtete die rumänische Presseagentur "Rompres", dass das ",Präsidium der Rumänischen Roma' zur Ansicht gelangt sei, dass der oberste Rang in der Hierarchie der Roma nicht der eines Königs, sondern der eines ‚Kaisers der Roma aus aller Welt' sei".

Bald danach wurde Iulian Radulescu zum "Kaiser der Roma aus aller Welt" gekrönt. Das Kommuniqué seiner Krönung unterschrieb er selbst und verlautete, dass er 1938 in Craiova geboren wurde. Über den genauen Ort seiner Geburt sagte er: "Dazumal erstreckte sich dort ein riesiges Gelände, der Abstellplatz für die Dachwagen der nomadisierenden Roma. Ein Leben lang habe ich mit meinen sechs Geschwistern im Zelt gehaust. Meine Vorfahren, so weit ich es zurückverfolgen kann, sind ‚Bulibassen' gewesen". Doch zur gleichen Zeit gab es auch einen Roma-König, Ioan Cioba I., dessen Tochter, Prinzessin Lucia, wiederum den kaiserlichen Prinzen Iulian heiratete. Das könnte nun so etwas wie eine neue k.u.k. Monarchie werden.

Die Geschichte dieser "monarchischen" Häuser im neuzeitlichen Pagodenstil ist nicht frei von einer gewissen, vom Autor sicherlich nicht beabsichtigten Komik. Und so vermitteln auch die nachfolgenden Kapitel seltsame und amüsante Details aus kaiserlichem und königlichem Hofleben, denn Franz Remmel hat auch diesmal gründlich recherchiert. Doch nicht nur einmal wäre ihm seine wissenschaftliche Akribie zum möglichen Verhängnis geworden - so z.B. als er in einer Dokumentation, "Nackte Füße auf steinigen Straßen", über die Deportation der rumänischen Zigeuner während des Faschismus nach Transnistrien feststellte, die Zahl der Zwangsverschickten hätte anhand des Archivmaterials etwa 35.000 betragen, während die Roma-Vertreter bei Wiedergutmachungsansprüchen meinen, es wären "über 80.000" gewesen.

Ein reicher Bildteil im Anhang - 62, teils farbige Aufnahmen von Franz Remmel, Konrad Klein und Reinhold Gutt - ergänzen den informativen Wert dieses Buches (Preis 20 Lei, ca. 5 Euro), das über folgende Anschrift bestellt werden kann: Werner Kremm, Piata 1 Decembrie 1918, Bloc 32, Sc. A, Ap. 10, C.P. 109, RO-320067 Resita, Rumänien, Telefon/Fax.: (00 40) 255-21 03 95, E-Mail: wkadz@netex.ro.

Claus Stephani

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