21. September 2001

Landesgruppe NRW feiert "hervorragende Bilanz"

Die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen hat ihr 50-jähriges Jubiläum am 1. September in Mönchengladbach begangen. Festredner Josef Fischer, Staatssekretär im Arbeits- und Sozialministerium Nordrhein-Westfalens, würdigte die vorbildliche Integration der Siebenbürger Sachsen in seinem Bundesland und forderte sie ebenso wie andere Redner dazu auf, weiter als Brückenbauer zwischen Ost und West zu wirken.
Inge Petri, Vorsitzende der gastgebenden Kreisgruppe, konnte rund tausend Landsleute in der bis auf den letzten Platz besetzten Friedrich-Ludwig-Jahn-Halle in Mönchengladbach begrüßen. Viele Kreisgruppen in Nordrhein-Westfalen waren der Einladung des Landesvorstandes gefolgt und hatten ihren Jahresausflug als Reise zur Festveranstaltung nach Mönchengladbach organisiert. Eingeleitet wurde das Fest mit einem Dankgottesdienst, der von den Pfarrern Hans-Martin Trinnes sowie Michael Paulini gehalten und vom Rudolf-Lassel-Chor Köln unter der Leitung von Walter Leonhardt sowie der Siebenbürgischen Trachtenkapelle Drabenderhöhe unter Jürgen Poschner musikalisch umrahmt wurde.
Pfarrer Hans-Martin Trinnes erwähnte in seiner Predigt mehrere geschichtliche Stationen der Siebenbürger Sachsen, darunter die "Familienzusammenführung", die ein "langsames Abwandern" gewesen sei, "hinter dem sich die Sehnsucht nach Freiheit und Menschenwürde verbarg". Der Einblick in die Zeit nach dem Massenexodus sei teilweise ernüchternd: "Mancher Traum platzte, mancher verlor den Boden unter den Füßen." Viele Siebenbürger hätten aber auch Freunde in der Landsmannschaft gefunden und fühlten sich hier wie zu Hause. Mit Blick auf die Zukunft sagte Trinnes: "Möge es uns geschenkt werden, dass wir die Werte, die wir mitgebracht haben, nicht nur wie einen antiquarischen Schatz hüten, sondern weitergeben und attraktiv gestalten, so dass sie für viele wertvoll werden."
Nach dem Gottesdienst übermittelte Mönchengladbachs Bürgermeister Michael Schroeren die Grüße seiner Stadt und erinnerte an die vielen Paketaktionen unter der Leitung von Getz Paulini, die im Zeichen der Solidarität von Mönchengladbach aus nach Siebenburgen gegangen seien.
Als Ehrengäste waren bei der Jubiläumsveranstaltung neben Festredner Dr. Josef Fischer, Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie, zugegen: Hildegard Wester, Bundestagsabgeordnete, Hagen Jobi, Landtagsabgeordneter und Vizelandrat des Oberbergischen Kreises, die landsmannschaftlichen Vertreter Sarah Gauk und Herrn Gauk (Banater Schwaben), Bernhard Triebes (Westpreußen), Enni Janesch, Bundesfrauenreferentin der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, und Michael Fabi vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD.

"Vom Flüchtling zum voll integrierten Staatsbürger"

In seiner Ansprache zeichnete Landesgruppenvorsitzender Harald Janesch den Weg der Siebenbürger Sachsen nach "vom Flüchtling über eine zuverlässige Arbeitskraft hin zum voll integrierten deutschen Staatsbürger". Als politisch weitreichende Ereignisse und Leistungen der Landsmannschaft in den vergangenen 50 Jahren nannte Janesch die Einbürgerung, bei der den Siebenbürger Sachsen die deutsche Staatsbürgerschaft verliehen wurde, die Familienzusammenführung und die Übernahme der Patenschaft 1957 durch Nordrhein-Westfalen.
Die landsmannschaftliche Landesgruppe sei am 28. Januar 1951 gegründet worden, der erste Vorsitzende Dr. Arnold Weingärtner und dessen Nachfolger im Amt - Rudolf Philipp, Dr. Eduard Keinzel, Robert Gassner, Rudolf Dienesch, Walfried Lienerth, noch einmal Robert Gassner, danach Richard Georg, Michael Ohler und Hans-Georg Richter - hätten zu ihrer Zeit dazu beigetragen, "dass die Siebenbürger in NRW neu anfangen konnten und heimisch geworden sind".
1953 seien im Zuge der Kohleaktion die drei ersten siebenbürgisch-sächsischen Siedlungen in Herten-Langenbochum, Oberhausen-Osterfeld und Setterich, dazwischen die kleineren Siedlungen in Overath-Immekeppel und Düsseldorf-Hellerhof und 1965 Drabenderhöhe entstanden. Überall dort, wo Siebenbürger Sachsen geschlossen siedelten, pflegten sie ihre Kultur und ihr Brauchtum.
Außerhalb der erwähnten Siedlungen leben die Siebenbürger Sachsen jedoch in ganz Nordrhein-Westfalen zerstreut. Deshalb komme der heutigen Festveranstaltung, wie das auch die Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen der Landsmannschaft 1999 in Gummersbach gezeigt habe, besondere Bedeutung bei der Stärkung der Gemeinschaft und dem Fortbestand der Landsmannschaft zu, sagte Janesch. Es sei "ein Fest für und mit unseren Mitgliedern", verschönert durch die Anwesenheit und Tanzvorführungen zahlreicher Jugendlicher.
In seinem Grußwort wies der Landtagsabgeordnete Hagen Jobi, Beauftragter der CDU-Landtagsfraktion für Vertriebene, auf das kulturelle Erbe der Siebenbürger Sachsen hin, das zu dem des gesamten deutschen Volkes gehöre und unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Kultur sei. Da die Zahl der "Wissensträger" abnehme, sei es notwendig, Erinnerungen an das Brauchtum, die Blasi, die Nachbarschaften und das Alltagsleben in den sächsischen Dörfern aufzuzeichnen und für die Nachwelt zu sichern. Jobi bedauerte, dass die Rechtsverhältnisse für die deutsche Minderheit in Rumänien noch nicht geklärt seien und Bukarest immer wieder in die "Trickkiste" greife, um die deutsche Minderheit zu benachteiligen, was übrigens erst kürzlich von Forumsvertretern in Siebenbürgen beklagt worden sei. Die Kronstädter Stadtväter seien zwar stolz auf die Schwarze Kirche, den alten Stadtkern mit Wehrtürmen und Stadtmauern, die alte Bausubstanz, aber sie würden nur wenig für deren Erhalt tun. Dennoch müsse man erkennen, dass sich einiges in Siebenbürgen bewegt habe, vor allem auch mit deutscher Hilfe. Jobi forderte die Siebenbürger Sachsen auf, weiterhin an wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Brücken zwischen Ost und West mitzubauen. Ihre vielfältigen Erfahrungen im Zusammenleben mit anderen Völkern seien für Deutschland von großem Nutzen.

Dank an die einheimische Bevölkerung

Bundesfrauenreferentin Enni Janesch überbrachte Glückwünsche vom Bundesvorstand und Bundesvorsitzenden Volker Dürr, der zeitgleich am österreichischen Heimattag und Föderationsgesprächen in Wels teilnahm. Janesch erinnerte an Frauen und Männer der Landesgruppe, die sich für die Rechte ihrer Landsleute eingesetzt haben und ihnen beim Einleben in der neuen Umgebung behilflich gewesen seien. Sie hätten sich um die Gemeinschaft verdient gemacht haben, ohne viel nach Belohnung zu fragen. Heute gebe es viele Siebenbürger, die skeptisch fragen: "Was gibt mir die Landsmannschaft?". Vielleicht sollten auch sie fragen: "Was kann ich für die Landsmannschaft tun?", dann brauchten wir vor der Zukunft nicht zu bangen.
Die Bundesfrauenreferentin dankte namens ihrer Landsleute für die Unterstützungen durch das Patenministerium, die Kreise, die Städte und die Gemeinden, für die Hilfen aus Kirchengemeinden und der einheimischen Bevölkerung, die die erfolgreiche Eingliederung wesentlich erleichtert haben. "Hier im Land NRW leben wir, hier sind wir zu Hause, hier fühlen wir uns wohl und werden, so Gott will, auch nicht mehr von hier weggehen. Wir haben manches mitgebracht, was wir vorzeigen können und das auch im neuen Europa der Vielfalt Gültigkeit haben wird. Es ist zu wünschen, dass es unserer Jugend auch in Zukunft gelingen wird, unsere siebenbürgische Tradition in das Alltagsgeschehen und in die örtlichen Gemeinschaften einzubinden. Das wünsche ich uns für die nächsten 50 Jahre!"
In seinem Grußwort erinnerte Pfarrer Michael Fabi seitens des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und der evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD an die gemeinsame Geschichte der Landsmannschaft und des Hilfskomitees in den Gründungsjahren. Als Fabi 1975 zum ersten Mal an einer Hilfskomiteeversammlung teilgenommen habe, "gehörte noch jeder Siebenbürger Sachse dazu - so dazu, wie zuhause jeder zur Kirche gehörte, selbst wenn er Parteisekretär des Ortes war". Dass sich Hilfskomitee und Landsmannschaft inzwischen nicht mehr so nahe stünden, sei bedauerlich. Er lud die Siebenbürger ein, "bei aller notwendigen Pflege gewohnter siebenbürgischer Gemeinschaft", stärker am Leben der hiesigen Kirchengemeinden teilzunehmen. Dazu brauche es die gute gemeinsame Arbeit von Hilfskomitee und Landsmannschaft, wie sie beispielsweise vom Landesvorsitzenden Harald Janesch gepflegt und bedacht werde, sagte Fabi.

"Freiheitlicher und sozial gefestigter Rechtsstaat ist auch Verdienst der Siebenbürger Sachsen"

Hauptfestredner Dr. Josef Fischer überbrachte die Glückwünsche des Patenministers Harald Schartau und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement. Die Siebenbürger hätten viele gute Gründe, ihr 50-jähriges Jubiläum zu feiern. "Die Bilanz der Landesgruppe Nordrhein-Westfalen der Landsmannschaft ist hervorragend." Vor 50 Jahren hätten sich Siebenbürger in Nordrhein-Westfalen zusammengefunden, um einander in der Not beizustehen. Ihnen sei es gelungen, "sächsisches Bewusstsein" bei ihren Landsleuten wach zu halten. "Sie haben es geschafft, ihren Traditionen auf dem Gebiet der Kultur, des Brauchtums und ihre wirtschaftlichen und sozialen Erfahrungen in unserer Gesellschaft weiterzuentwickeln."
Staatssekretär Fischer betonte, "dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalens das Schicksal und die Leistungen der Vertriebenen insbesondere auch der Siebenbürger Sachsen, würdigt und schätzt" und versicherte: "Das Paten- und Partnerland Nordrhein-Westfalen werden Sie stets an Ihrer Seite sehen... Dass wir heute in einem wirtschaftlich erfolgreichen freiheitlichen und sozial gefestigten Rechtsstaat leben, ist auch ein Verdienst der Siebenbürger Sachsen. Sie haben zum Aufbau und zur Tradition unseres Staatswesens, unserer Gesellschaftsordnung und unserer wirtschaftlichen Entwicklung wesentlich beigetragen."
Die Warnungen mancher Sozialwissenschaftler vor einem Zerfall gesellschaftlicher Bindungen seien ernst zu nehmen: "Ellenbogenmentalität, Gewaltbereitschaft, wachsende Armut und wachsender Reichtum können das Gefüge einer Gesellschaft gefährden." Deshalb seien "ein selbstbewusstes, ungebrochenes Verhältnis zur eigenen Geschichte und Kultur, die Wahrung der eigenen Identität" ganz besonders wichtig bei der Schaffung einer neuen Heimat und der Integration. Das zu fördern sei von Anfang an ein gemeinsames Ziel des Patenlandes Nordrhein-Westfalen und der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen gewesen. "Ich denke - und hier kann man es fast mit Händen greifen - das ist gelungen", erklärte Fischer. Die Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen am 7. Januar 1957 sei "ein bewusster Akt der Solidarität" gewesen und habe sich jetzt schon 44 Jahre bewährt.
"Ein im wahrsten Sinne des Wortes zu Stein gewordenes Zeugnis dieser vertrauensvollen und von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Beziehung ist Drabenderhöhe. Diese größte Siedlung der ausgewanderten Siebenbürger Sachsen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, ist seit mehr als 35 Jahren das Musterbeispiel einer Integration bei Wahrung der eigenen Identität." Bei seinem Besuch in Drabenderhöhe am 29. Juni 2001 sei Minister Schartau sehr beeindruckt gewesen, "gelebte Integration in so kompakter Weise zu erfahren". Auch sein kürzlicher Rumänienbesuch, zusammen mit Vertretern der Landsmannschaft, sei "ausgesprochen förderlich für unsere Zusammenarbeit im Rahmen der Patenschaft gewesen". Schartau sei beeindruckt von der tatkräftigen Hilfe, die die Siebenbürger in Deutschland ihren dort verbliebenen Landsleute zukommen lassen. Fischer äußerte die Hoffnung, dass die Siebenbürger "ihre Erfahrungen und vielen Kontakte" in den EU-Osterweiterungsprozess einbringen werden: "Gehen Sie auch jetzt Ihren Weg der Völkerverständigung und bauen Sie weiter Brücken, auch wenn die Bedingungen dafür noch oft widrig sind!"

Ehrungen für verdiente Mitglieder

Für ihre 50-jährige Mitgliedschaft, Treue und Beständigkeit wurden 75 Siebenbürger mit Ehrenurkunden ausgezeichnet. Die stellvertretenden Landesvorsitzenden Erika Hamlischer, Jürgen Brandsch-Böhm und Kurt Schuster dankten ihnen, dass sie durch ihren Beitritt in die Landsmannschaft den Grundstein für "unseren Verein" gelegt haben. Die Urkunden wurden anschließend von den Kreisgruppenvorsitzenden überreicht.
Für ihre Verdienste um die siebenbürgische Gemeinschaft überreichte der Landesvorsitzende Harald Janesch das Silberne Ehrenwappen an folgende Kreisgruppenvorsitzende in NRW: Hans Zenn (Bielefeld), Richard Wagner (Düsseldorf) , Georg Meschner (Essen/Duisburg/Mülheim), Günther Scheipner (Gummersbach), Georg Weiß (Oberhausen), Kurt Schuster (Siegerland), Adele Depner (Wuppertal-Niederberg) und Raimar Beer (Wiehl-Bielstein).
An der kulturellen Umrahmung des Festakts wirkten folgende Gruppen mit: die Vereinigten Siebenbürgischen Chöre aus Drabenderhöhe, Köln, Herten-Langenbochum und Setterich unter der Leitung von Horst Niedtfeld, die sächsichen Jugendanzgruppen aus Drabenderhöhe, Setterich und Siegen und die Vereinigten Blaskapellen aus Drabenderhöhe, Herten, Overath und Setterich unter der Leitung von Jürgen Poschner.
Einen beeindruckenden "Tanz- und Singreigen" führten abschließend die aus drei Generationen bestehende Tanz- und Singgruppe Drabenderhöhe auf. Susanna Kräutner hatte den Tanz- und Singreigen vor 40 Jahren in Botsch (Kreis Neumarkt) einstudiert und aufgeführt und eigens für die Festveranstaltung in Mönchengladbach, in Zusammenarbeit mit Waltraud Fleischer, um neue Elemente bereichert. Die zeitgemäßen Musikaufnahmen sächsischer Lieder entstanden im Tonstudio von Andreas Melzer. Das Programm wurde vom Honterus-Chor sowie den Erwachsenen-, Jugend- und Kindertanzgruppen Drabenderhöhe bestritten. Letztere war übrigens zu diesem Anlass unter der Leitung von Christa Brandsch-Böhm ins Leben gerufen worden.
Der Landesvorsitzende Harald Janesch dankte den Volkstanzgruppen, Blaskapellen, Chören, der Sing- und Tanzgruppe Drabenderhöhe, dem Vorstand für die geleistete Mithilfe bei der Organisation und Durchführung, Waltraud Fleischer für die Moderation sowie der Kreisgruppe Mönchengladbach, deren Vorsitzenden Inge Petri, die mit ihren Helferinnen und Helfern den größten Arbeitsaufwand zu tragen hatte. Zu erwähnen sei auch das Deutsch-Siebenbürgische Heimatwerk in Drabenderhöhe, das mit seiner Verkaufsausstellung zum guten Gelingen der Veranstaltung beitrug.

Siegbert Bruss


(Siebenbürgische Zeitung, Folge 15 vom 30. September 2001)

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