5. Oktober 2005

Leserecho: "Wo bleibt unsere Muttersprache?"

Bezug nehmend auf in dieser Zeitung erschienene Beiträge von Hanni Markel und Doris Hutter, SbZ Online vom 3. Juni 2005, sowie von Wilgerd Nagy SbZ Online vom 29. August 2005, plädiert Manfred Kravatzky im folgenden Leserbrief für einen höheren Stellenwert des Siebenbürgisch-Sächsischen in der Öffentlichkeit.
Man ist sich - fast - einig, dass das Siebenbürgisch-Sächsische, unsere Muttersprache, wie jede Muttersprache ein Symbol unseres Selbstverständnisses ist, eines der Zeichen des Ausdruckes unseres Identitätsbedürfnisses. Ich sagte "fast", da sich an diesen Selbstverständlichkeiten die Geister doch scheiden: Diese unsere Muttersprache ist ja "nur ein Dialekt", im abwertenden Sinn, also etwas "Hausgebackenes", womit man nicht an die Öffentlichkeit gehen kann. So bedienen wir uns nicht öffentlich unserer Muttersprache. Dieser Sprache bedient sich eigentlich überwiegend die ländliche Bevölkerung; also ziemt es sich für einen Städter - geschweige denn Akademiker - nicht, in dieser Sprache zu kommunizieren. Es gilt als nicht zeitgemäß, hier und heute.

Diesem Dünkel unserer Muttersprache gegenüber entspringt deren sträfliche Vernachlässigung. Für mich ist Siebenbürgisch-Sächsisch kein Dialekt, es ist eine Sprache, unsere Muttersprache. Inzwischen wird auch in einigen Fachabhandlungen dieser Sprache eine Zwischenstellung zwischen Dialekt und eigenständiger Sprache eingeräumt; man spricht auch von einem Idiom (was ja letztendlich auch Dialekt bedeutet). In dieser Sprache wurde bis Mitte des 19. Jahrhunderts in der Schule - wenn auch nicht im Gymnasium - unterrichtet und in der Kirche gepredigt (erst aufgrund eines bischöflichen Erlasses ging man am Lande nach 1848 zum Hochdeutschen über in der Hoffnung, dass auch die Ämter in den Städten folgen würden). Und manch einer "vom Dorf", der sich dem Sächsischen "unterziehen" musste, hat dann an angesehenen europäischen Universitäten studiert und es "zu etwas gebracht". Und in vielen Familien in unseren sächsischen Städten wurde sächsisch gesprochen, in fast allen kleineren Städten, selbstverständlich auch in "gebildeten" Familien. Heute nun, und vor allem hier, wird immer weniger sächsisch gesprochen, ja den Kindern wird gezielt das Sächsische nicht beigebracht, da sowieso überflüssig, was dann später oft bereut wird. Niemand bestreitet, dass man mit dem Sächsischen nicht weit kommt, aber es ist nun mal unsere Muttersprache, und jeder, der zu seiner Herkunft, seinem Volk (auch wenn nur Völkchen), zu seiner Identität steht, pflegt diese und bringt sie seinem Nachwuchs bei.

Ausgehend von diesen Überlegungen, die auf eigenen Erfahrungen gründen, kann ich die Tätigkeit unserer Mundartautoren nicht hoch genug einschätzen. Doch nicht genug, dass es dem gesprochenen Sächsisch gegenüber Hemmungen gibt; dazu gesellt sich oft - aus Unkenntnis - ein überhebliches Urteil über die Dichtung in unserer Muttersprache. Sicher, die Mundartdichtung ist oft eine Gelegenheitsdichtung von Gelegenheitsdichtern und kann sich meistens nicht mit der hochdeutschen Kunstdichtung messen. Das muss sie gar nicht. Sie soll ein Weg der öffentlichen Kommunikation zwischen Gleichgesinnten sein, um Lebensgefühle, Erlebtes und Erdachtes zum Ausdruck zu bringen; und sie soll ein Mittel zur Pflege unserer Muttersprache sein, wobei Kitsch vermieden werden sollte. Dabei kann durchaus auch Kunstdichtung entstehen! Es muss ihr aber die ihr zustehende Aufmerksamkeit gewidmet werden. Sie muss in der Öffentlichkeit gefördert werden! Sollte die Siebenbürgische Zeitung der Dichtung in unserer Muttersprache nicht permanent Raum zur Verfügung stellen? Doris Hutter hat dies schon 1994 vorgeschlagen! Ich glaube, da ist ungenutzter Raum für unsere landsmannschaftlichen Kulturverantwortlichen!

Manfred Kravatzky, Bahlingen am Kaiserstuhl

Anmerkung der Redaktion:

Eine siebenbürgisch-sächsische Mundartecke in der Siebenbürgischen Zeitung ist bereits geplant und befindet sich in Vorbereitung. Die neue Rubrik soll von Bernddieter Schobel und der Volkskundlerin Hanni Markel betreut werden. Um ein regelmäßiges Erscheinen zu gewährleisten, bedarf es allerdings eines ausreichenden Volumens an Mundarttexten.

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