23. November 2005

Geschichte der Pädagogischen Schule im Ursulinenkloster von Hermannstadt

Schon im 13. Jahrhundert besaß der katholische Bettelorden der Dominikanermönche ein Kloster vor der Stadtmauer von Hermannstadt, im Bereich des heutigen Bahnhofs. Durch die Mongolenstürme zerstört, wurde es 1246 wieder aufgebaut. Dieses alte Kloster bildete mit seinen zwei Türmen und Ringmauern einen befestigten Platz, den der Stadtrat nach den verheerenden Türkeneinfällen seit dem Jahre 1432 nicht den Feinden als Stützpunkt bei der Belagerung überlassen wollte. Daher wurde das Dominikaner-Kloster abgerissen.
Der Rat der Stadt Hermannstadt stellte den obdachlosen Dominikanern einen Bauplatz innerhalb der Stadtmauern zur Verfügung, im Bereich des späteren Ursulinenklosters (Sporergasse Nr. 36, (heute strada G-ral Magheru). Hier errichteten die Dominikaner 1474 eine gotische Saalkirche und 40 Jahre später zogen sie, zuständig für Predigt und Seelsorge, in ihren schwarzen Kutten in ein neues Kloster am so genannten Mönchshof, unterhalb des Salzturmes, ein. Aus diesen Anfängen entstanden im Laufe der Zeit die Gebäude der heutigen Pädagogischen Schule im ehemaligen Ursulinenkloster.
Ursulinenkirche und -kloster. Foto: F. Philippi
Ursulinenkirche und -kloster. Foto: F. Philippi


Das neue Kloster war klein, im Jahre 1524 bewohnten es 27 Brüder. Der Stadtrat und das Kapitel ließen aus Konkurrenzgründen die Brüder nicht zu Wohlstand kommen. Mit einem Schlag sollte der Dominikanerorden in Hermannstadt aus seiner Bedeutungslosigkeit gehoben und in den Mittelpunkt des katholischen Geisteslebens in Siebenbürgen gerückt werden. Das Generalkapitel in Rom, die oberste Leitung, ordnete die Errichtung einer Ordensuniversität, eines Studium Generale, in Hermannstadt an. Diese Stadt bildete nach dem Auftreten Martin Luthers gegen die Missbräuche in der Kirche den Mittelpunkt der reformatorischen Bewegung in Siebenbürgen. Darum sollte hier die Gegenaktion der Kirche einsetzen. Dazu brauchte man geschulte Prediger, Dominikaner, die gegen Andersgläubige und Abtrünnige ins Feld geschickt wurden. Diese streitbaren Diener der alten Kirche sollten in einer theologischen Fakultät herangebildet werden und dafür hielt man in Rom das Dominikanerkloster als am besten geeignet. Man berief für Theologie und Philosophie zwei Professoren an die Fakultät. Doch scheint das Studium Generale in Hermannstadt nie recht funktioniert zu haben. Im Jahr 1580 war es noch nicht in vollem Betrieb. Die Empörung gegen die alte Kirche schmorte in der Bevölkerung derart, dass diese den Orden schließlich aus der Stadt vertrieb.

Deutsche evangelische Knabenschule


Mit der Reformation beginnt ein neues Kapitel des Dominikanerklosters. Im Gebäude neben der Klosterkirche richteten sich zwei evangelische Prediger ein, die den Gottesdienst in der nun evangelischen Kirche nebenan besorgten. Andere Räumlichkeiten des Klosters verwendete man zu Schulzwecken.

In der Reihe der Lehrer, die in der Stadt unterrichteten, erscheint nun auch ein Klosterinformator oder Klosterschüler. In der Hermannstädter Schulgeschichte, so Prof. Dr. Arnold Pancratz, finden sich für das 16. und 17. Jahrhundert keine Angaben über die Verwendung des Klosters, jedoch liegt die Vermutung einer schulischen Nutzung nahe.

Die Ereignisse in und um Hermannstadt waren so bewegt, dass die Schule in deren Schatten blieb. Nach dem Übergang Siebenbürgens aus dem türkischen Machtbereich unter die Herrschaft der Habsburger weckte die neue Zeit neue Bedürfnisse. Die alte Lateinschule war ein Kind der Reformation. Latein und Griechisch standen im Mittelpunkt des Unterrichts. Sie vermittelte eine einseitige Gelehrtenausbildung nach dem Ideal des Humanismus und entsprach am Anfang des 18. Jahrhunderts, in der Zeit des Rationalismus, nicht mehr dem aufs Praktische gerichteten Sinn des einfachen siebenbürgisch-sächsischen Bürgers. Deshalb beschloss der Rat der Stadt am 16. August 1711, dass „sub directione rectoris collegii“ (unter dem Rektor der Lateinschule auf dem Huetplatz) eine „teutsche Schule sub nomine classis quartas“ (unter dem Namen einer vierten Klasse) „worinnen diejenige Jugend, so zu hohen Studien nicht appliciert werden möchte, im teutschen Stylo etc. exerciert werden soll, aufgerichtet werden möchte“ und bestimmte dem Informator dieser Klasse von der Stadt ein Salär von 40 Gulden.

Die teutsche Klasse oder classis teutonica gehörte zum Untergymnasium und war für Knaben bestimmt, die in ein Gewerbe übertraten und im bürgerlichen Leben von den klassischen Sprachen keinen Gebrauch machen konnten. Sie wurde im Kloster eingerichtet, doch blieb sie bloß 17 Jahre lang, bis 1728, als sie in ein anderes Gebäude verlegt werden musste. Es begann die Gegenreformation. Ihr Stoß richtete sich gegen das Kloster und die Kirche daneben. Im Mai 1728 musste der Rat der Stadt auf höheren Befehl die Schlüssel dieser Gebäude dem kommandierenden General aushändigen, damit sich hier die Frauen des Ursulinenordens einrichten konnten, der im Jahre 1535 für Jugendunterricht und Krankenpflege gestiftet worden war. Damit gingen der „teutschen Schule“ die Schulräume verloren, die beiden Predigerwohnungen und die Kirche, die in der katholischen Zeit von den Sachsen erbaut, 200 Jahre evangelisch gewesen waren und nun wieder in die Hände eines katholischen Ordens übergeben wurden.

Umbau in katholische Mädchenschule


1733 trafen die ersten 8 Ursulinen in Hermannstadt ein und wurden feierlich empfangen. Schon 1734 begann der Neubau des Klosters. Die Erweiterung der Kirche und der Krypta wurde im Jahre 1735 vollendet. Kaiserin Maria Theresia spendete 1763 fast 39 000 Gulden zum Ausbau des Klosters. 1772 überließ die Stadt dem Kloster den Salzturm (er ist im Jahre 1890 abgetragen worden) und im selben Jahre kauften die Ursulinen für 1 200 Gulden den Garten der Riemnerzunft, das war der große Garten des Klosters längs der Stadtmauer, der mit dem Kloster durch einen engen Treppengang durch die Stadtmauer verbunden wurde.

In der Zeit Josefs des Zweiten wurde das Josefinum, der Seitenflügel im zweiten Hof, erbaut. Zum Ursulinenkloster gehörte auch der anschließende Bau, in dem nach 1948 die Elementarschule Nr. 1 untergebracht war. Der vierseitige Klosterbau mit den dicken Mauern stammt aus dem 18. Jahrhundert und diente vorzugsweise den Nonnen als Wohnung. Diese waren ausgebildete Lehrerinnen und entwickelten die Ursulinenschule zu einem deutsch-katholischen Mädchengymnasium.

Das Prinzip des weltlichen, polytechnischen Unterrichts kam auf Grund der Schulreform von 1948 im gesamten Schulwesen Rumäniens zum Durchbruch. Die konfessionell gebundene Schule gehörte der Vergangenheit an. Die Ursulinenschule schloss im Sommer 1948 ihre Pforten und als sie diese wieder öffnete, füllten ihre Räume deutsche Knaben und Mädchen eines neuen Schultyps allgemeinbildender Art, damals einer siebenklassigen Elementarschule, die sich auch heute noch dort befindet. In dem älteren Teil des Klosters zog ein Mädcheninternat ein. 1952 wurde in diesem Teil eine Pädagogische Schule in deutscher Sprache für Lehrer eingerichtet. Ab 1954 in die Mädchenmittelschule mit deutscher Unterrichtssprache umgewandelt, lief die pädagogische Sektion 1956 aus. Ab 1958 als gemischte Mittelschule auch Jungen aufnehmend, hörte diese 1962 auf zu bestehen. Indes war 1958 die Sektion für Kindergärtnerinnen geschaffen worden, im nächsten Schuljahr wurde der erste Jahrgang für Lehrer eingerichtet.

Die Ausbildung von Lehrern und Kindergärtnerinnen wurde seit 1960 nach einem neuen System vorgenommen im „Pädagogischen Lyzeum“. Die Dominikaner-Mönche haben miteinander in lateinischer Sprache verkehrt. Als nach ihrer Ausweisung Kirche und Schule in die Hände des überwiegend evangelischen Rates der Stadt überging und dieser in dem Klostergebäude eine Schule einrichtete, lernten die Kinder deutsch lesen und schreiben.

Die genannten Schultypen, bis zur heutigen Lehranstalt namens „Colegiul national pedagogic Andrei Saguna“ mit deutschsprachiger Abteilung für Kindergärtnerinnen und Lehrer, sind Glieder einer über 475 Jahre ununterbrochenen Unterrichtstradition in deutscher Sprache.

Heute unterrichten zusätzlich noch vier deutsche, von der Bundesrepublik Deutschland entsandte Programm-Fachlehrer in den Klassen 9 bis 12 die künftigen Kindergärtnerinnen und Lehrer für den Schulbetrieb in ganz Rumänien. Die Ursulinenkirche dient heute der Römisch-Katholischen Kirchengemeinde. Laut einer Meldung der Hermannstädter Zeitung zahlt der Schulträger für den Schulbetrieb im ehemaligen Ursulinenkloster Miete an den rechtmäßigen Besitzer und plant mittelfristig den Bau eines neuen Schulgebäudes in Hermannstadt, verbunden mit einem definitiven Umzug der Schule.

Walter Klemm


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