3. Dezember 2005

Neue Ortsmonographie von Neppendorf

In der Reihe der Heimatbücher und Ortsmonographien nimmt das neu erschienene Buch von Renate Bauinger-Liebhart einen herausragenden Platz ein. Es baut auf den Arbeiten des Pfarrers und Historikers Dr. Hellmut Klima auf, dessen gesammeltes und hinterlassenes Material verarbeitet wurde. Die Autorin, eine gebürtige Neppendorferin, wendet sich nicht nur an interessierte Fachleute, sondern auch an ihre Landsleute und ihre Nachkommen, an Landler und gleichermaßen an Sachsen. In der Einleitung schreibt sie: „Das Buch soll unsern Kindern ... Einblick in die Historie dieses Ortes geben ... Es soll die Geschichte unserer evangelischen Vorfahren und ihre Standhaftigkeit im Glauben nie vergessen lassen!“
Die Neuerscheinung ist als erster Teil eines dreibändigen Werkes gedacht. Nach der Einleitung folgt ein allgemeines Kapitel, das neben geographischen und archäologischen Mitteilungen auch Reflexionen über den Ortsnamen und Listen der Ortsrichter und Notare enthält. Das dritte Kapitel bringt schließlich unter dem Titel „Historisches“ auf 90 Seiten eine übersichtliche Darstellung der Ortsgeschichte, wobei als wesentlicher Einschnitt nicht die Reformation im 16. Jahrhundert, sondern die Einwanderung der Landler im 18. Jahrhundert erscheint. Im vierten und umfangreichsten Kapitel (172 Seiten) findet sich in sachlicher Ordnung eine Geschichte des Kirchengebäudes, des gottesdienstlichen Lebens, der Kasualien und des damit verbundenen Brauchtums, der Pfarrer, Prediger und sonstigen Amtsträger sowie eine Darstellung des mit dem Kirchenjahr verbundenen Gemeindelebens.
Neppendorf - Monographie des Ortes von Renate Bauinger-Liebhart
Neppendorf - Monographie des Ortes von Renate Bauinger-Liebhart

Die Ortsgeschichte bis zur Ansiedlung der Landler hat Frau Bauinger noch zu Lebzeiten Klimas handschriftlich fertiggestellt und von ihm durchkorrigieren lassen. In den folgenden Abschnitten des historischen Abrisses hat sie die von Klima übernommenen Unterlagen genau mit der Darstellung von Buchinger verglichen, dazu auch mit Knall und anderen Autoren. Eine Sonderstellung nimmt dabei das Kapitel 3.3 ein: „Das Einleben der Transmigranten in Neppendorf“. Hier haben wir den ureigensten Beitrag der Autorin vor uns. Schon im Jahre 1996 hat sie in Wien einen (unveröffentlicht gebliebenen) Aufsatz verfasst über „Eingliederung und Heimischwerden der Landler in Neppendorf“. Thema ihrer Diplomarbeit war „Der Eingliederungsprozess der transmigrierten österreichischen Protestanten in Siebenbürgen am Beispiel von Neppendorf“. Kapitel 3.3 geht im Besonderen auf die Schwierigkeiten der Integration ein, meidet jede Idealisierung und ist in diesem Sinn ein besonderer Beitrag zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Hier wird gezeigt, wie trotz eines wirtschaftlichen Aufschwunges, der schon mit der ersten Ansiedlung 1736 einsetzte und für die Alteingesessenen wie für die Neuankömmlinge Vorteile brachte, die soziale Integration alles andere als problemlos war. Im Folgenden wird gezeigt, wie sich im Laufe eines Jahrhunderts Regeln des sozialen Verhaltens herausbildeten, die gleichsam Grenzen absteckten und ein friedliches Miteinander der beiden Bevölkerungsgruppen ermöglichten.

Wie Neppendorf die Zeiten der politischen Erschütterungen und Veränderungen im 20. Jahrhundert (1. Weltkrieg, Anschluss an Rumänien, 2. Weltkrieg, Aufstieg und Fall des Kommunismus) erlebt hat, wird nicht in aller Breite ausgeführt. Eine Reihe konkreter Daten, dazu Briefe von Neppendorfern sowie Predigten und Tagebuchaufzeichnungen von Dr. Klima schließen jedoch die Lücke und ergeben zusammen gesehen ein wirklichkeitsgetreues und lebendiges Bild. Besondere Mühe verwendete die Autorin auf die Fortführung der Ereignisse bis in die Gegenwart des Jahres 2005. Die Situation des Exodus im Jahre 1990 beschreibt ein Zitat des Journalisten Sepp Reisenauer: „Die meisten verkaufen ihre Möbel um einen Spottpreis, viele geben auch Haus und Hof um einen Pappenstiel her. Sie schlagen alle guten Ratschläge in den Wind ... und brechen durch den Hausverkauf alle Brücken zur alten Heimat ab. Ihr Vertrauen ist hin. Zu oft wurden sie enttäuscht“ (S. 112). Für die gegenwärtige Lage spricht ein ungenannter „Nicht-Neppendorfer“: „Aus der großen Zahl sind wenige geworden, die die Jahrhunderte alte Geschichte aber weiter schreiben, so dass tatsächlich die Geschichte der Landler und Sachsen in Siebenbürgen nicht zu Ende ist, aber sich diametral gewandelt hat ... Die enorme wirtschaftliche Entwicklung, die Neppendorf immer mehr zur Wirtschafts- und Gewerbezone werden lässt, wird auch von einigen Rückwanderern mit deutscher Staatsbürgerschaft mitgeschrieben“ (S. 113).

Das vierte und umfangreichste Kapitel enthält eine beeindruckende Datenfülle, von Dr. Hellmut Klima in seinem Bienenfleiß gesammelt und nun von Renate Bauinger-Liehhart bearbeitet und bis in die Gegenwart fortgeführt. Die Autorin hat das Material mit liebevoller Sorgfalt gesichtet, ergänzt und in eine lesbare Form gebracht. Hier erhalten wir auch Mitteilungen über jeden der fünfunddreißig Pfarrer seit der Reformation. Dem sei hinzugefügt: Klima war nicht darauf aus, die Früchte seiner Forschungsarbeit gedruckt zu sehen. Das lag zunächst an dem politischen Zwang, dem er sich in keiner Weise beugen wollte. Es hing aber auch zusammen mit seiner Zuwendung zu den Menschen in Neppendorf, im Kirchenbezirk und in der Landeskirche – er hatte einfach keine Zeit, das überaus reiche Material zu verarbeiten. Der bleibende Wert seiner Forschungsarbeit liegt in den Sammlungen selber. Was die Geschichte Neppendorfs angeht, hat er sie vertrauensvoll in die Hände von Renate Bauinger-Liebhart gelegt. Wir haben ihm und ihr gleicherweise zu danken.

Wolfgang H. Rehner


Renate Bauinger-Liebhart: Neppendorf. Monographie des Ortes. Erster Teil. Linz 2005. Das Buch kann zum Preis von 18,70 Euro (Umschlag mit Einklapper) bzw. 22,40 Euro (Hardcover), zuzüglich 2 Euro Versandkosten, unter Telefon: (00 43) 72 27 57 90, E-Mail: r.bauinger@eduhi.at, bestellt werden.

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