22. Dezember 2005

Rettung der Kirche und des Kirchturms in Hamlesch

Auf eine bewegte Geschichte kann die evangelische Kirche in Hamlesch zurückblicken. Auf den Gemeinschaftssinn der heute mehrheitlich in Deutschland lebenden Sachsen bauend, setzt sich die Heimatortsgemeinschaft Hamlesch für die Rettung ihres Gotteshauses in der alten Heimat ein.
Einen solchen Tag wie den 21. Juni 1899 hatten die Hamlescher seit Jahrhunderten nicht erlebt. Es war der Tag, an dem Bischof Friedrich Müller die Kirche einweihte. Es war ein Meilenstein in der Entwicklung der Gemeinde. Was die Gemeindemitglieder 24 Jahre lang ersehnt hatten, ging an diesem Tag in Erfüllung. Die Gottesdienste der vorangegangenen 24 Jahre wurden nicht mehr in der Kirche abgehalten, weil die Kirche am 24. April 1875 behördlich wegen Einsturzgefahr gesperrt worden war. Mit dem Neubau setzte sich die Gemeinde, würdig ihrer vielhundertjährigen Geschichte, ein Denkmal. Am 29. April 1897 erfolgte der erste Spatenstich und am 8. Juni 1897 die Grundsteinlegung. Bereits nach anderthalb Jahren, am 11. Dezember 1898, waren die Kirche und der Turm fertig. Die Kirche und der Turm sind im romanischen Stil gebaut, an jeder Ecke des schönen Gebäudes steht ein kleiner Turm in Imitation romanischer Dome. Das Kirchenschiff ist 50 Meter lang und der Hauptturm 50 Meter hoch. Gleichzeitig mit dem Kirchbau wurde auch die gesamte Inneneinrichtung hergestellt mit Ausnahme der Orgel, die aus der alten Kirche übernommen wird.

Die evangelische Kirche in Hamlesch, 1997. Foto: Martin Eichler
Die evangelische Kirche in Hamlesch, 1997. Foto: Martin Eichler

In den Kriegsjahren 1914-1918 wurden 45 große Orgelpfeifen und zwei Glocken vom Staat requiriert. 1923 spendeten 33 Hamlescher, die in Amerika lebten, 59 000 Lei für die Wiederanschaffung der Glocken und Orgelpfeifen. Schon nach 40 Jahren, im Jahr 1940, entstanden nach einem schweren Erdbeben große Risse im Mauerwerk der Kirche. Sie musste wegen Einsturzgefahr gesperrt werden. In den Jahren 1941-1942 wurden bei einer Generalreparatur drei Paar Pfeiler in den Kirchenraum eingebaut und durch Rundbogen miteinander verbunden. Die um das Chor befindliche Sakristei wurde abgetragen. Durch diese Maßnahmen wurde die Kirche zunächst vor dem Verfall gerettet.

Nach der großen Auswanderung im Jahre 1990 hat sich der Zustand des Gotteshauses sehr stark verschlechtert. Das Dach ist an vielen Stellen undicht. Sehr stark betroffen ist der große Turm. Es regnet in den Turm, auf die Glocken und die Sockel, sowie in die Kirche. Das verursacht große Schäden, wenn man nichts unternimmt. Unser Landsmann Michael Krich (Hausnummer 95) war dieses Jahr mehrmals in Hamlesch und musste schockiert den Verfall der Kirche feststellen. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland haben wir uns für einen Renovierungsplan und eine Spendenaktion entschlossen. Michael Krich hat unsere Absichten mit Kirchenvertretern und dem für Hamlesch zuständigen Pfarrer besprochen. Dabei wurde ihm organisatorische Hilfe bei der Beschaffung des Baumaterials zugesagt. Es wird versucht, das notwendige Kupfer bzw. verzinktes Blech für die Kompletterneuerung des Turmdachs direkt beim Hersteller zu kaufen. In den letzten Oktoberwochen dieses Jahres waren Michael Weber (Stuttgart), Georg Binder (Leverkusen) und Michael Krich in Hamlesch und erneuerten die defekten Holztreppen sowie Balken und Bretter im Glockenturm.

Die Frage, die wir uns alle stellen: Warum sollen wir das überhaupt machen? Warum lässt man Kirche und Turm nicht einfach verfallen? Obwohl die meisten ausgewanderten Landsleute nie mehr einen Gottesdienst in dieser Kirche feiern werden, ist es für uns eine Ehre, dieses Denkmal zu pflegen und zu bewahren in Treue zu unseren Ahnen, die dieses Gotteshaus gebaut haben. Die Spendenaktion in Amerika im Jahr 1923 war damals sicherlich unter den meisten Auswanderern umstritten. Man hielt sie wahrscheinlich für unvernünftig, aber ihnen verdanken wir, dass wir uns 82 Jahre an den schönen Klängen der Glocken und Orgelpfeifen erfreuen durften, obwohl die Spender selbst wahrscheinlich ihren Klang nie gehört haben.

Es wird nötig sein, dass wir im nächsten Jahr mehrmals nach Hamlesch fahren, um sämtliche Materialien und Arbeitskräfte zu organisieren. Für diese Aufgaben hat sich Michael Krich ebenfalls bereit erklärt. Der Spendenaufruf, den wir gestartet haben, ist bei vielen gut angekommen. Es gab überwiegend ein positives Echo. Bis zum 1. Dezember 2005 ist ein Betrag von 17 500 Euro auf unser Spendenkonto eingegangen. Es wird weiterhin um Spenden gebeten. Weitere Auskünfte bezüglich der Unterstützung der Kirchenrenovierung bei Michael Krich, Telefon: (0 72 24) 4 09 51, und Georg Gottschling, Telefon: (08 21) 42 58 66.

Einen herzlichen Dank sprechen wir allen Spendern und Helfern für die Opferbereitschaft auch in schwierigen Zeiten aus. Großes Lob und Dank gilt unserem Landsmann Michael Krich, der sehr viel Finanzielles und viel Freizeit geopfert hat, um mehrmals im Jahr aus Deutschland nach Hamlesch zu fahren. Auf diesem Wege wünsche ich allen ein gesegnetes Weihnachtsfest sowie ein gesundes und friedliches neues Jahr.

Georg Gottschling

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2005, Seite 27)

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