28. Dezember 2005

Deutsche Theatergruppen in Rumänien

Es hat einige Zeit gedauert, bis der Sammelband mit Referaten der Internationalen Wissenschaftlichen Tagung, die in Temeswar vom 5.-7. Mai 2003 stattfand, in Druck gehen konnte. Nun liegt eine inhaltlich und grafisch sorgfältig gestaltete Ausgabe vor, die unter dem Tagungstitel "Das Deutsche Staatstheater Temeswar nach 50 Jahren vor dem Hintergrund deutscher Theaterentwicklung in Europa und im Banat seit dem 18. Jahrhundert" Beiträge von 16 Referenten aus Rumänien, Ungarn, Deutschland, Österreich und den USA vereint. Als Herausgeber zeichnet der verdienstvolle Literaturwissenschaftler Dr. Horst Fassel, Tübingen.
Der Band erschien, als 7. Ausgabe, in der bekannten Schriftenreihe "Thalia Germanica" des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (Tübingen) und der Westuniversität Temeswar, Lehrstuhl für Komparatistik. Inhaltlich sind die Beiträge in vier große Kapitel gegliedert: Ausgangspunkte, Deutsches Theater außerhalb des deutschen Sprachraums vom 18.-20. Jahrhundert, Deutsches Theater in Rumänien, Das Deutsche Staatstheater in Temeswar (1953-2003).

Die Tagung in Temeswar, so der Herausgeber, befasste sich nicht ausschließlich mit dem Deutschen Staatstheater, denn es galt, die Mitglieder der wissenschaftlichen Vereinigung "Thalia Germanica" (1992 im estnischen Tallin gegründet) mit den regionalen Theaterfachleuten in Verbindung zu bringen und einen südosteuropäischen Schwerpunkt innerhalb der "Thalia Germanica" auszubauen. Man hatte sich bereits 2000 in Klausenburg getroffen, um die Beziehung zwischen den deutschsprachigen Theatern im südosteuropäischen Raum zu untersuchen.

Zur Tagung im Jahr 2003 waren auch zwei siebenbürgische Referenten eingeladen: Hannelore Baier ("National in der Form, sozialistisch im Inhalt. Die Gründung der deutschen Abteilung am Staatstheater Temeswar im Spiegel einiger Dokumente des Deutschen Antifaschistischen Komitees") und Dr. Claus Stephani ("Die Deutsche Spielgruppe für Lieder und Tänze, Kronstadt, und ihr Theaterrepertoire").

Hannelore Baier geht unter anderem von einem Dokument aus, das sich im Staatsarchiv Bukarest befindet, datiert 28. August 1951, und in der damaligen Politdiktion Folgendes festhält: "Um der deutschen arbeitenden Bevölkerung immer breitere Möglichkeiten zu schaffen, ihre Kultur in der Form national, im Inhalt sozialistisch zu entfalten, wurde an den Theatern in Hermannstadt und Temeswar je eine deutsche Theatersektion gegründet." Baier behandelt die Gründungszeit und Leistungen von Hans Kehrer, Rudolf Schati, Johann Szekler und anderen Vertretern der rumäniendeutschen Theaterszene. Die offizielle Gründung der deutschen Abteilung des Temeswarer Staatstheaters fand dann am 1. Januar 1953 statt; in Hermannstadt gab es die deutsche Abteilung erst seit 1956.

Über die vielfältige Tätigkeit und Bedeutung der seit 1956 bestehenden Deutschen Spielgruppe im damaligen Stalinstadt, wie Kronstadt offiziell zeitweilig hieß, handelt der ausführliche Beitrag von Dr. Claus Stephani. Nach der Verhaftung des Regisseurs Günther Müller am 27. November 1959 unter der unbegründeten Anklage, er hätte "verbotene Literatur verbreitet", und seiner Verurteilung am 27. Februar 1960 zu einer Freiheitsstrafe, die erst 1964 endete, schien das Schicksal dieses bedeutenden Kulturensembles vorgezeichnet.

Während ihrer nur dreijährigen Existenz trat die Spielgruppe vor ungefähr 30 000 begeisterten Zuschauern auf, und der rumänische Staat förderte sie - "auch das muss gesagt werden" - mit rund einer Million Lei; damals eine ungewöhnlich hohe Summe. Die umfangreiche Dokumentation Stephanis umfasst alle Künstler, Laienspieler, Sänger, Schriftsteller und Regisseure, die sich um die Veranstaltungen in jenen Jahren verdient gemacht haben.

Neben den beiden Initiatoren Günther Müller und Kurt Nussbächer finden sich bekannte Namen von Künstlern und Schriftstellern wie Helge von Bömches, Norbert Petri, Anselm Honigberger, Hans Bergel, Georg Scherg, Helmut von Arz, Irene und Hans Mokka, Gustav Morawetz u.a. Die damals jüngste Schauspielerin, Ursula Nussbächer, trat später als Ursula Wolcz, nach einem Studium in Bukarest und ihrer Aussiedlung, auf internationalen Bühnen auf, unter anderen in Frankfurt/M. und Bern, und lehrt nun seit vielen Jahren an der Columbia University in New York. In Kronstadt hatte sie als Schülerin mit einem anderen Schüler, dem inzwischen international bekannten Rocksänger Peter Maffay, bei einer Laienaufführung debütiert.

Abschließend zeigt Stephani, dass die Existenzsicherung der Siebenbürger Sachsen als deutschsprachige Ethnie in jenen Jahren weitgehend durch eine intensive Kulturtätigkeit erfolgte, um so der Akkulturation, die zu einer "neuen sozialistischen Nation" führen sollte, wenigstens auf der geistigen Ebene entgegenzuwirken. Und daher bleibt diese Kronstädter Spiel- und Theatergruppe - mit zeitweilig über 200 Mitgliedern und etwa 40 Schauspielern -, "wenn auch nur für kurze Zeit", so Stephani, "ein weithin erkennbares und wirkendes Fanal, das breite Bevölkerungskreise aus der fortschreitenden ethnischen Lethargie weckte, ihnen wieder Hoffnung gab und sie an die überlieferten Werte ihrer Identität erinnerte". Ein Personenverzeichnis und ein Register der Theaterstücke ergänzt den wissenschaftlich-dokumentarischen Wert dieser Veröffentlichung. Der Band kann beim Institut für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, E-Mail, Telefon: (0 70 71) 2 00 25 13, bestellt werden.

Maja Martini

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