5. Oktober 2001

Sachsentreffen mit Blick auf die Zukunft

Erstmals wagte man heuer beim Sachsentreffen in Birthälm einen Blick nach vorne und wollte zumindest über das Motto "Gemeinsam ins 3. Jahrtausend" von den bislang geschichtsträchtigen Leitgedanken seit 1991 Abstand nehmen und die Zukunft dabei direkt ins Visier rücken.
Nur mit wem? Die Antwort kam mitunter beim elften Sachsentreffen aus den Zentrumsforen. Einer von zwei Kleinbussen beispielsweise aus Hermannstadt, gleichfalls für die Anreise der Zaungäste vom Zibin gedacht, erreichte völlig leer den Bestimmungsort im seitlichen Kokeltal, der Kronstädter Großraumbus hatte auch noch genügend freie Plätze für mögliche Gäste des Heimattages, und die Fogarascher haben erst gar nicht mit dem Birthälmer Festgedanken gespielt. Sie veranstalteten zeitgleich mit dem Sachsentreffen am 15. September eine eigene Zusammenkunft ihrer meist sächsischen Bürger. Dafür sah man rund um die Burg und den Dorfanger im einstigen Bischofssitz schon fast mehr PKW mit ausländischen als inländischen Kennzeichen, und erneut kamen viele Gäste und Händler aus Landeskreisen, wo Sachsen nur spärlich, wenn überhaupt angesiedelt sind.
Vier Tage nach dem schwarzen Dienstag, dem 11. September, als das Fest in der stattlichen Burg eingeläutet wurde, war jene Frage in aller Munde - nur anders ausgerichtet. Denn das Blatt der Geschichte hatte sich für alle mit dem Terroranschlag auf New York und Washington schlagartig gewendet, jedwelche Zukunft und mithin auch das angesprochene Motto wurden praktisch über Nacht in Frage gestellt. "Sollte durch die schrecklichen Bilder der letzten Tage, die uns alle zutiefst bewegten, der Tod des Traums vom weltweiten Frieden zu Beginn eines neuen Jahrtausend nun endgültig besiegelt sein?", hieß es in der Grußbotschaft des landsmannschaftlichen Jungendvertreters aus Deutschland, Thorsten Schuller.
Offenbar nicht, obgleich man am Sachsentag und danach in aller Welt eine eindeutige Antwort auf diese und viele andere Fragen noch nicht gefunden hatte. Allerdings eines stand auch damals schon fest: "Nur gemeinsam geht es weiter", verkündete von der Kanzel das Oberhaupt unserer Landeskirche, Bischof D. Dr. Christoph Klein, in seiner Festpredigt und machte der versammelten Gemeinde in der Birthälmer Marienkirche Hoffnung auf ein Weiterleben: zwar in völlig anderer Weise, aber vermutlich dann doch in einer versöhnten Verschiedenheit. Und wie die Menschen nun aneinander näher kommen und Gemeinschaft suchen, das ist das Entscheidende.
Dr. Paul Jürgen Porr, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums, jedenfalls suchte und fand eine mögliche Lösung dafür in seiner Festrede: "Gemeinsam mit anderen deutschen Gruppen in Rumänien, gemeinsam mit unseren ungarischen und rumänischen Mitbürgern, gemeinsam mit unseren Landsleuten, die eine neue Heimat gefunden haben, gemeinsam mit den deutschsprachigen Ländern in einem gemeinsamen Europa," könne man in einem neuen Jahrhundert und Jahrtausend jenes Jahrhunderte alte Gemeinschaftsgefühl der Siebenbürger Sachsen weiterpflegen, in der angestammten Heimat gar ein sächsisches Zimmer damit in einer rumänischen Wohnung einrichten.
Gemeinsamkeit und Gemeinschaft machen nun einmal stark, und das haben unsere Landsleute, wenn auch zahlenmäßig, wie gesagt, nicht so stark wie andere Male heuer beim Fest vertreten, nun dennoch in Birthälm bewiesen wie in ihrer Geschichte insgesamt, denn nur das hat "sie zum bestimmenden Faktor in Siebenbürgen gemacht", unterstrich der bundesdeutsche Konsul, Reinhold Neukötter. Der Diplomat ging sogar noch einen Schritt weiter und wünschte sich, dass durch dies Zusammenwirken im aufstrebenden Rumänien der deutsche Akzent hörbar bleibe.
Man hat ihn jedenfalls in Birthälm herausgehört und dann noch aufmerksam hingehört, als der stellvertretende Obmann der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen, Kommerzialrat Martin May, in seiner Eigenschaft auch als Vizepräsident des Dachverbandes der Volksdeutschen in Österreich von einem Treffen von Vertretern der deutschen Volksgemeinschaften aus der ehemaligen Donaumonarchie mit Politkern im Wiener Nationalrat berichtete. Die Stimme der Sachsenvertreter aus Siebenbürgen ließ, so May, die Assistenz im Parlament aufhorchen, Jürgen Porr und Martin Bottesch haben dabei hervorragende Leistungen erbracht und nachdenkliche Gesichter zurückgelassen. Darum auch wunderte sich die Vertreterin der österreichischen Botschaft in Bukarest, Ursula Fahringer, dass in Birthälm ihre Nation unter dem Fahnenmeer rund um den Marktplatz gar nicht vertreten war und überhaupt die Länder der einstigen k.u.k Monarchie nur spärlich.
Allein so weit zurück hatten der Bürgermeister und die Veranstalter nicht gedacht. Man wollte, wie Porr sagte, damit nur nochmals die eigene Präsenz signalisieren und ein "Fest des Friedens und des Einvernehmens" mit dem Sachsentag nach dem bislang weltweit schrecklichsten Terror-Tag veranstalten.
„Der Friede sei mit Euch“, hieß es schließlich in der traditionsgemäßen Aussegnung der Kirchengemeinde nach dem Festgottesdienst, und traditionsgemäß begab man sich dann dorthin, wo seit nunmehr elf Jahren alles schon fast seinen fest eingeplanten Lauf hat. Auch wenn immer wieder etwas anders. Erstmals vor Bürgermeisteramt gab es heuer eine abgegrenzte Zone für die Darbietungen der Volkstanzgruppen, und ebenfalls hier hatte das Bürgermeisteramt Bänke für Zuschauer aufgestellt. Nur wer den Aufmarsch der acht Jugendformationen unter Musikbegleitung der Burzenländer Bläser genießen wollte, der musste sich dann doch stehend unter die Menge der Schaulustigen drängen.
Aber genießen konnte man nicht nur hier die vielen sächsische Trachten. Neben den jugendlichen Tänzern aus Hermannstadt, Kronstadt, Mediasch, Zeiden, Neumarkt, Sächsisch-Reen oder Schäßburg und erstmals aus Sankt Georgen/Sf. Gheorghe haben die einst ländliche Festkleidung aus unterschiedlichsten Regionen auch die Burzenländer wie Probstdorfer Bläser angelegt, selbst aus vereinzelten Dörfern waren erneut Ortsansässige gleichfalls mit Bockelhauben, Heftel, Spangengürtel und den wunderschönen sächsischen Kirchenpelzen angerückt. Sie standen denn auch nach alter Sitte wieder mal Spalier beim Kirchenportal vor und nach dem Festgottesdienst und füllten sodann noch die ersten Bankreihen im Mittelschiff und jene vor dem Flügelaltar in der Kirche. Über Mittag beherrschten sie ohnehin als eine ansehnliche Hundertschaft mit schwungvollen Tänzen den Dorfanger. Zu diesem Spektakel gesellten sich übrigens auch hochrangige Würden- und Bürdenträger der Regierungspartei an der Spitze mit einem Staatssekretär sowie dem Präfekten, dem neuen Hermannstädter Kreisratsvorsitzenden und mehreren Parlamentariern im Schlepptau. Obwohl nicht angesagt, aber vermutlich eingeladen, ließen sie sich dies Kulturereignis der Mitbewohner nicht entgehen, einige Vertreter der Kirche ohnehin nicht, und die Forumsmitglieder waren desgleichen von der Spitze bis zur Basis bestens vertreten.
Aber auch andere Gäste sind uns aufgefallen, weil sie mitunter aus ausgefalleneren Regionen und mit ausgefallenen Ideen hierher kamen. Allen voran Ise, eine junge Japanerin. In bestem Deutsch erzählte sie uns ihre Geschichte, die im Land der aufgehenden Sonne mit der Geburt begann, in der Schweiz Zwischenstation hatte und vorerst ihre Endstation in Siebenbürgen fand. Allein hierher fand sie rein zufällig über eine Begegnung mit Jugendlichen aus Siebenbürgen, die ihr vor einem Jahr im Alpenland so einiges von den Sachsen im Karpatenland erzählten. "Ich fand das faszinierend", und nun bestätigte sich in Birthälm ihre Faszination. Somit bleibt sie bis auf weiteres als Hilfsorganistin bei der evangelischen Kirche von Mediasch, in Siebenbürgen insgesamt jedoch will sie dem Wesen dieses Völkchens, wie sie sagte, nachspüren.
Gleichfalls aus der Schweiz kam eigens hierfür Hans Brechbühl angereist. Seit dem Umbruch war er schon unzählige Male in Rumänien und hat bald daraufhin im Land der Kantone denn auch den "Osteuropaverein Emmental" gegründet. Käse ist zwar unterdessen mit einen Markenzeichen dieses Vereins, aber nicht mit dem "Emmentaler" brüstet man sich hier, sondern mit dem italienischem Frischkäse Mozarella, der aus frischer Milch von Wasserbüffeln stammt. Und das erste Hornvieh dieser Art aus Rumänien hat Hans in der Schweiz unterdessen erfolgreich angesiedelt, mit einem weiteren Transport dieser Art ist er gleich nach Birthälm in Richtung Heimat gefahren.
Und auf die Suche nach Rücksiedlern begab sich sodann für ihre Diplomarbeit die Berliner Studentin Friederike Schönherr. In Birthälm wurde sie fündig. Bernd Wagner, vor einigen Jahren aus Deutschland nach Heldsdorf zurückgekehrt, war allerdings nicht nur von diesem Thema her interessant. Der Tischlermeister, Zimmermann und Restaurateur mit mittlerweile Großaufträgen in ganz Siebenbürgen zeigte in der Ausstellung der Saxonia-Stiftung für klein- und mittelständische Betriebe nun in der Birthälmer Schule sein Meisterstück: eine akribische Intarsienarbeit mit Tisch und sieben Stühlen, auf deren Rücklehnen die Wahrzeichen der einstigen sächsischen Stühle kunstvoll eingelegt waren, davor, auf der Tischplatte, die sieben Wappen. Und die sieben Weisen der sächsischen Nation wolle er einmal an diesem Tisch vereint haben, "denn der Stein der Geschichte rollt allmählich über uns hinweg, zurück bleibt nurmehr Sand", so Wagner. Und das im 3. Jahrtausend.
Jedenfalls in Birthälm ist sein Wunsch nicht in Erfüllung gegangen. Mittelpunkt waren schließlich beim heurigen Sachsentreffen die Burzenländer Bläser und ihr Dirigent Ernst Fleps. Sie haben den Festgottesdienst musikalisch umrahmt, dem Trachtenaufmarsch sodann den Rhythmus auf die gleiche Tour vorgelegt und mit dem "Bläsergruß" sowie dem "Siebenbürgischen Liederpotpourri" beim Platzkonzert am Marktplatz so manch ein Sachsenherz höher schlagen lassen. Sichtlich erregt war dann auch der nunmehr 75-jährige Fleps, der bei dieser Gelegenheit für seine bald 60-jährige Musikerlaufbahn und zehn Jahre als Leiter der von ihm gegründeten "Burzenländer Bläser" die Honterus-Gedenkmedaille von den Veranstaltern entgegennahm. Er werde so lange weiter machen, "solange meine Kräfte noch reichen", versprach der Jubilar ganz im Sinne der Veranstalter, die, nach Kräften ihrer Gemeinschaft, das Sachsentreffen in Birthälm weiter abhalten wollen.

Martin Ohnweiler

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