15. Juli 2000

Den Lehrerstand auf die Höhe öffentlichen Ansehens gehoben

„Schule und Leben“, die siebenbürgische Lehrerzeitschrift, hat ab ihrer Gründung 1920 und bis zu ihrer Vereinnahmung 1939 durch den Nationalsozialismus die positive Entwicklung des deutschen Schulwesens in Siebenbürgen entscheidend mitgeprägt und wesentlich zu dessen Modernisierung beigetragen. Ihre Verdienste lagen vor allem in der Verbreitung zeitgemäßer Lehrmethoden, aber auch im Eintreten für die Berufsrechte der Lehrerschaft.
Von Walter K ö n i g , Reutlingen

Die Anregung, eine siebenbürgische Schulzeitung zu gründen, geht auf Stephan Ludwig Roth zurück. Von 1821 bis kurz vor seinem Tod hat ihn der Gedanke beschäftigt, eine "die Erziehung zum Gegenstand habenden Zeitung" herauszugeben, überzeugt davon, dass "ewig die Erziehung als Herz aller Kunst und Wissenschaft anzusehen ist". Er sprach damit im Zusammenhang von seinem "Lieblingsgedanken" und schrieb 1848: "Wie das Bild einer Geliebten schwebt nur sie mir vor Augen am Abend und am Morgen." Noch in dem Abschiedsbrief an seine Kinder vor der standrechtlichen Exekution erwähnte er die gedruckten Programme der geplanten Zeitschrift und bat seine "hinterbliebenen Brüder für die Ausführung dieser Zeitschrift zu sorgen".

Erst 1866 gelang es jedoch Franz Obert - nach verschiedenen kurzlebigen Vorläufern - mit dem Schul- und Kirchenboten eine lebendige Zeitschrift zu gründen, die er selber 23 Jahre leitete und die bis 1919 als Monatsschrift erschien. Sie war Sprachrohr und Diskussionsforum, in dem Probleme, Wünsche und Klagen der Lehrerschaft zur Sprache kamen - pädagogische und Standesfragen. Sie war dem "Lehrertag" verbunden, dem 1870 ebenfalls von Franz Obert gegründeten siebenbürgisch-sächsischen Lehrerverein, so genannt nach dessen Hauptveranstaltung, der Hauptversammlung der Volksschullehrer aller Bezirke, die in diesen Jahren zum "Brennpunkt des gesamten Schul- und Standeslebens" wurde.
Im Jahr 1919 schlossen sich der "Lehrertag" und der 1904 gegründete "Siebenbürgisch-sächsische Mittelschulprofessorenverein" (unter Beibehaltung ihrer Organisation und Leitung) im "Lehrerbund" zusammen mit dem Ziel der Kooperation auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts und der gemeinsamen Vertretung von Standesinteressen. Der Zusammenschluss aller Lehrer- und Erziehergruppen in einem Verband war zu dieser Zeit eine Besonderheit - die "Einheit des Lehrerstandes" blieb in Deutschland der Wunschtraum engagierter Lehrer.
Der Zusammenschluss der siebenbürgisch-sächsischen Gesamtlehrerschaft weckte das Bedürfnis nach einer neuen Lehrerzeitung, in der wissenschaftliche Fragen eine größere Rolle spielten sollten. So wurde die Zeitschrift Schule und Leben gegründet (Lehrer sollten "der Schule und dem Leben des Volkes dienen"). Auf die alte Tradition und die Beziehung zum Schul- und Kirchenboten wurde zunächst im Titel hingewiesen. Aber der Titel Schule und Leben. Deutsche Lehrerzeitung für Großrumänien zeigt auch, dass man an die Lehrer aller deutschen Siedlungsgebiete im Lande dachte.
Schule und Leben erschien als Monatsschrift vom 1. Mai 1920 bis zum August 1932. In den ersten zwölf Jahren hatte das Blatt immer zwei Schriftleiter: einen für die Fragen der Mittel- und einen zweiten für die Fragen der Volksschule. Folgende Mittelschullehrer wirkten als Schriftleiter: Egon Hajek (von Mai 1920 bis September 1921), Eduard Weiß (von September 1921 bis April 1923), Albert Hermann (von April 1923 bis April 1927) und Eduard Weiß (von April 1927 bis August 1932). Und folgende Volksschullehrer: Karl Heinrich Hiemesch (von Mai 1920 bis Februar 1924), Friedrich Reimesch (von Juni 1924 bis August 1929) und Andreas Grempels (von September 1929 bis August 1932). Die Zeitschrift wurde "pflichtgemäß von den Mitgliedern des Lehrerbundes bezogen".
Schule und Leben versuchte in Abhandlungen, Nachrichten und Buchbesprechungen Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Sie brachte wissenschaftliche Beiträge zu Fragen der allgemeinen (auch der damals neuen experimentellen) Pädagogik und zu aktuellen pädagogischen Strömungen, so zu den meisten Richtungen der Reformpädagogik: vor allem zur Arbeitsschule, aber auch zur Waldorf- und Montessorischule und zu pädagogischen Problemen der Jugendbewegung. Berichte und Mitteilungen aus Deutschland und Europa ergänzten die Darstellungen. Wenn "Weltanschauungsfragen" angesprochen wurden, dann waren es Probleme wie "Idealismus und Materialismus" oder "Religion und Volkstum".
Im Umfang dominierten Fragen der Eingliederung in den neuen Staat, der Umstellung auf ein neues Schulsystem und auf eine durch Diskontinuität gekennzeichnete Schulpolitik mit ihren die Selbständigkeit einschränkenden Maßnahmen. Ausführlich wurde über Tagungen, Vertreterversammlungen, Ausschusssitzungen und "Lehrerversammlungen" auf Bezirks- und Kreisebene berichtet. Dabei beherrschten zeitweise Standesfragen, Besoldungsfragen und die prekäre soziale Lage der Lehrerschaft die Diskussion der Lehrerverbände.
Die Beiträge und Berichte der Zeitschrift waren in diesen Jahren nicht oder wenig ethnozentriert. Es erschienen nicht nur Beiträge über rumänische Schul- und Bildungspolitik, sondern auch Abhandlungen und Berichte über rumänische Pädagogik und Geschichte sowie in der Bücher- und Zeitschriftenschau Hinweise auf rumänische Veröffentlichungen. Unter den Buchbesprechungen findet man Titel, die man heute als Quelle zur Beschäftigung mit der Pädagogik (vor allem der Reformpädagogik) dieser Jahre verwenden würde.
1932 beschloss die Vertreterversammlung des Lehrerbundes, die Zeitschrift in Amtsblatt bzw. Nachrichtenblatt und Fachzeitschrift zu teilen. Das Nachrichtenblatt erschien in der Folge unter dem Titel Lehrer und Leben als monatliche Beilage im Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt. Das Fachblatt behielt den alten Namen und wurde in eine Vierteljahresschrift umgewandelt. Geldmangel führte dazu, dass die Fachzeitschrift erst nach einem Jahr (als Jahrgang 1933/34) erscheinen konnte. Die Schriftleitung übernahm der Direktor des Schäßburger Lehrerseminars Heinz Brandsch. In der ersten Nummer drückte er aus, wozu er die Zeitschrift "gerne machen möchte": "...zu einem Spiegelbild unseres ernsten pädagogischen Strebens in Theorie und Praxis, in wissenschaftlichem Forschen und in nutzbringender Anwendung des Gefundenen".
Schule und Leben brachte weiterhin Berichte über die Lehrertage, Vertreterversammlungen und Fortbildungsveranstaltungen sowie Buchbesprechungen. Doch die wissenschaftlichen Beiträge nahmen an Zahl und Umfang zu. Eine ganze Reihe erschien anschließend als "Sonderabzüge". So u.a. die Arbeiten von Heinz Brandsch "Unser Schulrecht", "'Volk-Kirche-Schule‘ der Siebenbürger Sachsen", "Unsere Lehrerinnenbildungsanstalt" und die Reihe "Rumänische Pädagogen der Gegenwart", die als eigene Schrift auch in rumänischer Sprache erschien. Von Bischofsvikar Friedrich Müller erschien der Beitrag "Johannes Honterus" und von Bischof Glondys "Eine evangelische und eine deutsche Schule" als Sonderdruck.
Die weitaus meisten Beiträge der Zeitschrift behandelten auch in diesen Jahrgängen Themen, die Aufgaben der siebenbürgisch-sächsischen Schule in Rumänien betrafen - und das auf beachtlichem Niveau.
Die Entwicklung in Deutschland wurde, wie gewöhnlich, sehr ernst genommen - man konnte sich gar nicht vorstellen, dass aus Deutschland etwas grundsätzlich Falsches kommen könnte. Dabei sprach man durchgehend von dem "neuen Deutschland" (mit dem man die Betonung des "Volksbewußtseins" und der "Volksgemeinschaft" verband). Der Begriff "Nationalsozialismus" kommt bis 1939 kaum, der Name Adolf Hitler gar nicht vor. In der Zeitschrift wurde auf drei Arten informiert: In differenzierten Aufsätzen mit der abschließenden Frage nach der Bedeutung der "neuen Pädagogik" für die siebenbürgisch-sächsische Schule, in Informationsbeiträgen, in denen die Stellung des Autors nicht deutlich wurde, und manchmal in kurzen (meist übernommenen) Beiträgen, die ideologischen Charakter hatten. Durchgehend ideologisch waren ab 1937 auf Tagungen die Beiträge der Gastreferenten aus Deutschland.
Die Zeitschrift bewahrte lange ihre Unabhängigkeit, und es kamen verschiedene Positionen zu Wort. Heinz Brandsch selber, der der Zeitschrift bis 1940 ihr Profil gegeben hat, fragte stets nach der Bedeutung bestimmter Ansätze für die "siebenbürgisch-sächsische Pädagogik", deren "Grenzen, Rahmen und Möglichkeiten" er im Blick auf Neuansätze prüfte. Er lehnte die "Verpolitisierung" der Schule ab und sagte noch 1937: "Ich wünsche keine Politisierung der Schule, aber Lehrer, die im Volke stehen.“ Brandsch war sicher kein "Gegner des Nationalsozialismus", aber er blieb kritisch-nachdenklich und vergaß nie, dass er als siebenbürgisch-sächsischer Lehrer in Rumänien arbeitete.
Eine Analyse der Berichte über die Veranstaltungen der Lehrerverbände zeigt, dass sich diese bis 1935 bemühten, "(Partei)Politik draußen zu halten", sich dann sukzessive der gemäßigten Richtung der "Erneuerungsbewegung" öffneten, um dann 1939 völlig einzuschwenken.
Das Jahr 1940 brachte große, einschneidende Veränderungen: Am 27. September wurde Andreas Schmidt als Volksgruppenführer eingesetzt, am 9. November die "Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei der Deutschen Volksgruppe in Rumänien" gegründet, am 20. November das "Volksgruppengesetz" veröffentlicht, das die Deutsche Volksgruppe zur juristischen Person des öffentlichen Rechts erklärte. Deren Schulamt begann sofort mit der Planung eines einheitlichen, nationalsozialistisch ausgerichteten Schulwesens und mit der Schulung der Lehrer - während die siebenbürgisch-sächsische Schule noch unter der Leitung der evangelischen Kirche stand.
Schule und Leben teilte (in einem nicht mit Namen gekennzeichneten Beitrag) unter dem Titel "In neuem Geist unter neuer Führung!" die "scharfe Wendung" ihren Lesern mit und bekannte sich offen zum Nationalsozialismus.
Zu Weihnachten 1940 nahm Heinz Brandsch "wehmütig Abschied" von seiner Zeitschrift (die damals finanziell gesichert in einer Auflage von 1 000 Exemplaren erschien) und sagte "dem guten Geist des Schul- und Kirchenboten und seiner Nachfolgerin Schule und Leben, ihren Trägern und Mitarbeitern, wehmütig und doch stolz Dank".
Das Nachfolgeorgan war 1941 Der Deutsche Lehrer („Zeitschrift der Deutschen Lehrerschaft in Rumänien"), abgelöst von Volk und Schule 1942 bis 1944. Der Charakter der Zeitschrift veränderte sich gegenüber den Vorgängern grundlegend.
Lehrerbund und Lehrertag wurden nicht aufgelöst, wie es ihre Satzungen forderten, sie stellten ihre Tätigkeit und Schule und Leben ihr Erscheinen ein. Die Lehrerschaft wurde in einen neuen Verband "eingebaut". Nach Übergabe der Verwaltung des kirchlichen Schulwesens an die nationalsozialistische "Deutsche Volksgruppe in Rumänien" lagen Schulaufsicht, Lehrerfortbildung und Lehrerzeitung in einer Hand - in der Hand des Schulamtes als Dienststelle der "Volksgruppe". Die Gleichschaltung war perfekt.
Zusammen mit ihrer Vorgängerin hat Schule und Leben wesentlich zur beruflichen Förderung der Lehrerschaft und damit zur Verbesserung der Qualität des Unterrichts, zugleich zur Entstehung eines selbstbewussten Lehrerstandes und zu dessen sozialem Aufstieg beigetragen. Heinz Brandsch schrieb 1941 ("zum Abschluss des 75. Jahrgangs des Schul- und Kirchenboten, der nach dem Weltkrieg in neuem Gewande und neuer Zielsetzung als Schule und Leben erschien"), dass "...diese Zeitschrift wesentlich mitgeholfen hat, nicht nur die Arbeit unserer Schulen zu verbessern, sondern auch den Lehrerstand aus seiner sozialen Tiefe auf die Höhe seines heutigen Ansehens zu heben".

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