25. Oktober 2001

In Gundelsheim: Schwierige personelle Lage überwunden

Am 15. September fand im Festsaal auf Schloss Horneck in Gundelsheim die diesjährige Mitgliederversammlung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde statt. Bislang veranstaltete der Landeskundeverein Mitte September - stets in Kooperation mit einer Universität - eine wissenschaftliche Jahrestagung im In- und Ausland (zuletzt in Klausenburg, München, Heidelberg). Der prominente DDR-Historiker Prof. em. Dr. Fritz Klein hielt einen Vortrag über die Rolle der Intellektuellen in der Diktatur.
Die Jahrestagungen sind für die Geschäftsstelle in Gundelsheim stets mit einem großen organisatorischen Aufwand und Kosten verbunden, so dass vor geraumer Zeit im Einvernehmen mit den Mitgliedern beschlossen wurde, die Tagungen in zweijähriger Rhythmus abzuhalten. In den dazwischenliegenden Jahren – heuer zum ersten Mal – soll lediglich eine Jahresversammlung stattfinden, wobei vor allem die mittel- und langfristigen Planung und organisatorische Weiterentwicklung der Gundelsheimer Wissenschaftseinrichtungen erörtert werden.
Auf der jüngsten Mitgliederversammlung wurde der verstorbenen Vereinsmitglieder und der Opfer der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten gedacht, unter deren Bann in jenen Tagen die Welt erstarrte. Nachrufe wurden auf die für die Siebenbürgen-Forschung bedeutenden Wissenschaftler Dr. Adolf Armbruster, verfasst von Prof. Dr. Thomas Nägler, auf Prof. Dr. Paul Werner Roth und Prof. Dr. Pompiliu Teodor, beide von Dr. Konrad Gündisch verfasst, gehalten. Es folgten die Tätigkeitsberichte des Vorsitzenden, Dr. Günther H. Tontsch, des Geschäftsführers Dr. Harald Roth, der Bericht über die Entwicklung der Vereinsfinanzen, des Kassenprüfers und der Herausgeber der Schriftenreihen des Arbeitskreises.
In gewohnt souveräner Weise moderierte der Vorsitzende Dr. Günther H. Tontsch die Mitgliederversammlung. Über 80 Mitglieder hatten die z.T. weite Anreise nach Gundelsheim nicht gescheut. Der Mitgliederstand konnte gehalten werden, die Zahl der Eintritte ist fast gleich mit der Zahl der Todesfälle und Austritte. Der Verein zählt derzeit 778 Mitglieder, davon 89 in der Rumänienabteilung, die in Hermannstadt von Prof. Dr. Paul Niedermaier koordiniert wird. Die Altersstruktur ist relativ ausgewogen: je die Hälfte der Mitglieder ist älter bzw. jünger als 60 Jahre alt. Das niedrige Alter vieler neu eintretender Personen gibt berechtigte Hoffnung, dass der Landeskundeverein weiterbestehen wird. Die nächste wissenschaftliche Jahrestagung des Vereins ist für den 13. bis 15. September 2002 in Leoben/Steiermark in Österreich geplant und widmet sich der Bergbaugeschichte Siebenbürgens. Im Jahre 2003 findet dann wieder eine Jahresversammlung statt, diesmal im Großherzogtum Luxemburg, in dem weithin bekannten Grenzdorf Schengen. Die Sektionen führen zudem im kommenden Jahr Tagungen der Naturwissenschaftler, zur Schul- und Kirchengeschichte durch.
Es bleibt festzuhalten, dass die lange Zeit schwierige personelle Lage der Geschäftsstelle, die zur Verzögerung der Jahresabschlüsse für das Jahr 1999 geführt hat, nunmehr beendet ist. Die Finanzverwaltung ist dank neuen Personals und neuer Computerprogramme auf dem aktuellen Stand. Die Finanzgebarung des Vorstands wurde nicht beanstandet und auf Empfehlung der Kassenprüfer, Werner Bonfert und Uwe Konst, entlastet. Zu den Publikationen sei angemerkt, dass derzeit 16 Bücher des Arbeitskreises in Vorbereitung sind, davon einige in den renommierten Reihen des Böhlau-Verlags, andere in Koproduktion hauptsächlich mit dem Hora-Verlag Hermannstadt sowie dem Kronstädter Aldus-Verlag, aber auch mit anderen in Deutschland oder Rumänien ansässigen Unternehmen.
Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des Arbeitskreises wurde die Hälfte der Vorstandsmitglieder neu gewählt. Gemäß Satzung wird die Hälfte des Vorstandes jedes dritte Jahr für eine Amtszeit von sechs Jahren neu bestimmt. Ein personeller Wandel wird dadurch behutsam gefördert, und die Übergänge werden geglättet. Ausgeschiedene Vorstandsmitglieder werden weiterhin zu den Sitzungen eingeladen, da auf ihren Sachverstand nicht verzichtet werden kann. Es wurden gewählt bzw. wiedergewählt: Dr. Zsolt K. Lengyel, Michael Markel, Dr. Harald Roth, Dr. Erika Schneider, Irmgard Sedler und Gerald Volkmer. Dem Vorstand gehören des Weiteren mit einem Mandat bis 2004 Dr. Konrad Gündisch (Stellvertretender Vorsitzender), Dr. Stefan Mâzgâreanu, Dr. Günther H. Tontsch (Vorsitzender), Dr. Ulrich Wien und Dr. Krista Zach an.
Der neu gewählte Vorstand wird sich auf seiner nächsten Sitzung am 10. November in Gundelsheim konstituieren und über die Aufgabenverteilung entscheiden. Dr. Günther H. Tontsch kündigte die Niederlegung des arbeitsintensiven Amtes des Vorsitzenden an, nachdem er es sieben Jahren geführt hatte. Gleichwohl will er im Vorstand auch zukünftig mitarbeiten, allerdings nur im zweiten Glied und nicht mehr an exponierter Stelle.
Nach der Mitgliederversammlung hatte der Arbeitskreis zu einem öffentlichen Vortrag geladen und als Redner den prominenten DDR-Historiker Prof. em. Dr. Fritz Klein gewonnen. Dieser Vortrag fand auch über den Kreis der Mitglieder hinaus reges Interesse, und der Festsaal auf Schloss Horneck war bis auf den letzten Platz gefüllt. Dr. Fritz Klein ist ein Abkömmling siebenbürgisch-sächsischer Pfarrers- und Bürgergeschlechter, Sohn des in der Weimarer Republik weithin bekannten Journalisten gleichen Namens. Zu dieser Familie gehören u.a. der ehemalige Direktor der Hermannstädter Allgemeinen Sparkassa, Gustav Adolf Klein, der Germanist und Historiker Karl Kurt Klein und die Übersetzerin Hermine Pilder-Klein, allesamt Geschwister des Vaters. Klein hatte in seiner Kindheit Siebenbürgen mehrmals mit seinen Eltern besucht. Früh verlor er sie und wuchs in der Familie eines sozialdemokratischen Pädagogen auf. Diese Weltanschauung und die Erschütterungen der Nazizeit ließen Klein nach dem Weltkrieg an den Aufbau eines besseren Deutschland in der DDR glauben. Er wurde Historiker am Institut für Allgemeine Geschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR.
Sein Vortragsthema in Gundelsheim war die „Verantwortung der Intellektuellen in einem diktatorischen System“. Klein lässt sich aufgrund seiner Position, nach eigenem Bekunden „ein loyaler Staatsbürger und SED-Mitglied“, gewiss nicht der Opposition in der DDR zurechnen, war aber gleichwohl ein integrer Wissenschaftler jenseits „kleinkarierter Engstirnigkeit“ mancher Funktionäre. Seine im vergangenen Jahr unter dem Titel: „Drinnen und draußen“ im S. Fischer Verlag erschienenen Memoiren bemühen sich um eine differenzierte, kritische und selbstkritische Beurteilung des Zeitgeschehens. Sie erregten Aufsehen in der bundesdeutschen und auch siebenbürgisch-sächsischen Öffentlichkeit. Im Anschluss an den Vortrag und die anregende Diskussion waren in Windeseile alle – reichlich vorhandenen – Bücher des Autors verkauft. Noch gibt es keine vergleichbaren Memoiren eines siebenbürgischen Intellektuellen im kommunistischen Rumänien, mit der nur bedingt vergleichbaren Ausnahme der Erinnerungen des Bischofs Friedrich Müller. Über die Gründe dafür nachzudenken, wollte der Arbeitskreis sicherlich durch die Einladung des Gastredners anregen.

G. B.

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