30. Oktober 2001

Auf den Spuren des Rechts in Siebenbürgen

Der Kreis Studium Transylvanicum traf sich kürzlich in Neckarmühlbach und Gundelsheim am Neckar zum XIX. Siebenbürgisch-Sächsischen Workshop, der in Zusammenarbeit mit der Sektion Rechtsgeschichte des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e. V und dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas München organisiert wurde.
Rechtsgeschichte wurde hiermit zum ersten Mal auf einem Workshop behandelt. Um den mehrheitlich nicht aus dem juristischen Fach kommenden Teilnehmern einen guten Einstieg in die Materie zu ermöglichen, fiel die Wahl auf die frühneuzeitliche Rechtsgeschichte Siebenbürgens. Sie eignet sich dafür in besonderer Weise, da in dieser Periode das Privat- und Strafrecht in Siebenbürgen durch die Rezeption des Römischen Rechts starken und dauerhaften Einflüssen ausgesetzt wurde. Ebenso fallen in diese Zeit die ersten siebenbürgischen Rechtskodifikationen, die ihre Gültigkeit teilweise bis in das 19. Jahrhundert hinein behalten sollten. Gerade das 16. und 17. Jahrhundert - betonte Tagungsleiter Gerald Volkmer in seiner Einführung - bietete mit dem autonomen Fürstentum Siebenbürgen die Möglichkeit, das siebenbürgische Staatsrecht auch mit völkerrechtlichen Bezügen zu behandeln.
Einen umfassenden Einblick in das Eigenlandrecht der Siebenbürger Sachsen von 1583 bot am Freitagabend der Vorsitzende des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde, Dr. Günther H. Tontsch von der Universität Hamburg. Er zeichnete die Entstehungsgeschichte dieser straf- und zivilrechtlichen Kodifikation nach und beschrieb deren systematischen Aufbau. Der starke Einfluss dieses Rechtsbuches auf den Donau-Karpatenraum, auch in vielen Übersetzungen ins Ungarische und Rumänische dokumentiert, wirkte teilweise auch nach der Aufhebung des Eigenlandrechtes nach 270 Jahren (1853) fort.
Einem staatsrechtlichen Problem widmete sich anschließend PD Dr. István Szabó von der Universität Miskolc. Er sprach über die Rechtsstellung der siebenbürgischen Fürsten in der Zeit der autonomen Staatlichkeit Siebenbürgens im 16. und 17. Jahrhundert. In den 150 Jahren der Selbständigkeit Siebenbürgens prägte neben dem siebenbürgischen Landtag, der sich aus den drei ständischen Nationen (ungarischer Adel, Szekler und Sachsen) zusammensetzte, der Herrscher die Landespolitik. Die Machtfülle des Woiwoden und späteren Fürsten wurde zu einem Merkmal der Eigenstaatlichkeit Siebenbürgens, das sich in der Nachfolge des 1526 bei Mohács besiegten Königreichs Ungarn sah, bis es selber 1691 dem Habsburgerreich angegliedert wurde.
Eine Abwechslung zu den kompakten Informationen der Vorträge bot in den Pausen die Dia-Show von Petra Schaser mit Szenen aus der sommerlichen Landschaft Siebenbürgens, Bilder, die anlässlich einer im August von Transylvania Tours e. V. organisierten Studienfahrt nach Süd- und Ostsiebenbürgen aufgenommen wurden, mit denen man anschließend auch den Abend im fröhlichen Kreise ausklingen ließ.
Am Samstagmorgen wechselten wir vom Naturfreundehaus in Neckarmühlbach ins Siebenbürgen-Institut nach Gundelsheim. Dort referierte Gerald Volkmer von der Universität Mainz über die Völkerrechtspraxis des autonomen Fürstentums Siebenbürgen von 1541 bis 1691. Bestimmendes außenpolitisches Merkmal des nach der ungarischen Niederlage von Mohács entstandenen autonomen Fürstentums Siebenbürgen war dessen Schaukelpolitik zwischen dem Osmanischen Reich und dem Habsburgerreich. Der Referent betonte, dass die siebenbürgischen Herrscher einerseits die Bestrebungen der Habsburger, sich Siebenbürgen einzuverleiben, rechtlich und militärisch abzuwehren, andererseits ihre rechtliche und politische Abhängigkeit vom Sultan so weit wie möglich zu lockern versuchten. Durch das Ausspielen der beiden Großmächte wurde Siebenbürgen zu einem wichtigen Machtfaktor in Ostmitteleuropa und unterhielt diplomatische Beziehungen mit vielen europäischen Staaten.
Anschließend an den Workshop nahmen die Teilnehmer die Möglichkeit wahr, die Siebenbürgische Bibliothek und das Siebenbürgische Museum auf Schloss Horneck zu besichtigen. Am Nachmittag beteiligten sie sich an der Mitgliederversammlung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e. V., die mit einem Vortrag des bekannten Berliner Zeithistorikers Prof. Dr. Fritz Klein glanzvoll abgerundet wurde.
Alles in Allem war es ein sehr informatives und abwechslungsreiches Wochenende, an dem außer der jüngeren auch die ältere Generation teilnahm. Da das Thema viele interdisziplinäre Ansätze bot und juristische Vorkenntnisse nicht vorausgesetzt wurden, war dies eine gut gewählte Möglichkeit, Siebenbürgen auch einmal von der „juristischen“ Seite kennen zu lernen. Besonders Nichtjuristen konnten erleben, dass Recht nicht nur trocken und schwer verständlich sein muss, sondern auch Spaß machen kann. Wir freuen uns auf mehr Beiträge dieser Art.

Andrea Iosof



(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 17 vom 31. Oktober 2001, Seite 9)

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