3. November 2001

Oberth als Hauptgestalt eines Dramas

Gleich 23 Aufführungen des Bühnenstückes "Hitlers Dr. Faust" von Rolf Hochhuth plant für November die Leitung des Berliner Schlosspark-Theaters. Das in zwei Aufzügen von Marcello de Nardo inszenierte Drama um den "Vater der modernen Raumfahrt" Hermann Oberth wurde am 21. Oktober vor vollem Haus, mit minutenlangem Beifall und Lob für den Autor uraufgeführt.
Im Programmheft waren neben dem Schriftsteller Rolf Hochhuth und Wernher von Braun, Oberths Schüler, Theaterleute, Raumfahrt-, Kriegs- und Zeithistoriker wie Günter Siefahrt, Knut Boeser, Hans-Peter Dürr, David Irving, Hans Bergel u.a. zu Wort gekommen: jeder eine andere Facette in Persönlichkeit und Lebenswerk des großen Siebenbürgers beleuchtend.
 Am Tag der Premiere in Berlin: die Tochter des Raumfahrtpioniers, Dr. Erna Roth-Oberth, und der Autor Rolf Hochhuth. Foto: Karlheinz Rohrwild.
Am Tag der Premiere in Berlin: die Tochter des Raumfahrtpioniers, Dr. Erna Roth-Oberth, und der Autor Rolf Hochhuth. Foto: Karlheinz Rohrwild.

Zu der Uraufführung war auch die Oberth-Tochter Dr. Erna Roth angereist, begleitet von den Mitarbeitern des Hermann-Oberth-Raumfahrtmuseums in Feucht bei Nürnberg. Hochhuth machte Frau Roth die Aufwartung und zeigte sich nach dem ersten Aufzug erleichtert, als sie mit Anerkennung nicht zurückhielt.
In der Tat überzeugte der Theaterabend in jeder Hinsicht. Die bühnenwirksame Zusammenfassung entscheidender Lebensmomente Hermann Oberths, die klar pointierten Dialoge machten es den Schauspielern vor astronautisch suggestivem Dekor und unter der Leitung einer mit deutlichen Linien arbeitenden Regie verhältnismäßig leicht, die Dramatik des Stückes vom ersten bis zum letzten Satz lebendig zu erhalten. Jens Ole Schmieder als junger, besonders aber Hermann Treusch als älterer Oberth, Kristina Bangert als junge, vor allem freilich Christine Wodetzky als reife Mathilde "Tilla" Oberth spielten überzeugend, Treusch im Laufe des Abends zunehmend zwingender, suggestiver.
Natürlich lässt sich fragen, ob Oberths Leben nicht als dramatische Stationsfolge eines von der Welt verlachten, gequälten, geistig beraubten und schließlich allen Verhöhnungen und Demütigungen zum Trotz triumphierenden Genies angemessener auf die Bühne hätte gebracht werden können. Hochhuth - im Stil seines niemals verleugneten, in der Regel gekonnten Sprechtheaters - macht jedoch die Frage nach dem Wesen der genialen Leistung als grundsätzlich und immer wieder von gesellschaftlichen Interessen missbrauchter Erscheinung zum Thema der Auseinandersetzung mit Oberth. Zweifellos eine das 20. Jahrhundert prägende Gestalt, dient ihm dieser zur Veranschaulichung der ewig tragischen Doppelgesichtigkeit alles Menschlichen. So wurde das Stück zu einem Drama der Argumentation, deren Dialektik das Ehepaar Oberth austrägt. Dass Hochhuth dabei nicht moralisiert, ist eine der vielen erfreulichen Komponenten seines Werks. Hochhuth "zertritt" oder "zerfetzt" seinen politisch durchaus anfechtbaren Protagonisten nicht. Er stellt sich, was gute Autoren seit jeher tun, bei aller Kritik menschlich vor ihn. Das ist in unserer Zeit eines vorzugsweise mit dem Destruktiven arbeitenden Literaturcredos weiß Gott nicht die Regel.
Und schließlich sei diesem Telegrammbericht über das Berliner Theaterereignis eine Preisfrage an unsere Literaturhistoriker nachgeschickt: Wann war zum letzten Mal ein Siebenbürger als Hauptgestalt eines Dramas auf einer deutschen Bühne präsent? Gab es vor Oberth überhaupt je einen? Auch so gesehen ist die Erwähnung des Abends vom 21. Oktober im Berliner Schlosspark-Theater hier unumgänglich.

Hans Bergel


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November, Seite 5)

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