22. November 2001

Dieter Schlesak zum Dracula-Park in Schäßburg

Das geplante Projekt eines Horror-Vergnügungsparks in Schäßburg erregt nicht nur die Gemüter in Schäßburg und in Siebenbürgen. Mit einer Stellungnahme dazu hat sich kürzlich der in Schäßburg geborene und in Italien lebende Schriftsteller Dieter Schlesak an die Teilnehmer der Bergschulfeier in Schäßburg gewandt. Er plädiert, auf der Grundlage langjähriger intensiver Auseinandersetzung mit dem Dracula-Phänomen - zuletzt in dem gerade abgeschlossenen Roman "Die Dracula-Korrektur" (mehr unter http://geocities.com/transsylvania/) - für einen anderen Umgang mit der historischen Gestalt des "siebenbürgischen Vampirs" und damit für einen sanfteren Kulturtourismus.
Diese Stadt hat viele Stürme in ihrer bewegten Vergangenheit durch den Mut und die Tapferkeit der Schäßburger überstanden, sogar die bisher letzte Bedrohung, die Abrisswut des Bukarester Diktators - und nicht zuletzt den Zahn der Zeit hat sie überstanden! Jetzt hat Globalisierung samt Amerikanisierung auch Schäßburg erreicht. Die Weltaufmerksamkeit hat sich auf die Stadt gerichtet, die Bergkirche, namhafte Häuser wurden restauriert, die UNESCO hat Schäßburg zum Weltkulturerbe erklärt! 1999 erhielt Schäßburg auch die Ehrenfahne des Europarates. Aber Weiteres ist schon geplant und durchgerechnet: Das deutsche Unternehmen Westernstadt Pullmann City soll das sogenannte „Dracula-Land“ (Läääänd), soll einen Horrorpark bauen! Planen wird es die Balzer Continental Inc.- aus den U.S.A. Die Erstellung der Infrastruktur übernimmt Siemens. Und zum Projekt gibt es schon einen Regierungserlass vom 6. Juli 2001. Im Frühjahr 2002 soll mit dem Bau begonnen werden, 2003 soll er fertig sein!
Wie eine Faust aufs Auge - schon der englische, nicht der deutsche oder rumänische Name des angeblich 60 Hektar großen Monsters! Ein Disneyland mit Vampiren aus Pappmaché unter den tausendjährigen Eichen (ach was, die werden wohl gefällt)! Obwohl es ein Gesetz gibt, das die Breite zum Naturreservat erklärt. Obwohl die UNESCO jede ökologische Veränderung in unserer Stadt genehmigen muss. Und dann die geplante Drahtseilbahn von der Breite zum angeblichen „Dracula-Haus“ auf der Burg. Man stelle sich die Abertausende von Touristen in den engen Gassen der Stadt vor! Mit einer Million Stadtzertramplern aus Rumänien und aller Welt rechnet der Tourismusminister.
Aber Geld regiert die Welt. Und dieser Kommerz-Dracula hat mit dem Geschäft zu tun, kaum aber etwas mit Schäßburg und den Schäßburgern. Dieser „Vampyr“ ist eine Phantasiegestalt, Figur aus dem Roman „Dracula“ des irischen Autors Bram Stoker, bekannt geworden durch über 250 Filme, darunter viele grauslige Kitschfilme. Das Modell aber für den Dracula ist die verballhornte Gestalt des rumänischen Fürsten Vlad Tepes, des Pfählers, der vielleicht in Schäßburg, im ehemaligen Altfrauenheim, heute Dracula-Restaurant auf der Burg, im Jahre 1431 geboren sein soll. Dabei gab es das Gebäude damals noch gar nicht! Wahr ist nur, dass Vlads Vater Vlad Dracul 1431-1436 im Exil in der Stadt war, 1436 dann den Thron in der Walachei wiedergewann. Stokers Vampir Dracula freilich, und das ist wenig bekannt, beruht auf mittelalterlichen Chroniken, eher Flugschriften und Pamphleten, die vom Hof des Matthias Corvin in Buda ausgingen, wohl unter kräftiger Mithilfe unserer Vorfahren vor allem aus Kronstadt – ein Racheakt, weil Tepes viele Kronstädter Bürger gepfählt und die Stadt, ebenso Hermannstadt, belagert, dort gebrandschatzt und gemordet hatte. So machten die Siebenbürger Sachsen Tepes zum Unmenschen, Blutsauger und Vampir und zum Dracole Vayda, und haben jetzt die Bescherung: Konsummythologie und Kommerz in der schönsten Stadt des Landes!
Sicher, wir dürfen nicht blind sein, die Augen vor der Not der Stadt verschließen, der Armut, dem Zustand der Wirtschaft, der hohen Arbeitslosigkeit. Solch ein Dracula-Land mit Millionen Touristen würde Geld und Arbeit in die Stadt bringen. Doch das wahrscheinlich nur kurzfristig, das Interesse würde erlahmen wie bei vielen ähnlichen Freizeitparks, die kaum Einnahmen bringen, nur Ausgaben. Das Plastik-Dracula-Land würde veröden, was noch schlimmer wäre als reges Leben.
Auch ohne Dracula-Land werden die Touristen kommen um das Dracula-Haus zu sehen. Es gilt eher, diesen Strom einzudämmen, in Bahnen zu lenken, die die Bausubstanz schonen. Die dringend benötigten Einnahmen würden der Stadt auch dann zufließen, wenn sie mit dem Dracula-Phänomen, das auch Tiefgang hat, unsere Ängste um Liebe und Tod anspricht und zur okzidentalen Kultur gehört, so umgeht wie die Schweizer mit ihrem „Heidiland“ umgehen oder die Franzosen mit ihren Loire-Schlössern, die Deutschen mit ihrem Kölner Dom, die Italiener mit ihrem Florenz. Weshalb sollten Touristen und Interessierte nicht über den wahren Hintergrund der Dracula-Legende aufgeklärt werden? Vorträge, Seminare, Filme, ja, eine Bibliothek und ein Archiv über Dracula, über Vlad Tepes, die den Zusammenhang Tepes-Dracula erläutern, könnte in seriöser wissenschaftlicher Sicht, über das Problem Dracula und das Vampir-Thema informieren, über die Filme, die zahlreichen Romane und Erzählungen. Das würde viele wissbegierige Menschen anziehen. Es wäre der Stadt und ihrer Vergangenheit würdiger als dieser kommerzielle Kitsch-Klamauk mit dem Dracula-Land.

Dieter Schlesak

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