18. Dezember 2001

Kritik an Dezentralisierungs-Memorandum

Das kürzlich lancierte Grundsatzpapier rumänischer und ungarischer Intellektueller aus Siebenbürgen bezüglich der Regionalisierung Rumäniens stößt in der Öffentlichkeit auf breite Ablehnung und wird in der rumänischen Tagespresse heftig diskutiert.
Ausgangspunkt war die Erklärung einiger bekannter siebenbürgischer Persönlichkeiten (u.a. Gusztav Molnár, Miklos Bakk und Ovidiu Pecican), die in der zweisprachigen Zeitschrift „Provincia“ in Klausenburg (Cluj) publiziert wurde. Die Unterzeichner forderten eine Neustrukturierung Rumäniens nach spanischem oder deutschem Vorbild und mehr Selbstverantwortung für die Provinzen. Obwohl das Problem der Zentralisierung („Bucurestiocentrism“) auch von den Gegnern des Memorandums erkannt wird, ist sich die Mehrheit der politischen Kommentatoren einig, dass dieses bürokratische Problem auch ohne administrativ-territoriale Neueinteilungen des Landes gelöst werden könne. So führte Adrian Cioroianu in einem Beitrag für die Tageszeitung „Ziua“ an, dass die Initiative der Gruppe ungarischer und rumänischer Intellektueller eher eine Provokation als ein Denkansatz sei, auf dessen Grundlage man „eine ernsthafte Diskussion“ führen könne. In eine ähnliche Richtung argumentierte auch Cristian Tudor Popescu in der Zeitung „Adevarul“ vom 12. Dezember: Absicht der Autoren des Memorandums sei angeblich die Wiedererrichtung der „Autonomen Ungarischen Region Muresch“, die Gheorghe Gheorghiu-Dej in den fünfziger Jahren eingeführt und vom Ceausescu-Regime im Zuge der Neugliederung der Verwaltungsbezirke abgeschafft worden war.
Weite Teile der rumänischen Öffentlichkeit lehnen die Idee einer Dezentralisierung Rumäniens ab, weil sie in der (Teil-)Autonomie Siebenbürgens die Vorstufe für dessen Abspaltung vom „Mutterland“ sehen. Befürchtet wird auch, dass die für die Geschichte und Kultur Rumäniens so wichtige Provinz zunehmend unter ungarischen Einfluss gerät. Zusätzlich zu dem seit Monaten schwelenden Streit bezüglich des Ungarischen Statusgesetzes (die Siebenbürgische Zeitung berichtete) werden die Gemüter im Karpatenland durch die Memorandum-Verfasser angeheizt, so dass sich neben der rechtsextremistischen Großrumänien-Partei (PRM) von Corneliu Vadim Tudor auch gemäßigte Parteien, etwa die regierende Sozialdemokratische Partei PSD von Premier Adrian Nastase, der nationalistischen Polemik bedienen.

Christian Zgârdea



Artikel zu ähnlichen Themen:

Streit mit Ungarn nimmt kein Ende, Siebenbürgische Zeitung-Online, 21. November 2001

Rumänien gegen ungarisches Statusgesetz, Siebenbürgische Zeitung-Online, 15. August 2001

Nationale Töne überschatten Rumänien, Siebenbürgische Zeitung-Online, 25. August 2001

Bewerten:

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.