22. Dezember 2001

"Nirgends investiert man besser als in die Jugend"

Bischof Dr. Christoph Klein hat kürzlich die neuen Räume im landeskirchlichen Schülerheim in Hermannstadt eingeweiht. Landeskirchenkurator Paul Niedermeier trug eine lange Liste von Spendern und Förderern vor, wobei sich vor allem die Elena Muresanu-Stiftung um den Ausbau des Schülerheims verdient gemacht hat. Ministerialrat Bruno Lischke vom Bayerischen Sozialministerium nannte den Tourismus "eine große Chance für Siebenbürgen". Im landschaftlich schön gelegenen Michelsberg bei Hermannstadt soll bis 2003 eine internationale Jugendbegegnungsstätte entstehen.
"Man muss den Winter spüren", sagt lächelnd ein hübscher siebenbürgisch-sächsischer Teenager in Hermannstadt. Die coole Antwort auf die niedrigen Temperaturen zeigt, dass die Siebenbürger Sachsen ein widerstandsfähiger Menschenschlag sind. Das Mädchen hat in den neu eingeweihten Räumen des landeskirchlichen Schülerheims aber auch jederzeit ein warmes Dach über dem Kopf. Davon können viele Einwohner Rumäniens nur träumen.
Bei der Einweihung des landeskirchlichen Schülerheims in Hermannstadt, von links nach rechts: Ministerialrat Bruno Lischke vom Bayerischen Sozialministerium, der deutsche Generalkonsul in Hermannstadt, Peter Adamek, Pfarrer i.R. Kurt Franchy, die stellvertretende Schulinspektorin des Kreises Hermannstadt, Christine Manta-Klemens, und Bischof D. Dr. Christoph Klein. Foto: Michael Leh
Bei der Einweihung des landeskirchlichen Schülerheims in Hermannstadt, von links nach rechts: Ministerialrat Bruno Lischke vom Bayerischen Sozialministerium, der deutsche Generalkonsul in Hermannstadt, Peter Adamek, Pfarrer i.R. Kurt Franchy, die stellvertretende Schulinspektorin des Kreises Hermannstadt, Christine Manta-Klemens, und Bischof D. Dr. Christoph Klein. Foto: Michael Leh

Wenige Tage bevor Russlandhoch "Anja" Süddeutschland erreichte, war das Thermometer bereits in Hermannstadt auf minus zwanzig Grad gefallen. Während die verwöhnten Deutschen schon verspätete S-Bahnen und nicht anspringende Autos als Katastrophe empfinden, sich aber auch mit teurer Spezialkleidung für eine weitere schöne Skisaison rüsten, bedeutet ein harter Winter für viele Menschen in Osteuropa eine existentielle Bedrohung. "Vor 1989", erklärt Ortrud Rhein, die tüchtige Leiterin des Dr.-Carl-Wolff-Altenheims in Hermannstadt, "haben die Menschen in Rumänien oft darüber geklagt, dass die Heizungen erst am 15. November eingeschaltet wurden. Heute bitten viele darum , dass man sie danach wieder ausschaltet, weil sie die Heizrechnung nicht bezahlen können".
Wer im nach dem großen siebenbürgisch-sächsischen Sozialfürsorger Dr. Carl Wolff (1849-1929) benannten Heim einen Platz gefunden hat, darf sich glücklich schätzen. Es bietet moderne Zimmer und freundliche Gemeinschaftsräume für 106 Personen. 150 stehen auf der Warteliste. Das Haus wurde 1994 mit Hilfe des Bundesinnenministeriums für Angehörige der deutschen Minderheit errichtet. In der Wohn- und Pflegeeinrichtung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien spürt man die christliche Atmosphäre. Die in Kronstadt geborene Leiterin Ortrud Rhein, eine ausgebildete Theologin, engagiert sich nebenbei auch noch für ein Straßenkinder-Projekt in Hermannstadt.

Dachgeschoss ausgebaut

Auch im Schülerheim der evangelischen Kirche in der Fleischergasse 13 herrscht eine christliche Atmosphäre, die Geborgenheit vermittelt. Schon 1990 wurden hier Kinder aus allen Teilen des Landes untergebracht, um ihnen den Besuch verschiedener deutschsprachiger Schulen in Hermannstadt zu ermöglichen. Schrittweise wurde das denkmalgeschützte barocke "Haus mit den steinernen Jungfrauen" weiter ausgebaut. Nachdem jetzt auch der Dachgeschossausbau vollendet ist, bietet es rund fünfzig Schülern Platz. Die meisten der Jungen und Mädchen zwischen zehn und achtzehn Jahren besuchen das Brukenthal-Gymnasium in den Klassen neun bis zwölf.
Bischof Christoph Klein vor dem Eingang des landeskirchlichen Schülerheims in Hermannstadt. Foto: Michael Leh
Bischof Christoph Klein vor dem Eingang des landeskirchlichen Schülerheims in Hermannstadt. Foto: Michael Leh

Bischof Dr. Christoph Klein weihte die neuen Räume im Dezember 2001 in einer Feierstunde im Dachgeschoss des Hauses ein. Dabei waren auch der deutsche Oberbürgermeister von Hermannstadt, Klaus Johannis, und der Ehrenvorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), Professor Paul Philippi. Der Bischof hob die traditionell große Bedeutung der Schulen für die Siebenbürger Sachsen hervor, auch die enge Verbindung von Schule und Kirche. Landeskirchenkurator Dr. Paul Niedermeier sagte, es sei den Siebenbürger Sachsen bewusst gewesen, nur dank ihrer Schulen und mit einer hervorragenden Bildung bestehen zu können. Das Schülerheim für die Kinder der zerstreut lebenden deutschen Minderheit solle dazu beitragen, das Erbe der Vergangenheit in die Zukunft zu retten. Es bietet dafür auch ein Begleitprogramm neben der Schule. Heimleiter ist Diakon Mario Dietze, ein "echter" Sachse aus Meißen.

Viele Förderer

Der Landeskirchenkurator trug eine lange Liste von Spendern und Förderern vor, an erster Stelle das Bayerische Sozialministerium, auch das Auswärtige Amt hat sich finanziell beteiligt. Besonders aber hat sich die Elena Muresanu-Stiftung um den Ausbau des Schülerheims verdient gemacht. Diese hat der frühere ARD-Journalist Dr. Ernst Weisenfeld errichtet, der sie nach seiner verstorbenen rumänisch-siebenbürgisch-sächsischen Frau benannte. Vorsitzender der Stiftung ist der pensionierte Pfarrer Kurt Franchy aus Wiehl, der auch das Hilfskomitee für die Siebenbürger Sachsen leitet. "Es ist das Werk einer großen Gemeinschaft", sagte Pfarrer Franchy, "ein Werk, das umso mehr Mut macht, als hier jetzt Leben eingezogen ist". Jedes Jahr füge der betagte Ernst Weisenfeld, der nicht selbst zu der Feierstunde kommen konnte, seiner Stiftung weitere 25 000 Mark hinzu.
Der Dekan der Hermannstädter evangelisch-theologischen Fakultät, Hans Klein, betonte: "Nirgends investiert man besser als in die Jugend". Mit einer solchen Förderung werde den Kindern etwas gegeben, "was ihnen niemand mehr nehmen kann, nämlich eine ordentliche Bildung". "Wir sind natürlich nur wenige", fügte der siebenbürgisch-sächsische Hochschullehrer hinzu, "aber der Sauerteig kann eine große Wirkung haben". Die stellvertretende Schulinspektorin des Kreises Hermannstadt, Christine Manta-Klemens, dankte als Vertreterin des rumänischen Staates für die deutsche Hilfe. "Wir glauben, sie aber auch in guter Weise angenommen und vervielfältigt zu haben und hoffen auf weitere gute Zusammenarbeit". Sie kenne den Unterschied zwischen staatlichen Heimen und diesem evangelischen Schülerheim, sagte Frau Manta-Klemens: "Schüler, die in einer geborgenen Atmosphäre leben, sind glücklicher und offener auch für den schulischen Stoff. Wir Lehrer sind über solche Schüler natürlich auch froh". Der neue deutsche Generalkonsul in Hermannstadt, Peter Adamek, sprach seine Glückwünsche zur Erweiterung des Heimes aus. Desgleichen Ministerialrat Bruno Lischke aus München, der auch die Grüße der bayerischen Sozialministerin Christa Stewens und der Beauftragten für die Rumänienhilfe, Barbara Stamm, überbrachte. "Rumänien wird viel zu wenig dafür gelobt, dass hier deutschsprachige Schulen in großer Zahl fortbestehen", hob Lischke hervor. Andernorts gelte solches als "große Errungenschaft".

Gespräch mit dem Präfekten

Lischke leitet im bayerischen Sozialministerium das Referat "Grenzüberschreitende Zusammenarbeit". In Gesprächen mit Oberbürgermeister Klaus Johannis, dem Hermannstädter Präfekten Silvestru Mircea Lup und Vertretern des DFDR (es hat landesweit 53 000 Mitglieder) informierte er unter anderem über das bayerische Hospitationsprogramm für Erzieherinnen aus deutschsprachigen Kindergärten. Organisiert von der Landsmannschaft der Banater Schwaben sollen vom 17. Juni bis zum 12. Juli 2002 sechs Erzieherinnen aus Rumänien (darunter zwei aus Siebenbürgen) in Ingolstadt hospitieren. Lischke überreichte Klaus Johannis Werke über die Deportation der Südostdeutschen in die Sowjetunion und in die Baragan-Steppe. "Es ist wichtig, dass es diese Bücher gibt", erklärte der deutsche Oberbürgermeister, "es sind heikle Themen. Die Information darüber darf nicht verloren gehen". Drei seiner Großeltern und weitere Verwandte seien auch nach Russland deportiert worden.
Der 38-jährige Präfekt Lup äußerte sich anerkennend über die verschiedenen deutschen und bayerischen Hilfen. Rumänien durchlebe schwere Zeiten: "Aber ich meine, dass die Zeit kommen wird, wo wir diese Gesten auch erwidern können". Der Präfekt warb für deutsche Investitionen. Hermannstadt, das eine Direktflugverbindung mit München hat, könne seinen Flughafen nicht selbst weiter ausbauen. Deshalb seien deutsche Partner sehr willkommen. Lischke nannte den Tourismus "eine große Chance für Siebenbürgen". Im landschaftlich schön gelegenen Michelsberg bei Hermannstadt soll bis 2003 eine internationale Jugendbegegnungsstätte entstehen. Sie soll rund fünfzig Jugendliche beherbergen können. Dafür ist ein Anbau mit überdachtem Gang zum Elimheim geplant, einer Erholungsstätte der evangelischen Kirche, der das Grundstück gehört.

Bleibende Bedeutung

Wie ihr Landeskonsistorium mitteilt, hatte die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien am 1. Januar 2001 in ihren Kirchengemeinden, Kleinstgemeinden und Betreuungspunkten insgesamt noch 15 813 Mitglieder. Zu ihr gehören alle Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben, aber auch vor allem solche Rumänen und Ungarn, die in sächsische oder schwäbische Familien eingeheiratet haben. Ferner die Zigeuner eines ehemals sächsischen Dorfes sowie Personen aus ethnisch gemischten Gebieten.
In seinem Hirtenbrief zu Weihnachten und zum Jahreswechsel 2001 schreibt Bischof Klein: "Wir haben in unserer klein gewordenen Kirche immerhin 41 Pfarrer, dazu vier Gemeindepädagogen, Diakone und hauptamtlich angestellte Religionslehrer sowie vier freiwillige Helfer im geistlichen Dienst und, nicht zu vergessen, sechs Pfarrer im Rentenstand". Dazu kämen die 205 weltlichen Mitarbeiter.
Nach Ansicht Kleins hat die Evangelische Kirche Rumäniens A.B. trotz des großen Exodus der Deutschen bleibende Bedeutung: "Auch wenn wir eine kleine Gemeinschaft geworden sind", erklärt er im Gespräch, "sind wir doch immer noch unverzichtbar für dieses Land. Wir repräsentieren die Deutschen in Rumänien, vor allem in Siebenbürgen. Wir repräsentieren die Lutheraner, die auch in der Mitte zwischen den traditionellen großen hierarchisch geprägten Kirchen und den Freikirchen stehen. Wir sind oft ein Gesprächspartner und Vermittler zwischen ihnen und waren auch im theologischen Dialog seit Jahrzehnten immer eine wichtige Stimme, auf die man sehr wartet". Die Partner sähen "gar nicht auf unsere geringe Zahl", sondern auf das, was man "auch als Deutsche und Evangelische" noch immer bedeuten könne. Der große diakonische Einsatz strahle auch über die eigene Kirchengemeinde hinaus aus.

Michael Leh


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