28. Dezember 2001

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (V)

Großtransfer über die Karpaten / Johnny Kunst holt Trainer Franz Monis und fünf Derubau-Spieler zum Armeeklub CCA nach Bukarest / Hermannstadt wird den Aderlass nie mehr verkraften / Dinamo Kronstadt versucht gegenzusteuern
Die Zahl der Tricks und Mittel, die der Bukarester Armee- und der Polizeiklub anwenden, um Spieler für sich zu gewinnen, ist schier endlos. Der erste Streich gelingt dem Zentralen Armeeklub 1949: Franz Monis wird CCA-Trainer. Mit ihm gehen nach Bukarest: Bernhard Roth, Günter Müller, Günter Höchsmann, Horst Kremer und Albert Weidenfelder. Weitere Siebenbürger Spieler, hauptsächlich Hermannstädter und Schäßburger, und Banater folgen. Mit ihnen leitet Monis die nationale und internationale Erfolgsserie des Armeesportklubs ein. 1950 gewinnt CCA den ersten Titel, um ihn in den beiden folgenden Jahren erfolgreich zu verteidigen. In dieser Meistermannschaft sind nur vier nichtdeutsche Namen zu finden.
CCA Meister 1951: von links: Günter Höchsmann, Walter Lingner, Johnny Kunst, Franz Monis, Kurt Wagner, Horst Kremer, Hans Zultner, vorne: Albert Weidenfelder, Heinz Kartmann, Rudolf Haberpursch, Romica Tiganus, Otto Tellmann, Hans Andreas Bretz, Romica Platon und Günter Müller.
CCA Meister 1951: von links: Günter Höchsmann, Walter Lingner, Johnny Kunst, Franz Monis, Kurt Wagner, Horst Kremer, Hans Zultner, vorne: Albert Weidenfelder, Heinz Kartmann, Rudolf Haberpursch, Romica Tiganus, Otto Tellmann, Hans Andreas Bretz, Romica Platon und Günter Müller.

Schon vorher hatte Johnny Kunst eine Truppe Siebenbürger Sachsen um sich geschart, darunter Michael Brenner aus Agnetheln und Emil Haner aus Schäßburg. Dabei sind noch Janos Istvan aus Mediasch, Tiberiu Balas und Romica Tiganus. Der am 5. April 1926 in Schäßburg geborene Emil Haner erinnert sich noch an die Zeit: Im Herbst 1948 wird er zum Militärdienst eingezogen. Nach sechsmonatiger Grundausbildung kommt er erst zur CCA-Sportgruppe, die nur sieben Handballer hat, einschließlich Spielertrainer Johnny Kunst aus Lugosch. „Wir haben damals alle Spiele in Bukarest gewonnen. Um eine vollständige Mannschaft zu haben, sind wir jedes Mal zu den Basketballern und zur Rugbymannschaft gegangen, um elf Mann ins Feld schicken zu können“, erinnert sich Haner. „Und wenn wir ein Spiel nur mit 15 Toren Unterschied gewonnen haben, dann hat der Verantwortliche des Armeeklubs gemeckert“, sagt Haner. In der zweiten Hälfte des Jahres 1949 holt der Armeesportklub weitere Spieler nach Bukarest: Horst Müller und Johann Untch aus Schäßburg, Günter Reinhard und Rolf Tschalner aus Heltau sowie Karl Zimmer und Bubi Mrasz aus Agnetheln. „Damit hatten wir eine richtige Mannschaft“, sagt Haner, „mit ihr haben wir den Aufstieg aus der Distriktklasse in die erste Liga geschafft. Und dann erst ist Franz Monis mit den fünf Spielern aus Hermannstadt nach Bukarest gegangen. Mit diesem Coup hat der Armeeklub gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: den Meisterschaftskonkurrenten Derubau Hermannstadt geschwächt, sich selbst verstärkt und eine schlagkräftige Mannschaft aufgebaut. Monis hatte damals nichts zu sagen, er hat nur das getan, was Johnny Kunst ihm zugeflüstert hat“.
Die damaligen CCA-Gegner in der Distriktmeisterschaft Bukarest, Viforul Dacia und Telefoane, hatten nur Basketballmannschaften. Die haben bei Bedarf auch Handball gespielt, erinnert sich der am 12. Januar 1926 in Hermannstadt geborene Günter Müller. Der linke Verteidiger, der unter Turnlehrer Rudolf Schneider 1942 in der Schülermannschaft der Handelsschule in Kronstadt Handball zu spielen beginnt, verhilft mit den anderen Derubau-Spielern unter Franz Monis CCA zu den ersten Erfolgen.
Die Frauenmannschaft von Flamura Rosie Mediasch wird unter Trainer Wilhelm Lapka 1949, 1950 und 1951 Meister. Ein Jahr darauf ist die Reihe an den Frauen von Stiinta Bukarest. 1953 wird Walther Maiterth mit Stiinta Temeswar Meister. Maiterth ist erst 22 Jahre alt.
Die Erfolge des Bukarester Armeeklubs auf dem Großfeld – CCA gewinnt sieben Titel – werden von Dinamo Kronstadt (1953 und 1958), von Stiinta Temeswar (1956), Dinamo Bukarest (1959 und 1963) und Chimia Fogarasch (1960 und 1962) unterbunden. In den Reihen des Temeswarer Meisters steht der junge Hans Moser, dessen Stern noch aufgehen wird. 1956 wird die Frauenmannschaft von Progresul Kronstadt Meister. In Kronstadt wird 1948 die Mannschaft des Traktorenwerks gegründet. Ihr gehören beispielsweise die Honigberger Misch Schoppel, Hans Kloos, Gusti Mild und Peter Streitferdt an. Dieser Mannschaft ist nur die von Dinamo Kronstadt überlegen, die ihre Spieler aus dem ganzen Land holt. Um eine schlagkräftige Mannschaft aufzubauen, verpflichtet Dinamo Kronstadt im Frühjahr 1950 Otto Schmitz als Trainer. Er wird die Mannschaft sechs Jahre lang betreuen. Doch Schmitz muss einen Teil seiner Spieler an den großen Bruder in Bukarest abtreten und eine neue Mannschaft aufbauen. Er holt Peter Streitferdt von Tractorul, Fritz Martini aus Mediasch, Heinz Krestel, Hans Zank und Ernst Pahan. Später kehrt Mozsi Balas aus Bukarest zurück, und 1951 ist Dinamo Kronstadt Vizemeister hinter CCA. Die weiteren Erfolge des Otto Schmitz in Kronstadt: drei Vizemeistertitel (1952, 1954 und 1955) und ein Meistertitel 1953. Um einen wird die Mannschaft allerdings 1951 betrogen. CCA muss, so der damalige Dinamo-Trainer Otto Schmitz, den zweiten Titel in Folge einfahren, damit die Verantwortlichen, Trainer und Spieler Meister des Sports werden und die damit verbundenen Begünstigungen einfahren können. Aber auch die Funktionäre des Handballverbandes profitieren davon. Über ein weiteres entscheidendes Spiel, in dem es nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll, berichtet Peter Streitferdt. Es ist die während des Ungarn-Aufstandes 1956 in Temeswar gegen Poli ausgetragene Begegnung. Doch darüber später mehr.
Die Erfolge auf dem Großfeld können die Kronstädter auf dem Kleinfeld und in der Halle nicht wiederholen. Allmählich werden deutsche Namen in der Mannschaft selten. In den 70er Jahren gehören zu den Leistungsträgern der Siebenbürger Günther Schmidt, der die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele in Montreal vergebens mitgemacht hat, und die beiden von Tehnometal nach Kronstadt geholten Ewald Kolleth (Marienfeld) und Niki Messmer (Sackelhausen).
Zu einem Meisterschaftsfinale, das wenigstens im Westen einen Skandal ausgelöst hätte, kommt es 1979. Am letzten Spieltag besiegt Poli in einem hartumkämpften Spiel vor 2 000 Zuschauern in der ausverkauften Temeswarer Halle Steaua Bukarest. In einer Abwehrschlacht, in deren Mittelpunkt Roland Gunesch steht, schlagen die Temeswarer eine Mannschaft, die von 1967 bis 1976 zehn Titel in Folge gewonnen, aber 1977 Dinamo Bukarest den Vortritt lassen musste. Steaua-Trainer Cornel Otelea, erfolgsverwöhnt, schäumt vor Wut, steht dem einzigen anwesenden Journalisten, er kommt vom Neuen Weg, nicht zur Verfügung. Die Temeswarer jubeln, doch zu früh, denn es ist noch ein Nachholspiel auszutragen: Dinamo Bukarest gegen Steaua. Den Ausgang dieser Begegnung regeln der Innen- und der Verteidigungsminister unter sich. Dinamo muss das Spiel gegen Steaua verlieren, andernfalls ist Poli Meister. Jetzt ist die Reihe an Poli-Trainer Constantin Jude. Doch er ballt die Fäuste vergebens.
Dieser Beitrag gehört zur Reihe „Geschichte und Geschichten um den Siebenbürger und Banater Handball“. Handballtrainer und Spieler kommen zu Wort, die etwas geleistet oder es zu etwas gebracht haben. Es ist eine Serie, die nicht den Anspruch erheben will und kann, vollständig oder perfekt zu sein. Wer meint, dass noch das eine oder andere dazu gehört, sollte sich beim Autor melden unter Telefon: (0 22 46) 21 66, E-Mail: Waltraud.Steiner@t-online.de.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 19 vom 30. November 2001, Seite 15)

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