2. Oktober 2000

Zehntes Sachsentreffen in Birthälm gibt Gelegenheit zur Selbstdarstellung

Das 10. Sachsentreffen im siebenbürgischen Birthälm bot am zweiten Septemberwochenende den im Herkunftsland verbliebenen Siebenbürger Sachsen Gelegenheit zu überzeugender Selbstdarstellung. In Erinnerung gerufen und veranschaulicht wurden die Leistungen, die das Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) seit dem Umsturz von 1989 in Rumänien aufzuweisen hat.
Etwa 200 Ehrengäste - so viele wie noch nie - zählte die Geschäftsstelle des Siebenbürgenforums (DFDS) am 9. September beim offiziellen Empfang im Birthälmer Pfarrhaus vor der eigentlichen Eröffnung des diesjährigen Sachsentreffens. Im Predigerhaus nebenan konnte die Saxonia-Stiftung auch die letzten der insgesamt 1700 Tombola-Lose und fast so viele Festtagsabzeichen absetzen, die heuer als Eintrittskarte zu den Veranstaltungen innerhalb und außerhalb der Burg galten. All das geschah am nunmehr 10. Heimattag der Sachsen in der angestammten Heimat unter dem Motto "Das sind wir". Der Leitgedanke hat offenbar nicht nur die Redner zu besinnlichen Grußworten angeregt, auch die Organisatoren spurten anders als bidher. Allen voran waren es die Birthälmer Sachsen und ihr neuer Bürgermeister mit sächsischen Vorfahren, Cornel Ratiu, dann die Mediascher Landsleute und nicht zuletzt die DFDS-Geschäftsstelle.

Ein Ortsschild empfing zweisprachig, rumänisch und deutsch, schon bei der Einfahrt zum einstigen Bischofssitz erstmals seit 1991 die Gäste der Veranstaltung, ein weiteres hieß sie in der Gemeinde gar viersprachig (rumänisch, deutsch, englisch und französisch) willkommen, und kein einziges Schlagloch schuf wie bislang den zahlreichen Autofahrern bei der Anfahrt bereits ab Scharosch Probleme. Ferner hat der Treppenaufgang zur Kirche praktisch über Nacht ein neues Schindeldach erhalten und die Parkanlage davor neue Pflastersteine. Auch "das sind wir", wenn es heißt, ein kleines Jubiläum möglichst groß aufzuziehen.
Allein mit der Übersetzung ins Rumänische "Asa suntem noi" ("So sind wir") wollte man sich offenbar dennoch etwas anders den Andersnationalen darstellen. Oder auch nicht. Denn glücklicherweise ist diese kleine Restgemeinschaft der Siebenbürger Sachsen eben immer noch so oder wieder das, was der Festredner und DFDR-Ehrenvorsitzende Paul Philippi einen "kleinen, aber feinen europäischer Katalysator" nannte zwischen den großen Völkergemeinschaften auf dem alten Kontinent. Vielleicht auch deshalb hat der anwesende Kultusminister Bayerns, Hans Zehetmair, beim Festgottesdienst in der Marienkirche den Anwesenden gerade in diesem Sinne Mut gemacht: "Wir brauchen Sie als Europäer." In Bayern übrigens hat man sie schon unsere Landsleute, nahezu 100.000 an der Zahl, und dann noch "in vieler Herren Länder verstreut, aber doch im Geiste verbunden", wie Volker Petri, der Bundesobmann der österreichischen Landsmannschaft im Namen der weltweiten Föderation der Siebenbürger Sachsen unterstrich.
Diese Verbundenheit wurde denn auch einmal mehr deutlich beim diesjährigen Treffen. Gar aus dem fernen Kolumbien war der gebürtige Agnethler Hans-Georg Andree angereist, er und seine Cousin Friedrich Christian Andree aus Heilbronn präsentierten beide das, was man selbst in ihrem Gebrutsstädtchen am Harbach heutzutage so nicht mehr zu Gesicht bekommt: die stattliche Agnethler Patriziertracht.
Überhaupt gab es so viele sächsische Trachten wie bislang noch nie beim Birthälmer Treffen. Denn nicht nur die Volkstanzgruppen aus Hermannstadt, Kronstadt, Mediasch, Zeiden, Neumarkt, Sächsisch-Reen oder aus dem fernen österreichischen Traun hatten wie üblich zu diesem Anlass neben den Burzenländer und Probstdorfer Bläsern oder den Schäßburger Sängern die einstige Festkleidung aus unterschiedlichsten Regionen angelegt, auch aus Deutsch-Weißkirch, Rode, Burgberg und Neudorf waren Ortsansässige beinahe in kompakter Gruppe gleichfalls mit Bockelhauben, Heftel, Spangengürteln und wunderschönen sächsischen Kirchenpelzen angerückt. Viele Trachtenträger standen so nach alter Sitte Spalier am Kirchenportal vor dem Festgottesdienst und füllten danach die ersten Bankreihen im Mittelschiff und dann noch die vor dem Flügelaltar in der Kirche. Danach beherrschten sie als ansehnliche Hundertschaft bis in die späten Nachmittagsstunden mit schwungvollen Tänzen den Dorfanger. Das gleiche gilt für die blau-roten Fahnen, die so zahlreich das Bild von Birthälm ebenfalls seit gut einem halben Jahrhundert mit Sicherheit nicht mehr geprägt haben.
Und so zahlreiche wie honorige Gäste hat es hier möglicherweise auch nur damals noch gegeben, als Birthälm sächsischer Bischofssitz war. Der Bukarester Kulturminister Caramitru und sein Münchener Amtskollege Zehetmair, obwohl nicht angesagt, ließen sich das Ereignis nicht entgehen, die Vertreter der Kirche ohnehin nicht, und die Forumsmitglieder waren von der Spitze bis zur Basis gleichfalls bestens auch überregional vertreten, ganz abgesehen von sächsischen Landsleuten aus aller Herren Ländern, die beinahe zahlreicher als die in Siebenbürgen noch ansässigen erschienen waren. Selbst die bayerische Delegation um den Staatsminister für Kultur, Wissenschaft und Forschung, ferner Diplomaten und Angehörige der Londoner Stiftung "Mihai Eminescu" wollten bei dieser Gelegenheit in Erfahrung bringen, wie und was die Siebenbürger Sachsen eben (noch) sind.
Dabei hatte diesbezüglich D. Dr. Christoph Klein in seinem "Wort des Bischofs" fast alles vorweggenommen, was in der Predigt, den Fest- und Dankesreden sowie in Grußworten rund um das Motto in seinem grammatikalischen Präsens auch rück- und vorausblickend über die Gemeinschaft hatte andeuten wollen. Das hier alles anzuführen, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Eines jedenfalls bleibt für die Sachsen gültig, singen sie doch gerne und zu jedem festlichen Anlass immer noch neben dem "Siebenbürgenlied" ihre sächsisches "Mer wellen bleiwen, wat mer sen". So auch heuer. "Ja", sagte dazu das Oberhaupt der Heimatkirche, "wir wollen bleiben, was wir sind. Aber wir wollen nicht unbedingt bleiben, wie wir sind. Wir haben in diesen zehn Jahren einen großen Wandlungsprozess erfahren, durch den wir anders geworden sind, als wie wir waren: offener und weniger abgeschlossen, ökumenischer und weniger konfessionell engstirnig, mehr welt- und gesellschaftszugewandt, weniger auf unsere Ethnie und Sprache fixiert. Mehr noch: Nur durch Wandlung in dem, wie wir sind, können wir bleiben, was wir sind."
Gerade das wollte auch das Siebenbürgenforum schließlich mit seiner Ausstellung in der Birthälmer Schule demonstrieren, wo viele DFDS-Untergliederungen über Bildtafeln Rückschau hielten auf die zehn Jahre Bestehen der weltlichen Interessenvertretung. Bloß Interesse an der Schau haben leider nicht viele bekundet, wenngleich die Mediascher und Schäßburger, aber auch die Hermannstädter und Neumarkter neben der Saxonia-Stiftung beachtliche Leistungen veranschaulichen konnten.
Dafür aber ehrte man den Mitbegründer von 1989 des Forums: den Hermannstädter Hans Klein, der danach in seiner Eigenschaft als Stadtpfarrer, Dekan, Bischofsvikar, Forumsvorsitzender oder Stadtrat stets dafür gesorgt hat, "dass wir die Hoffnung nie verlieren", hieß es in der Laudatio von Beatrice Ungar. Er war es auch, der "einen Schritt zur Normalität" unter gleichfalls nicht leichten Bedingungen wagte und den Anschluss des DFDS an die Föderation der Siebenbürger Sachsen als Vorsitzender des Siebenbürgenforums vollzog. Trotzdem zeigte sich der Gefeierte selbst überrascht über die Verleihung der Honterus-Medaille, da man damit seine "spontane, sprunghafte und nicht ganz kontrollierte Art" fast ungemäß ehre. Das ist er eben, dieser Hans Klein, der, wie er selbst sagte, im Forum seine eigene Identität wie nirgend anderswo gefunden habe. "Das fördert und weist nach vorne. Wohin es führt, würden wir gerne wissen, aber die Zukunft ist noch weniger berechenbar als meine Art." Trotzdem: "Ich sehe meistens das Licht am Ende des Tunnels, und es ist, als ob mich das Düstere der Zukunft richtig anzieht. Lasst uns freudig und ein wenig mutig diese Zukunft mitgestalten, weil dies Gestalten nicht nur unter der Verheißung steht, sondern auch wirklich Spaß macht und schön ist."
Das zu hören, machte in der Tat Spaß, und darum auch war es schön in Birthälm - nicht nur vom Wetter her. Und ein besonders schönes Geschenk kam zudem noch aus England: "Vor zwei Jahren besuchte ich Siebenbürgen. Ich hatte von der Gegend vorher gehört, nicht nur auf Grund meiner Familienbeziehung, sondern auch wegen der berühmten Geschichte, Baukunst und Landschaft. Nichts hatte mich auf die Schönheit und Einmaligkeit dessen vorbereitet, was ich zu sehen bekam. Es tut mir außerordentlich leid, bei diesem wichtigen Treffen der Sachsen nicht anwesend zu sein."
Das bedauerte kein Geringerer als Prinz Charles von Wales, der englische Thronfolger, in seiner Grußbotschaft an die Anwesenden beim Birthälmer Sachsentreffen, und D. Dr. Christoph Klein hat neben seinem "Wort des Bischofs" die ehrenvolle Botschaft in der Heiligen Marienkirche verlesen. In dem Schreiben hieß es weiter: "Ich sende Ihnen diese Botschaft, um Ihnen zu sagen, dass ich beabsichtige, alles mir Mögliche zu tun, um die einmalige Kultur, die Tradition, die Kunst und Architektur Ihrer stolzen 900jährigen Geschichte bewahren zu helfen."
Die Londoner Eminescu-Stiftung hat im Sinne des Prinzen in Radeln, Deutsch-Weißkirch, Meschen, Klosdorf und jüngst in Heltau bereits einiges getan und will in ähnlicher Weise Sicherungsarbeiten an Baudenkmälern auch in Birthälm, Reichesdorf, Niemesch, Lasseln oder Malmkrog durchführen lassen. Selbst ein Auftrag an die Hermannstädter Lokalverwaltung für eine Mustersanierung der Fassade der einstigen Bodenkreditanstalt am Großen Ring liegt vor.
Schon viel vor 1989 als Stiftung für die Förderung von Kontakten zu rumänischen Akademikern gegründet, hat der englische "Eminescu-Trust" nach dem Umbruch seine Zielsetzungen geändert und sich dem sächsischen Kulturgut zugewandt. "Eine romantische Geschichte", meinte dazu Nathaniel Page, der Workshop-Moderator in Birthälm, "aber schließlich sind ja auch wir Engländer irgendwo Sachsen".
So entstand ein eigenes "Programm zur Wiederbelebung sächsischer Dörfer" mit dem Zweck, sowohl das architektonische Erbe des sächsischen Siebenbürgens zu erhalten als auch die Wirtschaft und den Gemeinsinn in den einst sächsischen Dörfern wieder zu beleben. Die erklärte Utopie ist es, dass sich dann, "sobald einige der sächsischen Dörfer saniert sind und deren Wirtschaft wieder belebt ist, auch mehr Sachsen entschließen werden, in ihre schöne Heimat zurückzukehren, um diesen Prozess zu unterstützen". Allein Nathaniel Page weiss auch, dass dies vorerst nur ein Traum ist.
Tatsache jedoch bleibt: Aus Deutsch-Weißkirch, wo der englische Trust bereits ein Schulungszentrum zur Ausbildung von Handwerkern führt, konnte Caroline Fernolend erste Erfolge melden. Rund 900 Touristen besuchten allein in diesem Jahr die Gemeinde im Zekel-Tal, 400 davon haben dort in den elf Gästehäusern übernachtet, die mittlerweile von den Dorfbewohnern eingerichtet wurden. Und ein weiterer Gewinn: "Auch Rumänen und Zigeuner, ebenfalls in die Arbeiten des Trusts eingebunden, gelangen so in eine ganz andere Beziehung zu unseren Häusern, zu unserer Kultur", weiß die sächsische Gemeinderätin von Deutsch-Weißkirch zu berichten, die übrigens am Sachsentag in Birthälm mit ihrer Familie auch die originellste Trachtengruppe stellte.

Martin Ohnweiler

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