2. Oktober 2000

Ergiebige 'Bayerische Kulturtage' im siebenbürgischen Hermannstadt

Bei den "Bayerischen Kulturtagen", die Anfang September in Hermannstadt veranstaltet wurden, haben die Bemühungen um die Erhaltung und Pflege des deutschen Kulturerbes in Siebenbürgen und Rumänien eine zentrale Rolle gespielt.
Auf eine typische Seite Bayerns eingestimmt wurden die Hermannstädter bereits am Freitag vor dem Sachsentreffen in Birthälm, als auf dem Großen Ring das Festzelt für rund 700 Personen mit kulinarischen Spezialitäten aus dem Freistaat und Bläsern in Lederhosen eröffnet wurde. Hochstimmung herrschte hier bis zum Abschluss der Veranstaltungsreihe, denn die schmackhaften Schweinshaxen, die knusprigen Brathändel, den Leberkäs oder die Nürnberger Würste, allesamt mit Sauerkraut garniert, die Brezen, das Schmalzbrot und natürlich den Gerstensaft aus zahlreichen Zapfhähnen wollte man sich nicht entgehen lassen.

Doch die eigentlichen Ereignisse der "Bayerischen Kulturwoche" Anfang September in Hermannstadt gingen dann doch weit über die urige Geselligkeit solcher Festzelte mit "humpenstemmenden" Damen im Dirndl hinaus, denn Bayern präsentierte rund zehn Tage lang den Hermannstädtern auch die anspruchsvollere Seite seiner Kultur. Bereits an dem genannten Freitag hatte der Staatsminister für Kultur, Wissenschaft und Forschung aus München, Hans Zehetmair, im Brukenthalpalais auf "Schnittpunkte und Positionen" bayerischer Künstler aufmerksam gemacht. Und der Vorsitzende und Vorstandssprecher das bayerischen Landesverbands bildender Künstler, Klaus von Graffon, hatte für die Ausstellung gleich acht Kollegen aus unterschiedlichsten Bereichen (Malerei, Grafik, Fotografie, Rauminszenierung und Bildhauerei) verpflichtet, die der Museumsdirektor denn auch "eine postmoderne Provokation in barocken Räumen" nannte. Hier angesiedelt war desgleichen die Ausstellung von Heinz Schunn, dem gebürtigen Bistritzer und danach Honterus-Schüler, der, nun neben München lebend, erstmals seine Farbholzschnitte und Materialdrucke in eigenwilliger Farbenpracht und Leuchtkraft dem Hermannstädter Publikum vorstellte.
Überhaupt standen die Siebenbürger Sachsen und ihr kulturelles Erbe wiedeholt im Mittelpunkt der zahlreichen Ausstellungen, Lesungen, Symposien, Konzerte oder Theater- sowie Filmaufführungen dieser Kulturwoche. Und das nicht zufällig, denn schon um das Jahr 1000, wie Kirchenkurator Dr. Paul Niedermaier beim Empfang der Staatsministerin Barbara Stamm Tage vorher unterstrichen hatte, seien die ersten Siedler gerade aus Bayern in den Karpatenraum gezogen, und seither verbinden diese Regionen "gemeinsame Wurzeln", wie es wieder und wieder in diesen Tagen von offizieller Seite hieß. Möglicherweise auch darum gestand der bayerische Justizminister Manfred Weiß zum Abschluß der Kulturtage auf der großen Bühne neben dem Festzelt und vor dem Konzert des bayerischen Landesjugendjazzorchesters: "Wir sind in die richtige Stadt gegangen." So empfanden das mit Sicherheit auch die übrigen rund 100 Botschafter der bayerischen Kultur.
Dass die Kulturtage eigentlich auf eine Initiative eines beherzten Privatmanns zurückzuführen waren, hat man nur so nebenher erfahren. Der Name Teodor Christen aus München ist in diesem Zusammenhang zwar immer wieder gefallen, auch wenn der Exil-Rumäne letztendlich nur in Zusammenarbeit eben mit der bayerischen Staatsregierung, die sich das Ereignis immerhin rund eine halbe Million Mark kosten ließ, seine Idee verwirklichen konnte. Mit von der Partie waren dann in Partnerschaft noch die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen und ihr Kulturreferat, die Münchener Habermann-Stiftung, das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim und das Haus des Deutschen Ostens neben der OWZ wie IMAG München.
Aktiv jedenfalls waren die siebenbürgischen Landsleute innerhalb und außerhalb dieser meist regierungsunabhängigen Organisationen: Beim Symposion "Kulturbegegnungsräume - Mittel- und Südosteuropa" haben fast ausschließlich sie kulturgeschichtlich relevante Aspekte aus der bayerisch-siebenbürgischen Vergangenheit in Referaten (Paul Niedermaier, Irmgard Sedler, Hans-Werner Schuster, Cornelius Zach, Dionisie Ghermani), moderiert von Dr. Krista Zach, veranschaulicht und darüber hinaus dann noch über eine Bild-Dokumentation in der hiesigen Universität. Die von Irmgard Sedler koordinierte Schau im Franz-Binder-Museum am Kleinen Ring "Bayerische Lederhosen und siebenbürgische Bockelhauben" belegte zusätzlich, was die beiden "wertebewahrenden" Regionen miteinander verbindet.
Mehr auf Gegenwart und Zukunft bezogen waren die Aktivitäten der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung aus München. Erstmals wurde der "Hans-Christian und Beatrix Habermann-Preis" in dem Geburtsort des Stiftungsgründers vergeben und erstmals zudem an sächsische Sprachforscherinnen: Anneliese Thudt und Dr. Sirgird Haldenwang, die "zwei gelehrten Damen", wie es in der Laudatio von Dr. Anton Rossbach, Deutschlands Botschafter in Bukarest von 1992 bis 1996, hieß, erhielten ihn, da sie sich "um die Fortschreibung des Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuchs ganz besonders und in einer herausragenden Weise verdient gemacht haben". Rund 30 Jahre haben die Wissenschaftlerinnen an diesem Standardwerk bislang mitgearbeitet und die sächsische Sprache als Erbe, weil Abbild einer Kultur, einer Gesellschaft und einer Geschichte, dokumentiert und auf diese Weise auch am Leben erhalten. Doch die Habermann-Stiftung konnte auch auf weitere Initiativen in dieser Richtung über eine Bild-Dokumentation im Spiegelsaal des Forums verweisen: auf ihre Prestigeobjekte wie die Kirchenburgen von Tartlau und Honigberg, aber auch andere ihrer Sicherungsmaßnahmen an sächsischen Baudenkmälern, auf das finanzielle Engagement der Stiftung am internationalen Interpreten- wie Komponistenwettbewerb "Carl Filtsch", an dem sich bei der nunmehr fünften Auflage immerhin 32 Klaviervirtuosen aus sechs Ländern beteiligten, wobei der ehemalige Preisträger dieses Festivals, Leonhard Westermayer, im Armeehaus und im Anschluss an Festansprachen des rumänischen und des bayerischen Kultusministers, Ion Caramitru und Hans Zehetmair, mit seinem Festkonzert die "Bayerischen Kulturtage" eigentlich offiziell einläutete.
Ganz auf die Zukunft ausgerichtet waren Kulturprojekte, die Dr. Anneli Ute Gabanyi, Dr. Gabriel Liiceanu, Dr. Christoph Machat sowie sein ehemaliger Studienkollege und Ex-Kultur- und Außenminister Rumäniens, Dr. Andrei Plesu, bei einem Podiumsgespräch, moderiert von Emil Hurezeanu, vorstellten. Nach dem Vorbild des Literaturhauses in München will Frau Gabanyi, bekannte Politologin und Referentin für Rumänien am Münchner Südost-Institut, ein Literturcafé im Haus in der Hermannstädter Heltauergasse 16 eingerichtet wissen. Das Anwesen, wenn an die Familie Bedeus einmal zurückerstattet, soll, so der ausdrückliche Wunsch von Ingeborg von Friedeburg-Bedeus, mit dieser Auflage der Stadt übereignet werden. Eine Mediathek im Kellergeschoß der ebenfalls in der Heltauergasse angesiedelten Humanitas-Buchhandlung könnte sodann auf Wunsch von Dr. Liiceanu entstehen, während Dr. Machat weiterhin an der Dekmaltopographie Siebenbürgen arbeitet, jedoch als Filiale-Vorsitzender der Messerschmitt-Stiftung in Schäßburg nun auch für Hermannstadt an Restaurierungen denkt. "Hermannstadt, Hermannstadt über alles" müßte man in diesem Kontext anstimmen, meinte Andrei Plesu und verwies auf die Tatsache, dass hier ein deutscher Bürgermeister die Wahlen im Frühjahr gewonnen hat. Aus "der gleichen Ecke" wünschte sich übrigens der Ex-Minister einen Präsidenten für sein Land.
Sein Amtsnachfolger Ion Caramitru war da schon bescheidener und erinnerte zum Abschluß der Kulturtage lediglich an die greifbaren Ergebnisse dieses für Hermannstadt bislang einzigartigen Ereignisses: eine mögliche Partnerschaft zwischen dem bayerischen Landshut und der Stadt am Zibin, die Eröffnung in der Reispergasse eines Beratungsbüros der GTZ für Altstadtsanierung und dann noch der Wirtschaftsgipfel am Rande der "Exposib 2000", wo Unternehmer aus beiden Regionen eine mögliche Zusammenarbeit ausloteten.
Der größte Gewinn aber war: Die Stadt wurde mit Leben gefüllt wie noch nie und war Anziehungspunkt für Hafner und Händler beim Töpfermarkt, aber auch für Touristen die in Bussen aus Trier über Deggendorf und bis Nürnberg all dies gemeinsam mit den Hermannstädtern vollauf genossen haben.

Martin Ohnweiler

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