26. Januar 2002

Eindrucksvolle Wiederentdeckung: Norbert von Hannenheim

Im Rahmen des Internationalen Symposions „Schönbergs Berliner Schule“ fanden zwischen dem 30. November und dem 2. Dezember letzten Jahres in der Akademie der Künste in Berlin vier Kammermusikkonzerte mit Werken von Schönberg-Schülern, begleitet von fünf Vorträgen und einer Ausstellung, statt. Im Mittelpunkt des Symposions stand der 1898 in Hermannstadt geborene und 1944 wahrscheinlich ermordete Komponist Norbert von Hannenheim, einer der Meisterschüler Arnold Schönbergs.
In den vier Kammermusikkonzerten in der Akademie der Künste in Berlin kam es zur ersten Gesamtaufführung und zum Teil Uraufführung der Streichquartette von Hannenheims. Außerdem wurden eine Sonate für Viola und Klavier, eine Suite für Viola und Klavier sowie die Rilke-Lieder für Sopran und Orchester zu Gehör gebracht. Klaviersonaten Norbert von Hannenheims erklangen bei der Eröffnung der Ausstellung, wobei es sich bei sämtlichen Kompositionen „für Interpreten und Hörer in gleicher Weise um anspruchsvolle Stücke handelt, deren zwischen Melancholie und Aggressivität schwankender Charakter, die Stimmung Hannenheims in den späten dreißiger Jahren widerspiegeln mag“, so Ludwig Holtmeier in seinem Einführungsvortrag. In einer kurzen Werkanalyse ging Holtmeier auf das 1928 entstandene Streichtrio ein, dessen kompromisslose Linearität ihn faszinierte und das im Nachlass von Alban Berg aufgefunden worden war. Überhaupt folgten Hannenheims Werke - so Holtmeier - formal weniger stark den Wiener klassischen Modellen wie sonst in der Schönbergschule üblich, sondern orientierten sich eher an vorklassischen Satzmodellen wie der Passacaglia, die allerdings gänzlich neuartige Prägungen erhielten.
Dieser Vortrag sowie zwei weitere von Michael Polth und Albert Breier, die sich mit der Persönlichkeit und dem komponistischen Profil Norbert von Hannenheims auseinandersetzten, machten ergänzend zu den Konzerten die Sonderstellung des siebenbürgischen Komponisten unter den Meisterschülern Schönbergs deutlich. Um die Wiederentdeckung dieser Komponisten, die zwischen 1925-1933 an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin studiert hatten, und deren Biografien allesamt einen brutalen Knick oder ein trauriges Ende aufweisen, hat sich der Musikwissenschaftler Peter Gradenwitz Verdienste erworben. Gradenwitz und seiner postum veröffentlichten Biografie (Ein Fall von ,Genie und Wahnsinn‘. Glanz und Elend des Norbert von Hannenheim – Berichtigung verbreiteter Sekundärquellen. In: Die Musikforschung, 54. Jahrgang, 2001, Heft 4), ist wohl auch die inzwischen erfolgte Neubewertung von Hannenheims zu verdanken. So wertete ihn Holtmeier als überragende kompositorische Begabung, größten Kontrapunktiker und wohl auch bedeutendsten Schüler Schönbergs, der es als Einziger wagte, dem Meister im Unterricht offen zu widersprechen.

Peter Szaunig


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2002, Seite 5)

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