2. Februar 2002

Premier Adrian Nastase unter Beschuss

Der rumänische Premierminister Adrian Nastase wurde in einer anonymen E-Mail, die in rumänischen Medien verbreitet wurde, beschuldigt, Beziehungen zu dubiosen Geschäftsleuten zu unterhalten und ein luxuriöses Leben zu führen, das weit über seine legalen Einkommensverhältnisse hinausgeht. Die rumänischen Untersuchungsbehörden verhafteten Urheber und Verschicker der E-Mails vorübergehend. Die Überreaktion der Justiz und des Premierminister heizten den politischen Skandal an, der ein schiefes Licht auf die autoritären Tendenzen der Regierungspartei PSD von Adrian Nastase wirft.
Unter dem martialischen Name „Armageddon II“, der an den gleichnamigen Actionthriller mit Bruce Willis und den biblischen Ort anknüpft, an dem dämonische Geister die „Könige der gesamten Welt“ für einen großen Krieg versammelten (Offenbarung 16, 16), war Mitte Januar eine anonyme E-Mail an rumänische Medien und ausländische Botschaften verschickt worden. Nastase und eine Reihe seiner sozialdemokratischen Parteifreunde wurden vom anonymen Verfasser bezichtigt, mit zwielichtigen Geschäftsleuten Verbindungen zu pflegen, die sich sein Wohlwollen und das seiner Partei mit Geld erkauft hätten. Namentlich aufgeführt wurden Sever Muresan, der den Bankrott der Dacia Felix Bank maßgeblich verursacht hatte, Adrian Costea, der Iliescu Wahlkampf 1996 mit Bancorex-Geldern und am Fiskus vorbei finanziert hatte, George C. Paunescu, der mit faulen Krediten die Bancorex-Bank geplündert hatte, und der „zwielichtige Finanzjongleur“ Sorin Ovidiu Vantu, der Nastase von 1996 bis September 2001 monatlich 3 000 bis 5 000 Dollar zusteckt haben soll, so die Hermannstädter Zeitung. Zudem besitze die Familie Nastase vier luxuriöse Wohnungen und lasse zwei weitere bauen, wobei eines der Grundstücke zu einem symbolischen Preis gekauft wurde, was entweder auf Bestechung oder Geldwäsche hinweise. Die Kunstsammlung der Nastases wird auf zwei Millionen Dollar geschätzt, und die horrenden Ausgaben für Kleidung und Kunstgegenstände gingen weit über das Einkommen des Premierministers und seiner Anwaltskanzlei hinaus, hieß es in dem anonymen Schreiben, das keine Beweise für die Beschuldigungen erbringt.

Autoritäre Tendenzen

Die Staatsanwaltschaft reagierte prompt mit Festnahmen und Verhören. Ein Computerfachmann gestand, die E-Mails verschickt zu haben, als Verfasser wurde Mugur Ciuvica, Kanzleichef des einstigen Staatspräsidenten Emil Constantinescu, verhaftet, der seine Urheberschaft jedoch bestritt. Erst heftige Proteste rumänischer Medien, der Oppositionsparteien und Menschenrechtsorganisationen wie APADOR-CH veranlassten die rumänischen Justizbehörden, die beiden Verdächtigen wieder auf freien Fuß zu setzen. Adrian Nastase entschuldigte sich für die Überreaktion der Untersuchungsbehörden, zeigte aber auch selber nervöse Reaktionen und brüllte auf einer Pressekonferenz eine Journalistin an, die ihn mit einer unbequemen Frage konfrontiert hatte, und schlug mit der Faust auf den Tisch.
Premierminister Nastase vermutet in der anonymen E-Mail einen Versuch, die Glaubwürdigkeit der Regierung zu untergraben und deren Reputation in der westlichen Welt vor einer möglichen Aufnahme in die NATO zu schädigen. Wie die Deutsche Welle berichtet, würde nicht der anonyme Bericht über Nastases Vermögensverhältnisse die Aufnahme in die NATO verhindern, sondern „das diktatorisch-autoritäre Verhalten des Premierministers“. Die Festnahme der beiden Männer von der Straße weg sei in „bester Fünfzigerjahre-Manier“ erfolgt: Polizei und Staatsanwaltschaft hätten einem politischen Befehl gehorcht, ohne den Beweis zu erbringen, dass es sich um Falschinformationen handelt.

Korruptionsbekämpfung durch PSD-Klientel erschwert

Rumänische Medien warfen Nastase vor, dass er sich zunehmend selbstherrlich aufführe, fast schon wie Ceausescu, und das Nachrichtenprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens allabendlich in einer One-Man-Show fülle. Die Tendenzen der Regierungspartei, sich wie eine Einheitspartei zu gebärden und das gesellschaftliche und politische Leben voll zu kontrollieren, werden auch durch die jüngsten Gesetzesvorlagen zur Einschränkung der Pressefreiheit und Kommunikation im Internet bestätigt.
Der Skandal um Adrian Nastase ist auf dem Hintergrund seiner jüngsten Ankündigungen zur Korruptionsbekämpfung zu sehen. Da viele dubiose Geschäftsleute zur politischen Klientel der Regierungspartei gehören, ist mit erheblichem parteiinternem Widerstand zu rechnen.

S. B.

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