21. Oktober 2000

Nordrhein-Westfalen steht zu seiner Patenschaft für die Siebenbürger Sachsen

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens und deren Ministerium für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie stehen nach wie vor zu ihrer 1957 übernommenen Patenschaft für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Das erklärte kürzlich in Düsseldorf der nordrhein-westfälische Sozialminister Harald Schartau in einem Gespräch mit dem landsmannschaftlichen Bundesvorsitzenden Volker E. Dürr. An dem Meinungsaustausch waren der zuständige Düsseldorfer Ministerialrat Peter Schmitz sowie der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landesgruppe des Verbands, Harald Janesch, beteiligt.
Schartau, Jahrgang 1953, hatte Ende Juni von seiner Vorgängerin Ilse Brusis die Leitung des Sozialministeriums in Düsseldorf übernommen, nachdem er vorher in der Gewerkschaftsbewegung tätig gewesen war, zuletzt als Leiter des IG Metall-Bezirks Nordrhein-Westfalen. Wenige Tage nach dem Amtsantritt hatte Bundesvorsitzender Dürr in einem Brief das nun stattgefundene Gespräch angeregt, um dabei auszuloten, inwieweit der neue Minister die gute Zusammenarbeit mit dem landsmannschaftlichem Verband fortzuführen bereit sei. Dürr hatte in seinem Schreiben an die über vierzig Jahre gedeihlicher Zusammenarbeit im Rahmen der bestehenden Patenschaft Nordhrein-Westfalens für die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen erinnert, von der Johannes Rau, der heutige Bundespräsident, damals noch Ministerpräsident des Bundeslands, in seiner Festrede vor rund 20 000 Teilnehmern am Heimattag der Siebenbürger Sachsen 1997 in Dinkelsbühl mit besonderer Genugtuung festgestellt hatte, sie sei inzwischen zu einer echten und lebendigen "Partnerschaft" gediehen.
In dem Gespräch mit Schartau, das nach Aussage von Dürr in einer ausgesprochen herzlichen Atmosphäre verlief, hatte der Bundesvorsitzende Gelegenheit, dem neuen Minister die Arbeitsschwerpunkte und Problembereiche seines Verbands vorzustellen. Er verwies dabei auf bisherige Integrationsleistungen in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen sowie auf die Tatsache, dass die Landsmannschaft und die übrigen siebenbürgisch-sächsischen Einrichtungen in der Bundesrepublik bereits seit Jahrzehnten ihre Brückenfunktion zum Herkunftland wahrnehmen und namentlich nach Mauerfall und Wende auch mit erheblichen Eigenmitteln bei der Umsetzung von Hilfsmaßnahmen auf der Grundlage des deutsch-rumänischen Freundschaftsvertrages zur Verbesserung der Lebensbedingungen der deutschen Minderheit und ihres andersnationalen Umfelds in Siebenbürgen beitragen.
Dürr vermied es in seinem Vortrag nicht, auch die Schwierigkeiten und Probleme anzusprechen, mit denen sich die Spätaussiedler aus Siebenbürgen und mit ihnen der Verband zurzeit konfrontiert sehen. Dabei sprach er die in jüngster Zeit zugenommenen, besonderen Härten bei der Aufnahme und Eingliederung von Neuankömmlingen an, ging zudem auf die Verfassungswidrigkeit der Benachteiligungen ein, denen die rentennahen Spätaussiedler durch die Kürzungsvorschriften des 1996 in Kraft getretenen Wirtschafts- und Beschäftigungsförderungsgesetz ausgesetzt worden sind, und verwies damit im Zusammenhang auf den Ende letzten Jahres ergangenen Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts in Kassel, durch welches der Vertrauensschutz für Betroffene, die bei Inkrafttreten der Kürzungen bereits ein Anwartschaftsrecht erworben hatten, eindeutig bestätigt worden ist.
Zusätzlich bezog sich Dürr auf die ernsthafte Bedrohung, die vom Konzept des Staatsministers Michael Naumann zur Neuordnung der Kulturarbeit innerhalb der Vertriebenen- und Aussiedlerverbände für die gemeinschaftlich geschaffenen Strukturen der siebenbürgisch-sächsischen Kulturarbeit in Deutschland ausgeht. Jenseits der Tatsache, dass die Regierung von Nordrhein-Westfalen und ihr Sozialministerium nach wie vor Mittel zur Stützung dieser Arbeit über die Förderung des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrats in Gundelsheim bereitstellen, wofür Dürr auch Dank und Anerkennung zu äußern wusste, sei vor allem die kulturelle Breitenarbeit wesentlich gefährdet. Gerade sie aber sei in entscheidendem Maße identitätsstiftend und identitätserhaltend. Leider sei es bisher nicht gelungen, ins Konzept des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien landsmannschaftliche Standpunkte auch nur ansatzweise einzubringen und auf diese Art einvernehmliche Lösungen anzupeilen, was durchaus nicht an den Siebenbürger Sachsen und ihren Einrichtungen gelegen habe.
Schartau zeigte sich bei dem Gespräch in Düsseldorf weitgehend offen für die von Dürr aufgeworfenen Fragen. Er stehe grundsätzlich zu der vor mehr als vier Jahrzehnten eingegangenen Patenschaft und zu den von seinen Vorgängern im Amt gegebenen Zusagen, erklärte der Minister. Das betreffe sowohl die Eingliederung von Neuankömmlingen in Nordrhein-Westfalen als auch die für ihn wichtige Zusammenarbeit auf sozialem und kulturellem Gebiet mit den Verbänden und staatlichen Stellen in Siebenbürgen, die der Völkerverständigung nur dienlich sein könne.
Bekanntlich hatte Dürr kürzlich angeregt, eine Gruppe von Kommunalpolitikern aus Hermannstadt unter Leitung des dort neu gewählten deutschen Bürgermeisters Klaus Johannis zu einem Erfahrungsaustausch nach Deutschland und Nordrhein-Westfalen einzuladen. Damit im Zusammenhang solle auch der Plan einer Siebenbürgen-Reise von Vertretern des Patenlandes nach Pfingsten 2001 zur Ausführung gelangen, wobei mit Unterstützung des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Jochen Welt, eine in Vorbereitung befindliche Städtepartnerschaft verwirklicht werden könnte.
Minister Schartau nahm die Einladung Dürrs zu einem Besuch in der landsmannschaftlichen Kreisgruppe Drabenderhöhe an, wo das in Düsseldorf begonnene Gespräch weitergeführt werden könnte. Auch stellte er seine Teilnahme an einem der nächsten Dinkelsbühler Heimattage der Siebenbürger Sachsen in Aussicht.

Hannes Schuster

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