2. März 2002

Neue Impulse für Altstadt in Hermannstadt

Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) betreut ein umfassendes Sanierungsprogramm für die Hermannstädter Altstadt, das aus Mitteln der Bundesregierung finanziert wird. Interview mit dem bundesdeutschen Projektkoordinator am Zibin, Steffen Mildner.
In Marokko, Äthiopien, in Thailand und in Ägypten hat er bereits im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) Sanierungsprojekte vorbereitet und betreut: Steffen Mildner, 1948 in Leipzig geboren, studierte nach der Umsiedlung in die BRD Volkswirtschaft und Stadtplanung an den Universitäten Würzburg, Kiel und Karlsruhe und trat bereits 1976 in den Dienst der GTZ. Ab 1991 sanierte er in seiner Vaterstadt Leipzig mehrere Gebäude, jedoch auf eigene Kosten und Risiko, 1998 wurde er mit dem Denkmalpreis der Stadt Leipzig ausgezeichnet und schließlich mit dem großen EU-Projekt "Stadt- und Altbausanierung Leipzig" in Höhe von 7 Millionen DM betraut. Kaum beendet, fanden schon erste Vorgespräche für die Altstadtsanierung von Hermannstadt statt. Und mittlerweile denkt man am Zibin bereits an eine zweite Kooperationsphase, die im Sommer 2002 beginnen könnte. Was bislang erreicht wurde, darüber unterhielt sich unser Hermannstädter Mitarbeiter Martin Ohnweiler mit dem GTZ-Projektleiter vor Ort, Steffen Mildner.

Herr Mildner, die GTZ hat unter Ihrer Aufsicht das wohl größte Altstadt-Sanierungsprogramm landesweit in Rumänien gestartet und dafür Hermannstadt auserkoren. Warum?

Es hätte sicher viele und gute Gründe gegeben, Hermannstadt noch viel eher für ein solches Projekt auszuwählen. Da aber die GTZ grundsätzlich nach dem Antragsprinzip arbeitet, also erst dann ein Projekt vorbereitet, wenn ein Antrag vorliegt, waren wir eben auf diese Vorgangsweise angewiesen. Der rumänische Antrag wurde erst Ende 1998 vom Ministerium für Europäische Integration in Abstimmung mit dem Kulturministerium und der Stadtverwaltung gestellt. Durch die aktive Unterstützung des Hermannstädter Generalkonsuls Harald Gehrig wurde der Antrag bei den deutschen Stellen nicht nur schnell bearbeitet, sondern auch sehr positiv aufgenommen.

Wann und womit haben Sie sodann begonnen?

Die GTZ erhielt im Frühjahr 1999 von unserem Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit die Vorgabe, diesen Antrag zu prüfen. Im Juni wurde eine "Projektprüfungsmission" durchgeführt. Nach Gesprächen mit den Bukarester Ministerien sowie mit allen Institutionen und Personen in Hermannstadt, die uns wichtig für die Altstadtsanierung erschienen, erarbeiteten wir über einen großen Workshop mit rund 30 Teilnehmern das Projektkonzept. Kurz danach, im September, begann die so genannte "Orientierungsphase". Die dabei verfolgte Doppelstrategie, planerische wie praktische Arbeiten parallel in Angriff zu nehmen, bewährte sich schnell. Wir haben uns also nicht darauf beschränkt, erst monatelang Analysen und dickleibige Studien zu erstellen, sondern uns sogleich auf das Wesentliche in der Grundlagenarbeit konzentriert, namentlich: Die Durchführung einer großen Haushaltsbefragung und Erarbeitung von Leitlinien für die Sanierung (die "Charta zur Altstadtsanierung"). Parallel dazu begannen wir Tischler zu schulen, sicherten den oberen Teil der Pempflinger Stiege und sanierten das spätere GTZ-Beratungsbüro in der Reispergasse.

Mittlerweile aber haben sich offenbar neue Probleme ergeben, das Sanierungsprogramm wurde beachtlich aufgefächert. Welche Arbeiten wurden insgesamt angepeilt?

Die Orientierungsphase war, wie gesagt, der Einstieg und gleichzeitig die Phase des gegenseitigen Kennenlernens mit durchaus positiven Ergebnisse. So konnte die erste "Durchführungsphase" im September 2000 mit der Eröffnung des Büros in der Reispergasse beginnen, danach wurde das wichtigste Ziel des Projektes formuliert: "Aufbau von Kapazität für Altstadtsanierung". Es ging uns also nicht darum, ein Bauprogramm zu organisieren und abzuwickeln, sondern die an der Hermannstädter Sanierung Beteiligten zu beraten, zu schulen und bei konkreten Sanierungsarbeiten zu unterstützen. Schließlich soll die Sanierung ja auch weitergeführt werden, wenn es das GTZ-Projekt einmal nicht mehr gibt. Altstadtsanierung kann unserer Ansicht nach nur dann erfolgreich sein, wenn die Bevölkerung aktiv einbezogen wird. Das Ziel, die vielen Baudenkmäler, das Stadtbild und kulturelle Erbe insgesamt zu erhalten, muss einhergehen mit dem Ziel, die Wohnbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Eine sehr schwierige Aufgabe angesichts der verbreiteten Armut und der zu hohen Wohndichte in der Altstadt. Im Kern geht es darum, Lösungen zu finden, die den Bedürfnissen und den finanziellen Möglichkeiten der Bevölkerung entsprechen und dennoch denkmalgerecht sind. Statt teurer Komplettsanierungen sind schrittweise Sanierungen gefragt.

Aber wohl nicht nur für Wohngebäude.

Neben den Wohngebäuden geht es natürlich auch um die Sanierung und Gestaltung des öffentlichen Raums, also vor allem der schönen Plätze, Treppen und Stadtmauern. Darum auch galt ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der Fortbildung und Spezialisierung von Architekten und Handwerkern für solche Themen. Leider gibt es aber in beiden Berufsgruppen noch viel zuwenig Interessenten für diesen Bereich.

Trotzdem: Was haben Sie bereits durchgeführt, und was hat das alles schon gekostet?

Seit der Eröffnung des Beratungsbüros hatten wir über 250 Anfragen und Anträge von Eigentümern und Mietern, die um Unterstützung bei der Lösung ihrer Sanierungsprobleme baten. In vielen Fällen ging es um Beratung, die durch unsere neu aufgebaute Gruppe von lokalen Beraterarchitekten erfolgte. Diese Beratung ist übrigens ein anderer Schwerpunkt unserer Arbeit. Daneben aber haben wir auch Förderprogramme für so genannte "Demonstrationsmaßnahmen" entwickelt und umgesetzt: So wurden im so genannten "Tor-Programm" bisher 25 historische Tore bereits restauriert, zahlreiche Tischler denn auch für diese Arbeiten gleichzeitig geschult. Für das so genannte "Gebäudesicherungs-Programm" gab es bisher über 30 Anträge, wobei die ersten sechs Fälle unterdessen schon durchgeführt und abgeschlossen wurden, darunter die wohl größte und dringendste Arbeit: die Sicherung des Haller Hauses am Großen Ring. Im "Fassaden-Programm" haben wir sodann vier Fassaden mit Kalkputz instandgesetzt. Die fachlichen Arbeiten wurden hierfür vom britischen Mihai Eminescu Trust übernommen, der aber in Zukunft leider nur noch in den sächsischen Dörfern arbeiten will. Für die Häuser Reispergasse 11 (Avram Iancu) und Franziskanergasse 10 (S'elarilor) wurden Sanierungen unter intensiver Mitwirkung der Mieter vorbereitet und stehen kurz vor Baubeginn. An der Fingerlingsstiege und der Sagtreppe wurden ferner acht Häuser mit einem sog. Oberputz gesichert. Die Bauarbeiten an der Stadtmauer hinter dem evangelischen Pfarrhaus wurden weitergeführt und gefördert, der Abschluss könnte jetzt, im Frühjahr, erfolgen. Das Haus Nr. 2 an der Sagstiege sollte nach einem früheren Gutachten abgerissen werden. Wir haben indes dafür zusammen mit dem städtischen Unternehmen für Wohnraumveraltung "URBANA" ein Sicherungskonzept erstellen lassen und hoffen, dass die Arbeiten gleich nach Winterende beginnen.
Im Nicht-Baulichen sind vor allem zwei Arbeiten zu nennen: Die "Frühjahrsuniversität" mit einer Fortbildung für 15 Architekten und das "Kommunale Aktionsprogramm" als ein modernes Planungs- und Managementinstrument für die Stadtverwaltung. Und für all dies haben wir bislang weit weniger Geld ausgegeben, als geplant war. Neben den Personalkosten standen uns in dieser Phase nämlich immerhin eine Million DM nur für Baumaßnahmen zur Verfügung, davon wurden nur rund 350 000 DM ausgegeben. Derzeit mangelt es ja auch weniger an Geld und auch nicht an Förderanträgen seitens der Wohnungseigentümer......

.... sondern woran?

Die größte Schwierigkeit ist sicher die: Hermannstadt braucht mehr Architekten und Handwerker, die sich für die Altbausanierung interessieren und spezialisieren. Daneben haben die zum Teil sehr zeitaufwendigen Genehmigungsverfahren immer wieder die Arbeiten erschwert. Manchmal bewirken auch frühere Planungen Bukarester Büros, dass es erst mal nicht weitergeht - wie etwa derzeit bei der Pempflinger Stiege.

Welche Vorhaben und in welcher Größenordnung stehen nun an?

In diesem Jahr wird es vor allem darum gehen, die noch nicht erledigten Beratungs- und Förderanträge abzuarbeiten. Die begonnenen Förderprogramme, vor allem das Programm zur Gebäudesicherung, wollen wir kraftvoll fortführen und überdies ein weiteres Problemfeld in Angriff nehmen. Für die weit verbreitete Mauerwerksfeuchte gilt es schließlich nun, kostengünstige Lösungen zu entwickeln, dann an den ersten zehn Häusern die Trockenlegungsarbeiten zu unterstützen. Die wichtigste Baumaßnahme im öffentlichen Raum wird allerdings die komplette Erneuerung der Sagstiege sein - sofern es gelingt, den hierfür benötigten Naturstein zu besorgen.
Für Ende Mai bereiten wir ein großes internationales Symposium zu Fragen der Altstadtsanierung vor. Weiterhin sollen ein computergestütztes "Altstadt-Beobachtungssystem" aufgebaut und eine zweite Kooperationsphase zwischen GTZ und Hermannstadt vorbereitet werden. Diese müsste im Sommer beginnen und könnte nochmals zwei bis drei Jahre umfassen. Aufgaben, wie man sieht, gibt es also in allen Bereichen mehr als genug.

Inwiefern werden die Stadt und andere Institutionen in diese Arbeiten eingebunden?

Die Stadtverwaltung ist der "Projektträger" und der wichtigste Arbeitspartner für uns. Wir schätzen uns natürlich glücklich, mit einem Bürgermeister arbeiten zu können, der schon im Wahlkampf die Sanierung der Altstadt zu einem Schwerpunkt machte und vor einem Jahr in der Stadtverwaltung eine Sanierungsabteilung unter der Leitung von Architekt S. Guttmann einrichtete. Leider ist die Abteilung personell unterbesetzt. Weitere wichtige Partner sind für uns sodann die Deutsch-Rumänische Stiftung, die städtische Wohnungsgesellschaft URBANA und die Industrie- und Handelskammer (CCIA). Zu den Kirchen, vor allem der evangelischen Kirche vor Ort unter Stadtpfarrer Kilian Dörr, und dem Deutschen Forum bestehen vielfältige Kontakte.

Wie hat die Bevölkerung bisher auf dies umfassende GTZ-Projekt reagiert?

Außerordentlich positiv, wie die vielen Anfragen und Anträge zeigen. Wir hatten schon in der ersten Befragungsaktion unter rund 700 Haushalten das Interesse und die Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung erkundet und ganz überwiegend positive Antworten erhalten. In der Folgezeit haben die örtlichen Medien sehr geholfen, ein Grundverständnis über Sanierung aufzubauen und sogar eine Art von Aufbruchstimmung zu erzeugen. Trotz allem gibt es noch viele Eigentümer, die sich zurücklehnen und darauf beschränken, zu klagen, dass die Stadtverwaltung nichts für sie tut.

Was wird mit dem von Ihnen konzipierten "Kommunalen Aktionsprogramm" bezweckt?

Das Kommunale Aktionsprogramm ist ein modernes Planungs- und Managementinstrument für die Verwaltung und deren Partner. Es verdeutlicht die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Altstadt und Gesamtstadt. Es soll den Bürgern Hermannstadts die kommunalen Planungen und Projekte verständlich und transparent machen und soll auch helfen, bei nationalen wie internationalen Organisationen neue Fördermittel einzuwerben. Wichtig erscheint mir auch, dass hier Projektideen dargestellt werden, die es noch zu diskutieren gilt. Das Dokument soll daher die Diskussionen nachhaltig fördern und versachlichen.

Wie schätzen Sie das Ergebnis Ihrer Bemühungen ein?

Wir freuen uns über den guten Start des Projektes, wissen aber auch, dass es noch an vielen Stellen "klemmt" und dass noch sehr viel zu leisten ist. Die Erwartungen sind sehr hoch und es ist natürlich schwierig, diesen mit einer noch sehr kleinen Gruppe lokaler Fachleute gerecht zu werden.

Wollen Sie dafür auch ehemalige Hermannstädter begeistern?

Wir haben schon viele getroffen, die zu Besuch hier waren und uns mit ihren Reaktionen sehr ermutigten. Im vergangenen Jahr haben wir daher ein Programm vorbereitet: "Kleinprojekte zur Stadtreparatur - Hermannstädter helfen bei der Sanierung ihrer Altstadt", das auch ehemaligen Hermannstädtern Möglichkeiten aufzeigen sollte, sich für die Altstadt zu engagieren und Patenschaften für Kleinstprojekte im öffentlichen Raum zu übernehmen. Leider ist es weder uns noch dem Bürgermeisteramt bisher gelungen, für dieses Programm einen Träger zu finden. Die Journalistin Christel Ungar hat übrigens nur jüngst einen Film über unser Projekt in der deutschen Sendung des rumänischen Fernsehens ausgestrahlt. Videokopien hiervon werden sicher auch bei vielen ehemalige Hermannstädtern die Verbundenheit zu ihrer Altstadt stärken und zu neuer Hoffnung und neuem Engagement führen.
Herr Mildner, wir danken für dies Gespräch.

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